Ein Jahr ist abermals dahingegangen,

Ein neues kam zu uns im raschen Lauf der Zeit Und ängstlich, zagend fragen wir mit Bangen,

Was uns das neue Jahr in seinem Schoße beut.

Es war das alte Jahr wohl reich an Sorgen,

Doch auch der Freuden bot es uns gar manche dar; Nun wendet sich der Blick zum neuen Morgen,

An welchem strahlend sich erhob das junge Jahr. Was bringt es uns wohl? Ist es Glück und Segen, Das unter seinem Schleier noch verborgen ruht Führt's uns dem Unglück und der Not entgegen? Vergebens, daß der Mensch all' diese Fragen thnt!

Denn nimmer wird's dem Sterblichen gelingen,

Zu schauen, was ihm bestimmt das künftige Geschick,

Nie können wir die höhern Mächte zwingen,

Und nimmer klärt die Zukunft sich vor unser'm Blick! Doch nicht verzagt! Laßt hoffend uns vertrauen,

Daß uns im neuen Jahr ein neues Glück nur winkt,

Mit dieser Hoffnung laßt uns vorwärts schauen Und mutig dann erwarten, was uns die Zukunft bringt. So mögen Mut und Hoffnung uns beleben,

Und gläubiges Vertrauen, es strahl' aus unser'm Blick

In diesem Zeichen laßt uns vorwärts streben

Und hell erkling's: Ein neues Jahr, ein neues Glück!

Jigsunerbl'ut.

Novelle von H. von Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

25 .

Als sie hinaus war, trat der Erzherzog langsam an die Brüstung der Loge und zog die Vorhänge vor, während draußen rauschender Beifallssturm erklang; Ferko lehnte totenbleich an der Ansgangsthür, die Arme verschränkt, den Blick fest auf Landry gerichtet; noch immer fiel kein Wort.

Endlich richtete sich der Baron in die Höhe, seine Stimme klang heißer vor Erregung:Meine Herr», Sie sehen hier einen elen­den Feigling vor sich, den meine Hand schon einmal ins Gesicht geschlagen, ohne daß er diese Beleidigung gesühnt hätte, wie eS ein Ehrenmann thun muß Es ist das zweite Mat, daß er das Collier seiner edlen Gemahlin jener Reiterin verehrt jetzt soll er seine Strafe erhalten."

Sausend fuhr Fcrko's Spazierstöckchen durch die Luft, noch- einmal und zum dritten Male, es traf den wild anfheulenden Grafen ins Antlitz, daß er zu Boden stürzte.

So straft man einen Buben, der die Cavaliersehre verletzt," sagte auch der Erzherzog verächtlich,kommen Sie, mein Herren, ich habe genug von dieser widerlichen Scene gesehen. Ferko, meinen Dank für Ihr Vorgehen. Werden Sie sich noch mit ihm duelliren?"

Allerdings auf Tod und Leben, kaiserliche Hoheit," ent­gegnet- Baron Ferko.

Als Welheim die am ganzen Leibe bebende Gräfin in den Wagen gehoben, und dem Kutscher befohlen hatte, nach Hause zu fahren, lehnte er düster und wortlos in der Wagenecke.

Das Bubenstück, weiches sich soeben vor Aller Augen abge­spielt, erfüllte ihn mit heißem Zorn, seine Hand ballte sich, er hätte die unglückliche Frau in seine Arme, an sein Herz ziehen mögen und ihr sagen:Komm zu mir, mein Liebling, ich will Dich schützen und lieben, denn jener Bube, dem Du Treue ge­schworen, hat sie für alle Zeiten verwirkt."

Aber Welhcim's Mund blieb stumm, ihrem Schmerze gegen­über Verstummten seine Wünsche.

Emmerich," hauchte endlich Marias Stimme und eine kleine, weiche Hand suchte nach der seinen,was soll ich thun, entehrt und beschimpft wie ich bin. Wenn mein Vater gewußt hätte, welchem Unwürdigen er sein einziges Kind vermählte."

Seien Sie ruhig, Maria, Sie sollen seine Strafe sehen und erfahren, er oder ich die Waffen werden entscheiden."

Emmerich," schrie sie auf in wilder Verzweiflung,nein, nur das nicht Sie sollen Ihr Leben nicht aufs Spiel setzen, wegen dieser Reiterin und der Pflichtvergessenheit meines Gatten!"

