Unter: dev Kvcrfenkvone.
Noma» von H. von Ziegler.
^Nachdruck verboten.)
15 .
Draußen stand der Professor still; eS regnete, von den Zweigen steten schwere Tropfen n»d der Hunmel war grau verhangen. Aber die Lust war köstlich, wie ein lindernder Balsam legte sie sich auf seine erregten Nerven; er meinte, es drücke ihn ein Alp zu Boden, wenn er an die Gräfin und au das schwermütige Abschiedslied, das sie gesungen, dachte."
Aber das wae's nicht allein I Zwischen dem Grafen und ihm stand eine andere Gestalt, in der einen Hand den totbringenden Revolver — in der anderen einen Würfel.
Ein Gutsbesitzer aus der Gegend von W . . . ., den Schönau kürzlich kennen gelernt, halte erzählt, daß er im vorigen Jahre viel mit Graf Posau gespielt und viel an denselben verloren habe. Das letzte Mal vor des Grafen Abreise habe sich im Kasino eine aufregende Scene abgespielt; er, der Gutsbesitzer verlor ununterbrochen an Posau, hinter dessen Stuhl Plötzlich ein Offizier trat und um eine Unterredung bat. Wütend habe Posau ihn angesehen, das Spiel unterbrochen und sich dann mit dem Offizier in ein Nebenzimmer begeben.
Was daraus entstand, erfuhr der Erzähler nie, denn er reiste in derselben Nacht ab, doch konnte es nichts Freundliches gewesen sein, denn beide Herren hätten sehr finster ausgesehcn.
„Der Name des Offiziers," schloß der Erzähler seinen Bericht, „vergaß ich und weiß nur, daß er ein stattlicher junger Mann mit sympathischem Gesichte war."
War das nicht genug? Nahm der Verdacht, den Schönau schon mW. . . . gefaßt, nicht immer schärfere Umrisse an! Aber er durfte doch noch immer nicht reden.
Weshalb war Eva des Grafen Gemahlin geworden? Sollte man sie dazu gezwungen haben? —
Dunkle Frauenaugen schauten aus dem dichten Gebüsch, drohend ballte die wilde Anna die Faust gegen des Schloß. Armes Weib! —
An dem Tage, da sie sich zum zweiten Male verlobt, erkannte die wilde Anna mit unsäglichem Schmerze, daß sie einen Mann lieble, welcher hoch, hoch über ihr stand und niemals ihre Liebe erwidern konnte.
„Behüt Dich Gott, es wär' so schön gewesen,
Behüt' Dich Gott — cs hat nicht sollen sein,"
flüsterten Friedrich Schönaus Lippen, und es war ihm, als hätten die Bäume, die Regentropfen und, ..r Wmr in den rauschenden Blättern sein Geheimnis eekann. uno veec.-ten.
Doch nein, die Bäume ru.c Blatter tannun sei» Geheimnis nicht, nur ein lolenblassts, nnie-mes Antlitz >as i» ScköiwnS Zügen wie in einem offenen Bueve. Enm Fianengestali bog sich weit vor und ballte die Hand zur Faust.
„Ich liebe Euch, wenn Ihr auch zehnmae ein vornehmer Herr seid und jene swöne Dame liedi, die Euch roch »immer angehören kann! Hört Ihr es, die Witte Anna lnbl Euch — nur bis zum Wahnsinn — Mehr nicht!" finsterte eure unheimliche, halblaute Stimme.
Man feierte heute die Sonnenwende wie überall im Gebirge so auch in Sinlorf; das Fest war vielleicht noch ein Brauch ans heidnischer Vorzeit' doch tief eingewurzelt in das Leben der Dorfbewohner niit seinen flammenden Johannisfeuern ringsum auf den Bergen und dem lustigen Tanz der Jugend beim Schein derselben.
Seit kurzem war Professor Schönau mit dem Großmütterchen ebenfalls zum Sommeraufenthalt wieder in Simorf einge- trofsen, und die letztere empfand eine ganz ungckannte Freude, als Gräfin Eva mit kindlicher .Herzlichkeit den Verkehr zwischen ihnen erösfnete. Beinah jeden Tag kam die junge Gräfin zu der alten Dame, las ihr vor, führte sie spazieren oder plauderte mit ihr, sodaß diese ganz unruhig wurde, wenn sie einen ganzen nachmittag ohne die Frau Gräfin verbringen mußte.
Auch der ernste Professor fühlte sich mehr und mehr in den Zauberkreis der blauen Augen der schönen Gräfin gezogen; erkämpfte furchtbar mit sich und der mahnenden Stimme des Gewissens draußen im Angesicht der majestätischen Berge, welche kühl und stolz auf seine Qual herabzuschauen schienen.
