Zum 16. Marz.
st Der 16. März, der Beisetzungstag der Leiche unseres heißgeliebte» altverehrtc» Kaisers ist nun vorüber, der greise hohe Herr ist zu seinen Vätern schlafen gegangen, er ruht nun neben seine» edlen Eltern! Die ganze deutsche Nation hatte gestern das Tranergcwand angelegt, eS war als ob jede Familie ihr Oberhaupt verloren hätte. Die deutsche» Fürsten senkten in großer Trauer ihr Haupt, alle die Großen der Welt, sie schritten Thränen in den Augen hinter der Leiche des erloschenen Sternes aller Fürsten drein, ans den alle Welt mit Staunen und Bewunderung blickte. Sein Volk in unabsehbaren Reihen nach Tausenden und aber Tausenden zählend, geben laut schluchzend und weinend ihrem heißgeliebten und hochverehrten Kaiser das letzte Geleite zu seiner endgiltigen Ruhestätte. — Wir aber versetzten uns im Geiste auch in jenen Traucrzug und vermehrten die Zahl der Trauernden nach Millionen und aber Millionen. Wildbad hat, zu seiner Ehre sei cs gesagt, es sich nicht nehmen lassen, diesen hohen Tag seiner heiligen Bedeutung gemäß, in überaus festlicher Weise zu begehen. Schon früh morgens zeigten uns die vielen schwarzumflorten Flaggen die traurige Bestimmung dieses Tages an. Um 10 Uhr versammelte sich die ganze hiesige Einwohnerschaft im Gotteshause zum festlichen Trauergottesdienst, welchem die Worte Melachi 2 Vers 5 unterlegt wurden. Die öffentlichen Geschäfte wurden geschlossen. Man sah niemanden, der nicht die Tranerklcidcr angczogen hätte.
Ja „barba blaues," Du bist es wert!
Sauft ruhe Deine Asche!
Kaiser Wilhelms letzte Namensunterschrift.
Fürst Bismarck verkündigte in der Sitzung des deutschen Reichstages vom 9. März das Ableben Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm und legte dem Hause das historische Ackteustück, welches die letzte Namensunterschrist des Kaisers trug mit folgenden Worten vor:
„Ich hatte die Bitte an Sc. Majestät gerichtet, nur den Anfangsbuchstaben des Namens noch zu unterzeichnen. Majestät haben darauf erwiedert: daß Sie glaubten, mit dem vollen Namen noch unterschreiben zu können."
Wir bringen unfern Lesern hierunter ein Abbild jener Unter- schrif eines Denkmals der Pflichttreue bis zum letzten Athemzuge:
Wir zweifeln nicht, daß dieses sichtbare Andenken an die letzten Tage des teuren Heimgegangenen unser« Lesern willkommen sein wird, und fügen noch zum Vergleich den schönen und kräftigen NanienSzug hinzu, wie ihn Kaiser Wilhelm noch bis in sein hohes rüstiges Alter hinein gezeichnet hat:
Rundschau.
Knittlingen, 12. März. Kaum daß heute mittag das Trauergeläute für Kaiser Wilhelm begonnen, zersprang die größte unserer 3 Glocken. Ein klaffender Riß durch die ganze Glocke macht deren Umguß notwendig.
Aalen, 11. März. Während überall tiefe Trauer über den Tod des Kaisers sich kundgiebt, ist in vergangener Nacht in einer hiesigen Wirtschaft ein 23jähriger Bursche verhaftet worden, weil er sich in Ausdrücken, die nicht wiederzugebcn sind, über den Verstorbenen erging. Der Betreffende ist von Flacht, OA. Leonberg, gebürtig und steht bei einem hiesigen Drechsler in Arbeit. Nach der heutigen Vernehmung wurde er vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.
Backnang, 13. März. Gestern abend um 6 Uhr hatte man Hier ein starkes Gewitter unter Blitzen und Donnerschlägen.
Berlin, 14. März, 9 Uhr 20 Min. abends. Offizielles Beisetzungszeremoniell. Das Leichenbegängnis findet Freitag mittag 12 Uhr statt. Von 11 Uhr ab Geläute aller Glocken. Nach dem ersten Geläute treten Gras Otto Stollbeig hinter das eine Tabouret mit der Krone, Minister Puttkammcr hinter ein Tabouret mit dem Reichsscepter, Maybach hinter ein solches mit dem Reichsapfel, der Kriegsministcr hinter das Reichsschwert, der Justizminister hinter das Reichsinsiegel, Lucius hinter die Kette des Schwarzen Adlerordens, Bötticher hinter den Kurhut, die Minister Goß- ler und Scholz hinter das Kurschwcrt.
Der kommandierende General des Gardccorps v. Pape tritt mit dem Reichspanier an das Kopfende des Sarges; neben ihm mit gezogenem Degen die Gcneraladjutauten Lehndorff und Radzi- will. An das Fußende des Sarges trete» Generaladjutanten, Flügeladjutauteu, Generale a !a onits, Deputationen von preußischen, bayerischen, sächsischen, württembergischen und ausländischen Regimenter», deren Chef der Kaiser war.
Unter den zur Feier eingeladencn Personen befinden sich der Reichskanzler, Generalfeldmarschall Moltke, der Statthalter von Elsaß-Lothringen. Die Kaiserin-Mutter nimmt an der Trauer- fcier nicht teil.
Der Gottesdienst wird nach den letztwilligen Bestimmungen des Kaisers von Obcrhofprediger Kögel unter Assistenz der Domgeistlichkeit abgehalten. Während der Geistliche über die sterbliche Hülle des Kaisers den Segen spricht, gibt die Infanterie die vor- gcschriebenen 3 Salven; hierauf wird der Sarg durch 12 Obersten von der Estrade abgehoben und unter Vortritt der Kammerherren, der die ReichSinsignien tragenden Minister, der als Marschälle fungierende» Hofchargen, begleitet von den die Bedeckung bildenden 2 Stabsoffizieren und 1? Haupileuten und gefolgt von dem das Reichspanier tragenden General v. Pape und den den letzteren begleideten Gencraladjutanten Lehndorff und Radziwill, bis zum Leichenwagen getragen und auf den Leichenwagen gehoben.
— Der Sarg, in welchem Kaiser Wilhelm im Dom ausgestellt ist und in welchem er im Mausoleum zu Charlottenburg beigesetzt wird, ist nach dem Vorbilde des Sarges Friedrichs dcö Großen gefertigt. Die weißseidene Polsterung, auf welcher die Leiche des Kaisers ruht, wird zunächst von - einem besonders starken und schweren Zinksarg umfangen, der in den aus eichenen Bohlen gefertigten Uebersarg eingesetzt wird. Dieser ist mit echtem Purpurseidensamt überzogen, der mit echtvengoldeten Borten mit Eck- verzicrungen ausgcstattet ist. Der Sarg selbst ist 2,21 m lang, 95 am hoch und in der Kopfhöhe etwa 1 m breit und dürfte insgesamt 10 Ctr. wiegen.
— Während die Degen des Kaisers Wilhelm und ein Teil der Uniformen und Monturstücke nach des Kaisers letztwilliger Verfügung nach der Ruhmeshalle gebracht werden, wird die Uniform , welche der Kaiser am Tage des Nobilingsche» Attentats trug, der durchlöcherte graue Mantel und der von vielen Schrot- körnern durchbohrte Helm dem Hohenzvllern-Museum einvcrleibt werden.
— Dienstag vormittag gegen 11 Uhr führte Kronprinz Wilhelm das Offiziercorps des Garde-Husaren-RegimentS an der Leiche des Kaisers Wilhelm vorbei. Später folgten Deputationen der Mannschaften.
— Die Worte, welche Kaiser Friedrich bei der Begegnung in San Pier d'Arena dem König Humbert zu dessen Empfang aufschrieb, lauten nach italienischen Blättern: „Als Du den Vater verlorst, kam ich zu Dir, um sein Andenken zu ehren und Deiner Thronbesteigung beizuwohnen, ich nahm teil a» Deinem und Deines Volkes Leid und an Eurer Freude. Heute, wo ich vom Unglück niedergebeugt bin, kommst Du zu mir. Ich danke Dir. Ich sehe darin einen neuen Beweis Deiner Freundschaft, die wenn Gott mir beisteht und mir Genesung giebt, zwischen uns beiden, unfern Dynastien und unfern Völk er n sich imm er mehr befestigen wird."
— Die Leliensversicherungs- und Ersparnis-Bank in Stuttgart wird demnächst eine außerordentliche Generalversammlung auf 6. April d. I. berufen, welche über die Frage der von der Direktion beantragten unentgeltlichen Uebernahme der Kriegsgefahr für sämtliche Versicherte zu entscheiden haben wird. Der Ver- waltnngsrat der Bank hat diesen Antrag bereits einstimmig zum Beschluß erhoben. Das Streben der Bankleitnng, jedem Versicherten die Aufrechterhaltnng der Versicherung selbst im Falle des Kriegs zu ermöglichen, wird von der Generalversammlung voraussichtlich freudigst begrüßt werden, denn bei der derzeitigen Wehrverfassung ist die Uebernahme der Kriegsgefahr eine unabwendbare Pflicht für die Lebensversicherung geworden,