Jigeunevbtut.
Novelle von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
26 .
Als die Herren die Loge verlassen, stand Graf Landry starr wie betäubt; er fühlte, daß er doch zu weit gegangen, daß er sich durch diese Thorheil gesellschaftlich den Hals gebrochen und seine Gedanken wirbelten durcheinander. Dann schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn, lachte wild auf und stürmte davon; er mußte Elvira sprecheil, sie Halle gesagt, daß sie ihm viel zu sagen habe. Was mochte es sein? Feuerrot brannte der Streifen, welchen Ferkos Hieb ihm versetzt, auf seiner Wange. Hab, nun war er gebrandmaikt fürs Leben, aber noch znm letzten Male wollte er der Gesellschaft zeigen, zu was ein gereizter Mensch fähig sei.
Ein blutjunger Offizier von der Linie trat leicht grüßend in seinen Weg; er atmete rief, packte ihn beim Arm und frug atemlos mit stockender Stimmet „Helmstedt, wollen Sie mein Sekundant sein? Ich habe einen Ehrenhandel mit Baron Ferko auszumachen; überbringen Sie ihm meine Forderung: Pistolen über's Taschentuch!"
„Herr des Himmels, das ist ja eine ernste Sache," fuhr der Offizier auf, „das geht auf Leben und Tod. Und die Ursache, wenn man fragen darf?"
„Ah, eine Bagatelle wegen Seunora Eivira's schönen Augen. Als ob ein Ehemann nicht auch eine kleine Schwäche dafür haben dürfte. Meinen Sie nicht auch, Herr Lieutenant?"
Herr von Helmstedt dachte bei sich selbst, daß derjenige, welcher eine schöne, sanfte Gemahlin besitze, wie der Graf, nicht für Reiterinnen zu schwärmen brauche, aber er schwieg und verneigte sich nur zuslimmend.
„Ich suche sogleich den Baron auf, Herr Graf, um ihm Ihre Forderung zu überbringen."
„Meinen besten Dank, Herr Lieutenant; ich bitte, daß Sie zum Zeichen meiner Erkenntlichkeit sich die Ulmer Dogge von mir abholen lassen. Sie fanden das Tier neulich so schön und ich kann es nicht mehr brauchen." —-
Die Einwände des ganz erstaunten jungen Mannes nicht weiter beachtend stürmte Graf Landry fort, um gleich darauf nach kurzem Pochen in Elviras Boudoir zu treten; sie lag, noch erschöpft von der angreifenden Produktion, in einem Fauteuil, und wehte sich Kühlung zu.
„Gut, daß Sie komm, Graf, ich bin in der Stimmung mit Ihnen zu plaudern,aber, Mensch, wie sehen Sie aus? Haben Sie Gespenster gesehen, oder weßhalb blicken Sie sonst so starr und wild? Reden Sie, ich will es wissen."
Mit noch vor Erregung bebender Hand schob Landry den Riegel vor die Thür, dann stellte er sich vor die Künstlerin, deutete auf die rote, flammende Stelle auf seiner Stirn unv frug heiser: „Was denken Sie, was ich erlebt habe, Elvira, und nur wegen des Colliers?"
„Nun, Sie machen mich sehr begierig, Graf, die Neuigkeit zu erfahren! Woher kommt denn das Mal auf Ihrer Stirn?"
„Baron Ferko hat mich wie einen Buben gezüchtigt in Gegenwart des Erzherzogs und mehrerer anderer Herren."
„Ferko?" rief Elvira und zuckte leicht errötend zusammen, und weshalb, wenn ich fragen darf?"
„Ack, er ist in meine Frau bis über die Ohren vernarrt, und die Gräfin, welche das Collier erkannte, nahm den Spaß übel, und liß sich vom Oberst von Welheim fortführcn, während der Baron kreideweiß vor Wut — mich so beleidigte. Natürlich sandte ich ihm auf der Stelle meinen Sekundanten,"
„Sie wollen sich mit — dem Baron duellieren?"
„Natürlich!" rief der Graf und rannte hin und her, schäumend vor Wut, „übers Taschentuch — er oder ich — mit der Schmach im Gesicht kann ich nicht leben, ohne meinen Gegner niedergestreckt zu haben."
„Also deshalb habe ich den thörichten Wunsch gehegt, jenes Collier zu tragen?" brach Elvira jetzt los und voll llnbeftüm aufspringend, „ich wollte ihre Gattin ärgern, welche ich hasse — wie sonst nichts auf der Welt — und nun geht's an ei» Leben — ohne welches ich kein Glück mehr auf Erden kenne. O, ich elende Thörin!"
Der Graf glaubte natürlich, es sei sein Leben, von dem das
schöne Mädchen sprach, feurig stürhte er zu ihr, um ihre Hand zu küssen, doch sie wies ihn kopfschüttelnd ab und sagte kurz; ja fast befehlend: „Das Duell darf nicht stattfiuden, Graf Landry ich will es nicht."
