Gottv

Ost seufz' ich nach den Jahren, die entflohen Jetzt, da ich steh' an meines Lebens Ziele,

Und preise hoch die unbefangen Frohen,

Der Kindheit Lust und ihre heit'ren Spiele.

Ich sihne nach der Zeit mich, die entschwunden, Und nach dem unbewölkten Lcbensglücke,

DaS in der Jugend nicht das Herz empfunden, Als cs nicht kannte noch des Lebens Tücke.

Hinter der Krccfenkrone.

Roman von H. von Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

22 .

Was thut Ihr hier?" srug er und seine Fassung kehrte zurück, als er sah, wie das sonst so tollkühne, stolze Weib vor ihm stand, scheu und bebend wie ein gescholtenes Kind. Sie hielt eine Schaufel in den Händen, vergeblich sich bemühend, dieselbe zu verbergen.

Was sucht Ihr hier draußen, Fron Anna, so redet doch!"

Sie kämpfte offenbar noch immer mit sich selbst, ob sie ant­worten solle oder nicht, doch der Professor scha lte sie so theil- nchmend au, daß sie eineu raschem Entschluß faßte.

Ich will's Euch sagen, Herr, denn Ihr werdet mich sicher­lich nicht anskachen. In unserer Gegend besteht ein geheimer Brauch der stets hilft, wenn man ihn anwendtt, und so kam ich hierher um um meine Liebe zu vergraben. Ich kann sonst nim­mermehr des Aioys Weib sein."

Sie schaute verstohlen auf ihn, doch er schwieg und kein Hohn oder Spott zeigte sich in den ernsten Zügen; endlich sagt, er fast mitleidig:Und Ihr könnt wirklich an dem alten Aber­glauben hängen? Wie ist cs denn möglich, daß man seine Liebe vergräbt?"

Man versucht eben alleS um zu vergessen," seufzte die RothofSbäuerin.

Es lag eine tiefe Wahrheit in den Worten der erregten Frau, er empfand das wie eine» Keulenschlag.

Läßt mich gehen, Herr Professor, und vergeht die wilde Anna. Sie wird Euch immer segnen."

Der Gelehrte war zu tief in seine eignen Gedanken versunken, um den Ton und Blick der Frau zu verstehen; er bot ihr nur still die Hand.

Ich reise morgen ab, Frau Anna, und komme wohl nie mehr nach Sintorf. Lebtiwohl, bleibt gesund und macht mir den Aloys recht glücklich I"

Er ging, sie starrte ihm nach bis der letzte Zipfel seines An­zuges verschwunden war, dann preßte sie lautaufstöhncnd die Hand vor die Augen.

Ja, ich will seinen Wunsch erfüllen und dem Aloys ein- braves Weib werden. Oh wie traurig er aussah, er muß schweres Leid tragen! Gott behüt' ihn immerdar!" sagte sie mit bebenden Lippen.

Langsam nahm sie die Schaufel und grub ein tiefes Loch; es war keine leichte Arbeit selbst nicht für die geübten Hände der RothofSbäuerin.

Ihr Antlitz wurde immer bleicher, ihre Hand zitterte und Thräne auf Thiäne rollte zu Boden. Endlich ward es gethan I

Zögernd nahm sie nun einen kleinen, silbernen Taschenblei- stifl, dessen obere Fläche die Buchstaben F. S. zeigte, hervor, sowie einige hübsche Schächtelchcn, die ihr der Professor hier und da mitgcbrächt; es waren teure Andenken, die ihr kostbarer dünkten, als all ihr Besitztum, aber sie mußte sic hergeben, so verlangte cs der alte Aberglauben, sonst blieb er wirkungslos.

Ringsum blieb es todtenstill, die schrillen Spatenklänge allein hatten Geräusch gemacht. Nun zog die Bäuerin eine Scheere her­vor, schnitt sich eine Haarsträhne ab, umwickelte damit den Stift und wollte ihn hineinlegen in das enge Grab.

Da blitzte vas kleine Mttalldi.ig hell auf in ihrer Hand, daß ein gellender Schrei sich ihrer Brust entrang.

Sie preßte eS an ihre zuckenden Lippen, wie sie es schon unzählige Male gethan, gab chm tausend süß, Lchmeiwelnameu, während heiße Thränen den Augen entströmten, welche einst beim Tode des Gatten trocken geblieben.

trauen.

Was ist der schönste Trost? Auf Gott vertrauen,

Der alles nur zu unserm Besten wendet,

Auf ihn will stets ich meine Hoffnung bauen,

Der uns allein im Unglück Hilfe sendet.