Sein Arm legte sich innig wie der eines Vaters um ihre Schultern, er bog sich tief zu Maria und flüsterte leidenschaftlich:

Nicht für jene Reiterin, aber für Dich und Deine Ehre, teure Maria, muß es geschehen. Der Bube, welcher sie in den Staub zog, muß die Strafe für seine That haben Du aber bete indessen für mich, willst Du, mein Liebling."

Ich habe niemals in all den Jahren aufgehörtes zu thun," murmelte sie, dann sank ihr Kopf an seine Schulter und sic be­gann wie ein Kind zu schluchzen.

Gleich darauf hielt der Wagen, Welheim küßte noch einmal flüchtig die schlanken Finger der jungen Frau, dann sprang er heraus, grüßte, sich tief verneigend, und sagte ehrerbietig:Mor­gen sollen Frau Gräfin nähere Nachricht erhalten."

Droben in ihrem Zimmer angelangt, warf Gräfin Maria ungestüm den weichen Theatermantel von sich, rief der herbeieilen­den Jungfer zu:Ich bin für Niemand zu sprechen, bitte, lassen Sie mich allein," und scbob dann ticferregt den Riegel ihres Bou­doirs vor. Endlich durfte sie sich dem furchtbaren Weh rück- haltslos hingeben, das sie erfüllte und welches sie nicht einmal vor dem Geliebten zu äußern gewagt. Noch rötete die Scham ihre Wangen. Jene Reiterin, die der Graf, ihr Gemahl, so leidenschaftlich anbetetc, daß cs die ganze Stadt wußte, trug in öffentlicher Vorstellung das Perlencollier, welches Eigentum der Gräfinnen Landry war! Maria hatte die Perlen und Brillanten nur einmal bei ihrer Verlobung am Halse gefühlt, aber nie hätte sie die originelle, wunderschöne Fassung als Sternblumen verkannt.

Es war unerhört, was mußte der Hof und die gesamte Ge­sellschaft denken, wenn die Thatsache bekannt wurde.

Die Hand an die kalte Stirn gepreßt, sann Gräfin Maria lange nach; hatte sie sich getäuscht oder fiel vorhin aus Elviras Augen ein dunkler, haßerfüllter Blick auf sie?

Vor wenigen Tagen hatte die junge Frau am Morgen unter ihren Briefen auf dem Frühstückstisch ein anonymes Billet ge­funden mit nur wenigen, rätselhaften Worten:

Jener eine Mann, den ich liebe mit aller Glut einer ein­samen Seele, trägt Ihr Bild im Herzen und fragt nicht nach mir, darum hasse ich sie tief und unauslöschlich, wie schon da­mals, als die Tochter des Schmiedes sich vor den Hufen Ihres Pferdes verbarg."

Kam das Billet von Elvira'^ Und wer war der Mann, den sie meinte? Welheim? Nein!

Daö Auge der einsamen Frau leuchtete glückselig. Sein Herz hatte immer und alle Zeit ihr allein gehört, er konnte die Rriterin nicht näher kennen.

Ans Ferko riet sic nicht, denn sie ahnte nichts von seiner großen, geheimen Liebe zu ihr; er besaß mehr Gewalt über sich als Welheim, welcher sein Empfinden allerdings erwidert wußte.

Was aber nun beginnen? Langsam nahm Maria das goldne Medaillon hervor, welches samt dem Edelweiß, das ihr Welheim einst in der Schcidestunde geschenkt hatte und auf ihrem Herzen Tag und Nacht ruhte. Lange und unverwandt betrachtete sie mit feuchtem Blicke die vertrocknete Blüte. In dem Augenblick, da sie ihren Gemahl verließ und nach dem Auftritt von vor­hin war sie fast dazu entschlossen, ihren Gatten für immer zu meiden. Ihr Eid band sie wohl nach wie vor an den unge­liebten treulosen Gatten, aber sie vermochte nicht mehr an seiner Seite zu leben. Langsam griff Maria zur Klingel, gleich darauf erschien die Jungfer:Gnädige Gräfin befehlen?"

Ich reise morgen mittag nach Schloß Landry für längere Zeit," sagte sie ruhig, packen Sie Alles ein, was ich brauche!"

Zu Befehl, Frau Gräfin!"

Drunten in der Gesindestube aber steckten die Leute gleich darauf neugierig die Köpfe zusammen: Frau Gräfin verreiste plötzlich ohne ihren Gatten. Hatte das etwas zu bedeuten? (Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Lcrlag von Bernhard Hofmann in Wildbaü.