Unter öer Krcrfenkrone.

Roman von H. von Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

16 .

Sollt' Dich Dein Wort gereuen," siel sie ihm höhnisch in die Rede,so nimin's zurück, dann ist's aus mit dem Verlöbnis!"

Anna," sagte er traurig,bist doch nicht so bös' als Dn Dich gicbst. Deine Augen sind rot vom Weinen."

Laß mich in Rnh, AloYS," erwiderte sie herb,ich trag' mein Herz nicht aus den Lippen."

So geh' zur Frau Ahne, die wird das Rechte finden.

Rein," rief sie zornig,ich will nicht. Frau Ahne und der Herr Professor sind vornehme Leute, die sich nicht um uns kümmern"

Nein, Anna, das darfst Dn nur nicht sagen," antwortete Stolzncr erregt,der Herr Professor allein hat einen ordentlichen Menschen aus mir gemacht, har mir das Fluchen und Schimpfen abgewöhnt und mich ermahnt, daß mein Hoj nicht in Unordnung verkam. Das ist ein echter Mann, brav und vornehm, dabei doch gut und teilnehmend auch für uns niedere Leute.

Um den trotzigen Mund der Bäuerin zuckle es schmerzlich bei diesen Worten und ihr Auge wurde feucht; sie Hörle in Ge­danken die tiefe Stimme des Gelehrten; fühlte wie sein vorwurfs­voller Blick sie traf und seufzte dann fast stöhnend auf.

Der Weg war schmal und voller Geröll; ihr Fuß strauchelte und gutmütig bot Alloys ihr die Hand zum Führen; wortlos legte sie die ihrige hinein, ein warmer Druck derselben lohnte ihn und aus den Augen der wilden Anita floß eine heiße Throne.

Am Abend waren auf dem Schlosse vom Grasen Posau einige Herren, darunter auch Professor Schönau, eingeladen. Rach- dem man den Thee eingenommen, öffnete der Diener geräuschlos die Thüren zu dem Nebenzimmer, wo bereits die Spieltische her­gerichtet waren.

Wollen die Herren vielleicht erst die Johannisfeucr an- schen?" frug Gräfin Eva freundlich und wandte sich zum Balkon, sie sind bei uns daheim so selten und gewähren doch einen ganz eigenartigen Anblick."

Ich werde sie gleichfalls betrachten, Frau Gräfin," anwor- tete Professor Schönau,und erst später die Herren beim Spiel wieder aufsuchen."

Ah so, ich verstehe," lachte höhnisch der Graf,unser ver­ehrter Herr Professor hält das Spielen für Unrecht und will sich demselben auf gute Manier entziehen. Wie Sie wollen, Herr Professor, auf Wiedersehen nachher!"

Auf dem Balkon standen mehrere Sessel und die junge Frau ließ sich auf einem derselben nieder, ihren Begleiter freundlich gleichfalls zum Sitzen einladend. Sie fühlte sich heute wieder ein­mal viel leichter und froher als sonst, ovschon sie sich den Grund dafür nicht erklären konnte.

Auch Schönau empfand die köstliche Stille der Sommernacht und die Nähe der geliebten Frau, er meinte gewappnet zu sein gegen seine Leidenschaft und die Versuchungen des Herzens.

Hofjenilia) können die Leute noch vor dem Gewitter die Feuer anzünden," begann Eva, hörbar bifangcn,es ist ein so märchenhafter Anblick, wen» die Feuergarben aufflammeu. Finden Sie dies nicht auch, Herr Professor?"

Sie blickic ihn mit ihren schönen, blauen Auge» so treuherzig an, daß ihn eine momentane Schwäche überkaw und er meinte, daß alle seine guten Vorsätze auf Sand gebaut waren.

Es war doch furchrbar schwer, hier in der dämmernden Johannisnacht zu kämpfen niit der Liebe, die immer von neuem hervorbrechen wollte. Nur ein einziges mal hätte er diese kleine, Weiße Hand auf seine glühende Stirn legen mögen dann wollte er nichts mehr wünschen, nichts mehr hoffen!

Aber die geliebte Frau an seiner Seile war die Gattin eines Anderen und dieser wiederum war? Nein, er durfte den Ge­danken nicht ausdenke», es hämmerte und pochte in feinen Schläfe», cs trieb ihm das anklagende Wort auf die Lippen.

Eine unheimliche Schwüle lag aui der »achtdnnklen Erde; kein Lüftchen rührte sich und ein schweres Gewitter zog näher!

Von den Bergen erklang sitzt hier und da ei:-. Jauchzen, dunkle Gestalten huschten hin und her, welche das Holz zu Schei­terhaufen znfaininentrugen; fahl und deullich zuckte der irste Blitz durch die Luft, doch noch ohne nachfallenden Donner, denn das Gewitter war »och zu weit entfernt.