„In jeder Beziehung will ich Ihren Befehlen Nachkommen, aber nur dies Mal nicht, er oder ich schrie Graf Landry."
„So geh ich selbst zu Baron Ferko und zu Ihrer Gemahlin !"
„Das werden Sie nickt: Ich kann die Sache incht rückgängig machen, der Erzherzog hat Alles mit angesehen.."
„Und um Ihretwillen soll Baron Ferko sterben," schrie jetzt, sich und alles Andere vergessend, die Reiterin, Sie, der nicht wert ist, in seinem Scharten zu gehen, wollen ihm mit der Pistole gegenübertreten? Das erlaube ich nicht, denn so wissen Sie es dann — ich liebe Baron Ferko, liebe ihn wie noch nie ein Weib einen Manu geliebt hat."
„Ho, elende Comödiantin," donnerte Graf Landry mit der geballten Faust auf den Marmortisch schlagend, daß ein breiter Riß hervortrat, „und das sagen Sie mir erst heute, trotzdem Sie ein Geschenk über das andre von mir annehmen. Ich schien Ihnen ein Spielball gut genug?"
„Habe ich Ihnen je versichert, daß ich Sie liebe?" frug sie kalt, mit gekreuzten Armen ihm gegenüberstehend, „und nun mein letztes Wort: Sie schießen Sich nickt mit dem Baron, hören Sie!"
„Morgen früh werden wir nnS schon treffen, nun erst recht."
„Auch wenn ich Ihnen sage, daß Ferko — kein Magyar, also kein ebenbürtiger Gegner ist?"
Sie berechnete schlau, die schöne Circnsrciteriu mit den dämonisch funkelnden Blicken, Graf Landry fuhr aut, seine Augen flammten, eine boshafte Gcnugthuung spiegelte sich darin.
Ha, was sagen Sie da, Elvira? Woher wollen Sic cs wissen."
„Ferko ist ein Zigeuner und heißt Nikol Baloy. Baron Liszka nahm ih» einst wegen seines wundervollen Geigenspielcs wegen fast als Sohn an und später wurde Nikol wirklich von einer reichen adeligen Dame adoptirt und zum Erben ihrer Reich- tümer eingesetzt. Sie sehe», er ist ebenbürtiger Gegner, Graf, er ist nur ein Kind des Volks — wie ich."
„Und wie heißen Sie in Wahrheit, Sennora?"
„Ich bin Selka, des Schmiedes von Schloß Landry Tochter; damals als sich Comteß Maria verlobte, lief ich meinen Eltern heimlich davon, denn ich hatte in Nikols Angen geblickt und liebte ihn schon damals. Ich wollte berühmt werden wie er, damit er einst mich so anblicken solle, wie damals die schöne Grafentochter vom Schloß. Damals war ich zwölf Jahre und dock loderte schon die Eifersucht eines Weibes in meinem wilden Mädchen- Herzen, ich ballte die Faust hinter der vornehmen Gesellschaft, als sie vom nächilichen Lagerfeuer der Zigeuner fortrilt — — und Nikol mit sich nahm." Sie schwieg hochausatmcnd, die Brust wogte, das starre Auge schien fortzuschmeifen in die ferne Vergangenheit und achtlos zerdrückten die nervös bebenden Finger den kostbaren Perlmutterfächer in der Hand.
Graf Landry beobachtete sie scharf, zwei häßliche Flecken brannten auf seinem Antlitz, ein böser Zug grub sich um seinen Mund nud leise murmelte er vor sich hin: „Das ist ausgezeichnet, ick werde ihm den Faustschlag moralisch zurückgeben, denn sie hat cs ja gesagt: er ist ein gemeiner Zigeuner — und nicht fatisfaktionsfähig."
Dann aber richtete er sich stolz empor und sein Blick trat haßerfüllt auf Elvira.
„Ah, Sennora, Sie haben mir da sehr interessante Mitteilungen gemacht, die ich eines Tages wohl werde verwerte» können, doch Ihren Wunsck, auf das Duell zu verzichten, bcdaure ich nicht aussühren zu können. Leben Sie wohl!" — die Thür schloß sich hinter ihm und wie von Furien gejagt, sprang Elvira empor.
Ich muß zu ihr, der verhaßten Gräfin — Ferko darf nicht falle», ich ertrage es nicht." — —
Bald darauf schritten zwei dicht verhüllte Frauengestalten trotz der vorgerückten Nachtstunde durch die Straßen Wiens, bis sie endlich vor dem Palais Landry still standen. Mit fester Hand drückte Elvira, denn es war niemand Linderes als die berühmte Reiterin und ihre Zofe, aus die Schelle an der Portierswohnung, welche nach kurzer Zeit dann auch geöffnet wurde. Der Portier schaute ganz verwundert über die späte Störung hinaus und prallte zurück, als eine kleine, juwelengeschmücktc Hand ihm hastig einen glänzenden Gegenstand zusteckte. (Forts, folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.