Unter öer Krcrfenkrone.

Roman von H. von Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

2l.

Wer hat Dir da§ Geheimnis verraten, Schurke, vielleicht das elende Weib, welches Du verführtest?

Nein, Graf Polan, ich bin der Bruder Ihres unglücklichen Opfers und habe Cie durch diesen falschen Würfel in meiner Hand. Mo noch einmal rate ich Ihnen, sich zu entfernen und nie mehr meine Schwelle zu überschreite»"

Wie ein Tiger sprang der Graf vorwärts, um den Würfel, den ihm der Professor gezeigt hatte, zu erfassen, doch umsonst; die Hünengestalt des Professors stand wie eine Mauer, nur seine Augen schauten drohend zu dem rasende» Feinde hinüber.

Verräter an meiner Ehre knirrschlc der Graf und hob einen Stuhl, um ihn auf den Professor zu schleudern, doch er verfehlte die Richtung und krachend flog das Stück in die Fensterscheibe.

Graf Posan," sprach setzt Schönau, ernst und gebieterisch, Sie werden bis zu meiner Rückkehr dies Zimmer nicht verlassen, sonst würde ich genötigt sein, diesen Würfel sowie meines armen Bruders letzten Brief dem Staatsanwalt zu übergeben also hüten Sie sich und gehorchen Sie mir i"

Der Wahnsinnige schaute scheu zur Seite, während seine Hände sich kramphaft ballten und ein Stöhnen seiner Brust entquoll.

Langsam, ohne Pvsau ans den Augen zu lassen, schritt der Professor rückwärts zur Thür hinaus und schloß sie ab; er hatte es schon am Iohannisabcnd erkannt, daß der Unselige wieder dem Wahnsinn nahe sei, nun galt es, Schutzmaßregeln zu ergreifen.

Er eilte so rasch es ging ins Schloß und fand im Zimürer des Generals diesen mit Posaus Kammerdiener,, welch letzterer bei Schönaus Eintritt mit den Worten schloß:So ist alles ge­wesen; ich kann cs beschwören, daß Lieutenant von Oelzen als das Opfer ejneö ungeheuren Betruges fiel."

Weshalb schwiegen Sie damals?" srug der General finster, heute kommen Ihre Enthüllungen zu spät."

Ich hatte ich glaubte," stotterte der Mann,Graf Posan bot mir eine reiche Entschädigung und ich hielt ihn stets in Furcht wegen meiner Mitivissenschaft, aber heute jagte er mich fort."

Sie müssen indes noch ein letztes Mal diese Macht über den Grafen ausüben," sagte der Professor, erregt näher tretend, er befindet sich in dem Studierzimmer meiner Wohnung von er­neuter Tobsucht befallen, nachdem er einen Angriff g-gen mich versucht, der glücklicherweise mißlang."

Allmächtiger," schrieGencral vonWaldheim entsetzt,Schönau ich begleite Sie, damit der Elende Ihnen nichts anthut. Auch Sie begleiten uns, wandte er sich zu dem Diener, ich werde Ihnen natürlich diese Dienstleistung gleichfalls bezahlen."

Währenddem eilte Posau in dem kleinen Gemache ruhelos auf u. nieder ; das Krachen des zerbrochene» Stuhles, das K nicken der zerschmetterten Scheibe hatten ihm teilweise seine Besinnung wicdergegeben.

Verraten! Klar und blutrot standen diese Worte vor seiner Seele, all die daraus entstehenden Eonseqnenzen drängten sich ihm in erschreckender Deutlichkeit auf. Schönau war der Bruder des Todten, den er ermordcetl Darum also jene Aehnlichkeit in der Stimme und den Augen, von der er sich nie klar geworden, wo­hin er sie thun sollte.

Diese. Augen verfolgten ihn, diese schwermütigen Blicke, seit dem Augenblick da ihn Oelzen angesehen, nachdem er das schwarze Loos gezogen; sie standen in der Nacht vor ihm, wenn er vom Schlafe auffuhr, sic schauten zu ihm empor aus jedem Gebüsch, und aus jeder Falte der Gardinen und Portieren: Nie, niemals ließen sic ihn ruhen, und dann fühlte er cs in den Schläfen kreisen, i» den Adern zucken und mußte alle Selbstbeherrschung aufbietcn, um nicht mit beiden Händen nach dem Phantom seiner Sinne zu schlagen.

Jetzt blieb Graf Posan vor dem Schreibtisch stehen, wie wenn er denselben öffnete, um z» forschen, ob er den Brief, wel­chen der Professor erwähnt, nock vorfände!

Sei» Blick fiel auf einen Revolver, welcher augenscheinlich geladen war.Besaß der Federfuchser solch' ritterlicher, wun­dervoll gearbeitete Waffe oder sollte es vielleicht dieselbe sein, wo­mit Viktor von Oelzeu sich den Tod gegeben?" Diese Gedanken wiebelten durch das Gehirn des Rasenden.

Kreidebleich, halb von Sinnen starrte er auf die glänzende Pistole; es kam ihm vor, als richte sich diese mit der Mündung gegen ihn. Erst leise, dann lauter und immer deutlicher klang cs von den Wänden, von der Decke und rings um ihn her: Mörder, Mörder! Die Kugel ist für Dich!"

Er schrie auf in entsetzlicher Pein, er verstopfte sich die Ohren mit den Händen und schloß die Augen, umsonst, rief immer laurer und drohender: Mörder!"

Vom Schlosse her eilten jetzt einige Männer heran, General von Waldheim und Professor Schönau ihnen voraus. Schon sah man die Wohnung des letzteren, das eingeschlagene Fenster, man überlegte, wie es am besten sei, den Grafen zu überlisten, da krachte aus der Richtung des Hauses her ein Schuß, noch einer und noch einer, so daß die Männer wie gelähmt stehen blieben.

Schönau faßte sich zuerst.

Das Drama geht zu Ende," sagte er tonlos,die Schuld wird im Tode gesühnt."

Der Professor hatte sich nicht getäuscht. Als man die Thür des Zimmers öffnete, lag Graf Posan am Boden, das rauchende Pistoloch in der Hand, aber kein Zucken, keine Bewegung ging mehr durch den leblosen Körper.

Der General knieete neben dem Körper des Grafen nieder und hielt einen kleinen Spiegel an dessen halboffenen Mund; doch das Glas blieb unberührt, auch nicht der leiseste Athem ließ sich daran wahrnehmen.

Er ist tot, Gott sei seiner Seele gnädig!" sprach der alle Herr und erhob sich tief erschüttert.

Ernstes Schweigen herrschte unter den Anwesenden, die Ma­jestät des Todes löschte Haß und Zorn auf immer aus.

Der unglückliche," sagte endlich Schönau, des Generals Hand ergreifend,sein Wahnsinn hat ihn bis zum Selbstmorde getrieben; er ruhe in Frieden! Wollen Sie nicht die unglückliche Gräfin von dem gräßlichen Vorfälle in Kenntnis setzen?"

Ueber der Erde lag die köstlichste Vollmondsnacht, und der einsame Wanderer, welcher dort auf der Felswand Schloß Sin- torf gegenüber stand, empfand dieser Schönheit Zauber.

Zwischen den Rasenplätzen leuchteten die breiten Kieswege, tageshell sich abhebend von den dunklen Edeltannen; in märchen­haftem Glanze flimmerte das alte Schloß mit seinen Erkern und Thürmchen, und die beide» Broncereiter, welche davor Wacht hiel­te» streckten drohend die Lanzen gen Himmel, um jeden Unbe- rufcnen abznschrcckcn.

Nur flüchtig empfand der ernste Mann dort oben diesen Zauber, seine Seele kämpfte mutig mit bittrem Schmerze, während er da­hinschritt in glänzender Mondcsnacht.

Der einsame Mann war Professor Schönau. Er hatte heute morgen eine ehrenvolle Berufung erhalten, in Oberägyptcn nach einer alten Handschrift zu forschen und dieselbe, wenn möglich, zu erwerben; sie sollte sich in einer halbverschütteten Bibliothek vor- findeu. Er hatte nach kurzem Zandern das Anerbieten angenom­men und gleichzeitig nach seiner neuen Heimat geschrieben, um dorthin seine Abreise zu melden. So änderte sich sein Schicksal in vicrnndzwanzig Stunden, und er wars zufrieden, denn die starken Gemütskämpfe konnte er nicht länger durchdringen, ohne zu unterliegen.

Von ferne heulten in den Gehöften die Hunde, er war allein! Sein Auge glstt über die silberumschleierten Berge, das Mondlicht fiel von den Bäumen und Sträuchern, es war zauberhaft in dieser nächtlichen Einsamkeit l ,

O, Viktor," sagte der stattliche Mann ganz laut, daß er beinah erschrack vor der eignen Stimme,hätte ich doch damals statt Deiner die Kugel mir durchs Hirn gejagt! Dann stünde ich nicht heute hier mit dem wilden, furchtbaren Weh in der Brust und ruhte schon längst im kühlen Grabe."

Er schritt weiter auf dem schmalen Pfade, dicht am schwindeln­den Abgrunde hin, das bleiche Antlitz gen Himmel gewandt.

Da raschelte es im nächsten Gebüsch, er trat näher, bog die Zweige auseinander und vernahm plötzlich eine tiefe Frauenstimme.

Wer seid ihr? Laßt ein unglückliches Weib allein," sagte die Stimme.

Frau Anna! Was treib! Ihr hier draußen in tiefer Nacht?" frug der Professor betroffen.

Herr Professor!" schrie die wilde Anna förmlich auf. Sie konnte nicht weiter reden. Hätte sie die Posaune des jüngsten Ge­richts vernommen, sie könnte nicht mehr davon erschrocken sein.

(Fortsetzung folgt.)

rrnh a r d H v jm a n n >n Wiidba». ^