Drüben an derschwarzen Wand" werde» die Leute wohl bald anzündeu, Frau Gräfin, ich sehe schon Fackeln auftauchen," bemerkte Schönau unsicher, damit die Pause nicht gar zu drü­ckend würde.

Ah, drüben auf der Sintorfspitze stammt cs auf!" rief Eva, mit der Hand hinüber deutend,ist das nicht schön, Herr Pro­fessor, wie im Feenlandc"

Ihre gelbliche Seidenrobe streifte ihn leicht, daß er die Lip­pen zusammen biß vor Erregung; seine sonst so eiserne Selbst­beherrschung ging immer mehr zu Ende. Er kreuzte die Arme über der Brust und blickte hinüber zu den, wie durch Zaubcr- schlag plötzlich entzündeten Johannisfenern.

Der Anblick war ein überwältigend großartiger.

Von den Flammen erleuchtet, hoben sich die wildzackigen Bergspitzen und die schroffen Felswände des umgebenden Gebirges fast gespenstisch ab gegen den Hellen Teil des Himmels, während gegenüber die blanschwarzen Gewitterwolken immer höher stiegen und ein jäher Blitz mitunter aus denselben hervorschoß.

Eine Schaar von Kindern nmtanztc jubelnd die Feuerstöße, in den Händen Besen haltend und aus den Köpfen Kränze tra­gend, während andere wieder Reiser herbeitrugen und in die Flam­men warfen, daß dieselben mächtiger cmporflackerten.

Inzwischen kam aber daö Gewitter in rasender Eile näher. Die Blitze wurden immer Heller, beinah schon so weiß flimmernd wie die Sterne am Himmel und der Donner rollte furchtbar grol­lend und fast ununterbrochen zwischen den Bergwänden dahin.

Eine Illustration zum Menschenleben, Herr Professor," bemerkte Gräfin Eva träumerisch,man lebt sorglos dahin »nd sieht nicht, wie das Gewitter aufsieigt, trotzdem die Blitze mitun­ter recht hell züngeln. Es ist überhaupt manchmal recht schwer die Enttäuschungen und Prüfungen des ganze», langen Lebens geduldig zu ertragen?"

Eva's Auge war feucht, denn sie wollte hier in der ein­samen Nachtstunde Abschied nehmen von dem ernsten Manne an ihrer Seite, weil sie fühlte, daß es über ihre Kräfte gehen würde, noch länger ihn zu sehen und zu sprechen, während das Herz in der Brust vor Schmerz zerspringen wollte. Aber es wurde ihr sehr schwer!

Sie haben recht, Gräfin, das Leben trägt sich zuweilen schwer, das fühlte ich seit meines Bruders Tode mehr denn je."

Er starb sehr rasch wie man mir sagte."

Mein Bruder erschoß sich selbst als unglückseliges Opfer eines amerikanischen Duells sein Gegner war vielleicht ein in­famer Schurke."

Armer Schönau ! So haben auch Sie schon schwer gelitten."

Schüchtern bot sie ihm die Hand, er nahm sie und preßte die schlanken Finger leidenschaftlich an seine zuckenden Lippen ohne' sie wieder frei zu geben.

Eine Paule entstand. Traumverloren, Hand in Hand schau­ten beide in die schwüle Johannisnachl; von den Bergen stammle» die Hellen Feuer, aus den dichten Wetterwolke» zuckten blendend Helle Blitze, denen ein krachender Donnerschlag folgte. Daö Gewitter war schon.ganz nahe herangekommen.

Eva I" erklang m diesem Augenblick Graf Posaus Stimme ans dem Spielzimmer. Die Gräfin löste leicht ihre Hand ans derjenigen des Professors und verschwand im Salon. Schönau blieb allein auf dem Palkon zuück. Schwere, dichte Regentropfen fielen zur Erde, Blitz und Donner folgten Schlag auf Schlag, und die noch an einer kleinen Stelle des Horizontes im fernen Osten leuchtenden Sterne verschwanden in den grauen Wolken.

Drinnen im Spielzimmer herrschte gleichfalls dumpfe Schwüle, man vernahm nur das Rollen der Würfel und daö Klingen des Goldes und die fünf Herren starrten unverwandt auf die glück- und unglückbringenden Würfel.

Geräulchlos trat der Professor, der nun auch in den Salon getreten war, hinter den Stuhl des Grafe». Schönau war's, als stünde ein Todter aus fernem, kühlem Grabe an seiner Seite und deute mit dem Finger vorwärts.

Der Graf, welcher auf einmal furchtbar erregt war, bemerkte den Professor nicht. DeS Grafen Blick mar stier und ohne Aus­druck, sei» Gesicht zuckte nervös und der Oberkörper beugte sich wett vor; Schönau erbleichte, als er sah, daß jeder Wurf Posaus gewann.

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Vertag von Bernhard Hosmann in Mtddad.