Schwand auch die Jugend hin mit ihren Scherzen,

Erhellt mir Gottvertrauen doch das Leben.

Es ist der Talisman in allen Schmerzen,

O bleib mir treu, dir Hab' ich mich ergeben!

Franz Englert.

Doch eS mußte ja sein. Die RothofSbäuerin raffte alle Energie zusammen, ohne nachmals hinzusehen, schob sie die Sachen ungestüm in die Erde und gleich darauf erklangen abermals die schrillen Töne der Schaufel durch die Nacht.

Endlich war alle Arbeit gethan. Frau Anna richtete sich auf, sie war weiß wie eine Wand, ihre Augen starr und trocken, die Stimme heiser, als sie jetzt zu sich selbst sagte:Ich Hab' meine Pflicht gethan, wie schwer eS auch war nun kommt das schreckliche, lange Leben. Der Himmel helfe mir hindurch!"

Langsam schritt sie den Weg zurück, den sie gekommen ohne zu bedenke», was sie durch jenen Brief begangen, welchen Aloys beim Grafen abgegeben. Ihr eignes Herzleid um die Liebe zu dem vornehmen Mann, der sie doch nie hätte lieben können, schien ihr größer als die Vorwürfe tief drinnen in der Brust.

Vou der Sintorfstpitze her wehte ein leises Lüftchen und be­wegte die Fichten am Wege, daß sie gespenstisch der vorbeicilenden Frau znnickte». Unheimlich schienen sich die verstreuten Fels­blöcke zu bewegen und emporzurcck.n, als wollten sie das Weib da unten zerdrücken mit ihrem Schmerz und ihrer Schuld.

Träumend schritt die wilde Anna weiter, tausende von Bildern tauchten vor ihrer Seele auf nur der Aloys war nicht dabei!

Der Weg wurde immer schmäler, sie sah es nicht; aus dem Silberglanze der Nacht tauchte» deS Prostsstrs schöne, ernste Züge auf, sie schienen zu lächeln, zu winken und die Bäuerin bereitete aufjubelnd beide Arme weit aus. Da polterte ein loser Stein hernieder, sie glitt aus, ein langgezogener, schauerlicher Hülferuf tönte durch die Nacht und auf dem steilen FelSpsade stand die wilde Anna nicht mehr!!

Am nächsten Morgen steckte das Gesinde vom Rothof die Köpfe zusammen, denn seit gestern Abend hatte kein Mensch die Frau gesehen.

Aloys Siolzner, der soeben dagewesen, ging ungesäumt wieder fort, um seine Verlobte im Schlosse oder bei der Frau Ahne zu suchen. Vergebens! Man wußte nichts von ihr, denn Professor Schönau war schon sortgefahren.

Die Angst des Mannes wuchs. Trostlos kehrte er auf den Hof zurück, um mit einem Theile des Gesindes in den umliegen­den Bergen nach der Vermißten zu suchen.

Stundenlang irrten sie umher, kalter Angstschweiß perlte auf aller Gesichter denn sie liebten die Bäuerin trotz ihrer rauhen Art herzlich und wären um keinen Preis heimgegangen, ohne dieselbe zu finden.

Da plötzlich fuhr der voranschrcitcnde Aloys jäh zusammen, dann stürzte er in die Knice und stammelte tonlos:Dort Dort! Seht Ihr es? Sie liegt an der Schlucht sie ist her- untergestürzt I"

Herrgott im Himmel," schrie die Obermagd, ein resolutes Mädchen,so müßt Ihr rasch hinab und sie holen. Ich gebe mit, denn sie ist gewiß noch nicht tot und braucht rasche Hülfe."

Atemlos lauschten die Zurückgebliebenen, sie meinten nicht anders, als den Aloys mit einer Leiche ankommen zu sehen. Da klang von unten herauf ein schwacher, verhallender Jubelruf, während ein Tuch in der Luft flatterte:Sie lebt, wir bringen die Frau! Juchhe."

Bleich, mit Blut überströmt hatte man die Verunglückte auf den Nasrn gelegt, bis eine Tragbahre herbeigeholt wurde. Aloys Stolzner stand daneben, Annas Hand ruhte in der seinen und sie flüsterte mühsam:

Armer, guter AloyS! Nun kommt ein neues Leben, denn das ulte, dunkle liegt abgeichlossen hinter uns, cs ist begraben in dieser Nacht."

(Schluß folgt.)

SG

Redaktion, Druck u. Verlag v. Bernhard Hofmann in Wildbad.