Professor Schönau Halle sich, um all der Qual ein Ende macken, a» einer entfernten Universität um eine Professur beworben, nnv wenn diese Svmmeriage vorüber waren — nahm er für immer Abjwied von Gräfin Eva und der Liebe, die sie in ihm gewickt Aber konnte er die stetig wachsende Leidcnschatt des engcnen Herzens zügeln oder vernichten, wenn er auch die Entfernung zwischen sich und die teure Frau legte!
Auch Eva blieb nicht nnverührl von dem Blicke dieser Augen, welche ihr wie alte, liebe Bekannte erschienen, seit sie damals in der Kirche so tief in ihrer Seele geforscht. Sie hätte oft bitterlich weinen und dann wieder hell aufjubeln können, denn sie wußte cs auf einmal, als habe eine Himmelsstimme es ihr zugeflüstert: „Es ist die Liebe, die echte, einzige Liebe!"
Freilich, dann kam auch eine andere ernste Stimme in die Seele, das Gewissen mahnte eindringlich: „Du bist eines anderen Mannes Weib und es ist eine Sünde an den zu denken, welchen Du liebst!"
So brachte jeder Tag neue Kämpfe, neues schmerzliches Glück und diese beiden Menschcnherzen waren dennoch zu schwach, um mit fester Hand die Fäden zu zerreißen, die sie täglich inniger umsponnen. Es wäre noch Zeit gewesen!
Eine Person, der man es kaum zugctrant haben würde, beobachtete mit psychologischem Scharfblick den Professor Schönau und die Gräfin, nämlich die Rolhossdäuerin.
Ein wilder, ungezügelter Haß wuchs immer stärker in ihrer Seele empor gegen jenes schöne, vornehme Weib mit den lieblichen Zügen nnd der süßen Stimme; sie wußte, daß sich die Gräfin und der Professor liebten, der eigene Herzensinstinkt verriet eö ihr, fast noch ehe sie beide zusammen sah. Die wilde Anna dachte kaum noch daran, daß sie Aloys Stolzner ei» Ehe- Versprechen gegeben, sie dachte fast nur an den einen, welchen sie doch nimmer erringen konnte.
Sie kam soeben ans der Kirche, doch waren es immer dieselben Gedanken, welche sie beschäftigten: „Sie können nie einander gehören, Himmel und Hölle Mhen dazwischen!"
Ein unheimliches Lachen klang von ihren Lippen. Es beruhigte sie beinah, daß der Mann, welcher nicht ihr eigen werden, auch selbst nicht glücklich sein konnte, denn sie dachte nicht edel genug, um Schönau'S Glück über das ihre zu stellen.
Im westlichen Horizont standen, scharf abgegrenzt gegen den blauen Himmel, dunkle, schwere Wolkenmassen. Die Luft war glühend heiß, kein Lüftchen regte sich, es war unzweifelhaft, daß ein Unwetter Heraufziehen mußte.
Der Johannistag, wenn cs auch ein kirchlicher Festtag war, sollte diesmal erst in Sintorf gefeiert werden, wenn die letzte Heufnhre eingebracht worden, denn das Gewitter stand am Him- met nnd die duftenden Heuhaufen mußten vor demselben geborgen w rd n.
Um mittag Halle man endlich die Arten beend t nnd begann erst j tzt de» Lag zu stnrn, obsckon die Hauplfecnde erst abends mit bei» Anzünknn der Jvhannisfemr begann.
Im Fenrtagseock,, die tnrze Pfeife im Munde, schleuderte Aeoys Sloeznrr seiner Braut entgehn, welche stattlich aber auch unnahbar wie imm.r über den Weg daherkam. Er liebte sie strotz ihrer Kälte, denn er hoffte noch immer dieselbe zu besiegen durch stetes unermüdliches Werben und treue Ausdauer.
„Guten Lag, Anna," nickte er gutmütig, „da wären wir fertig. Ans dem Nothof haben sie eben die letzte Henladung eingebracht. Gott gesegn's! Das Gewitter wird schwer, was da heranzieht und cs ist jammerfchade um die Johannisfeuer, denn sie werden gründlich verregnen."
,,L>' ist überhaupt Thoeheit, die schönen, großen Holzstöße droben zu verbrennen," meinte die Bäuerin verstimmt, „es giebt da nur einen wüsten Lärm zwischen den Mädchen und dem Mannsvolk."
„Warum sollen sic aber nicht auch Scherz und Kurzweil mit einander haben, Anna," begütigte Aloys, das Leben wird noch zeitig genug ernst."
„Ja," nickte Anna, schwer betonend, Glück giebt es fast nicht mehr in der Welt."
„Aber, Anna," rief Stolzner, ärgerlich über ihr mürrisches Wesen, „was hast Du denn eigentlich, daß Du gegen Jedermann so widrig bist; wen» Dich ein geheimer Kummer drückt, sag's nur immerhin, aber ich will mich nicht weiter so unfreundlich von Dir behandeln lassen." _ (Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad,