Rundschau.

Stuttgart, 3. Januar. Der gestern nachmittag um 1 Uhr 58 Mm. in Eßlingen fällige Paris-Wiener Schnellzug ist un­weit dieser Station entgleist, vermutlich in Folge eines Weichen­zungenbruchs. Der Zugführer Lanpp wurde gelotet und mehrere Zngbegleitungobcamte sowie einige Passagiere erhielten mehr oder minder schwere Verletzungen. Die Details über den Umfang des Unglücksfalles konnte ich nicht in Erfahrung bringen und eine amtliche Mitteilung ist noch nicht erfolgt.

Am zweiten Feiertag kam ein in Stuttgart in Arbeit stehender, in Stammheim wohnender Arbeiter aus einem Spazier­gang zwischen Kornthal und Feuerloch so unglücklich zu Fall, daß er das Bein brach. Der Bedauernswerte mußte volle 2 Stunden im Schnee auf der Straße liegen bleiben, trotzdem drei wohl­bespannte Schlitten mit fröhlichen Insassen, die er flehentlich nur Hilfe bat, an ihm vorbeifuhren. Erst der Postschlitten brachte Rettung und nahm den halb Erstarrten zur Aufnahme nach der nahen Schlotwiese, wo ihm die erste Hilfe zu Teil wurde. Un­begreiflich ist die von den Insassen der drei erwähnten Schlitten an den Tage gelegte Rohheit, die den Verunglückten hilflos liegen ließen.

Fellbach, 30. Dez. Unter den Dienstboten, welche an dies­jährigem Weihnachten mit dem von Ihrer Majestät gestifteten Ehrenzeichen bedacht worden sind, befindet sich auch die bei einem hiesigen Bürger in Diensten stehende Katharine Rau von BcutelS- bach, welchetreu und in Ehre" ununterbrochen nunmehr 41 Jahre lang dem betreffenden Hause ihre Kräfte wiedmete. Bei der von unser» Jagdpächtern gestern abgehallenen Treibjagd auf freiem Felde wurden 40 Hasen erlegt.

Herrenberg, 30. Dez. In Bondorf ist am Mittwoch Abend ein erst vor 2 Iahen neuerbautes Haus in der Bahnhofstraße abgebrannt. Der Besitzer wurde verhaftet.

Von der Tauber, 30. Dez. Eine scheußliche Thal wurde vorgestern auf dem Gutshof in Messelhauscn verübt. Der dor­tige Gntspächter Fink, ein allgemein geachteter und beliebter Mann, hatte im Stalle einen seiner Knechte wegen eines Fehlers etwas derb getadelt. Der letztere, erbost darüber, zog sein Taschenmesser und stieß es seinem Herrn in den Leib. Das Instrument soll ziemlich lief in die Bauchhöhle eingedrungen sein, und es ist noch nicht abzusehen, ob der Verletzte davonkomme» wird. Der Thäter, Welcher nach der That flüchtig wurde, ist gestern an das Amts­gericht Bischofsheim a. T. eingeliefert worden.

Ulm, 30. Dez. I» gestriger Gemeinderatssitzung wurde beschlossen, den auswärts wohnenden Schulkindern über die Dauer der kalte» Jahreszeit ein Mittagessen im Spital verabreichen zu lassen.

Blaubcuren, 30. Dez. Der Holzmacher Andreas Klaus vor Wippingen wurde gestern Früh im Walde Steinberg, Revier Bermaringen, beim Holzfällen von einer stürzenden Eiche erschlagen, so daß er alsbad tot war.

Bönnigheim, 30. Dez. Man schreibt der N.-Ztg.: Welcher Geist und welche Verirrung zur Zeit hier herrscht, dafür liefert die kürzlich vorgenommene Wahl von 7 Mitgliedern in den Bür- gerausschnß den Beweis. Die Wählerschaft machte aus der Wahl dieses Kollegiums, welches bei den wichtigsten Gemeindeangelegcn- heitcn mitzuarbeiten und milzusprechen hat, einen Jux und wählte sieben Schneider.

Unterjettingeil, O.A. Herrcnberg, 31. Dez. Hellte am Sylvesterabcnd wurde Fenerlärm gemacht, es brannte in dem Hause des Bauern Strohhäcker. Die schnell herbeigeeilte Feuer­wehr vermochte das sehr rasch um sich greifende Feuer nicht zu bewältigen und das Gebäude ist zum größten Teil abgebrannt, doch konnte vom Mobiliar ziemlich viel gerettet werden.

Genkingen, 81. Dez. Nach 12jähriger gesegneter Wirksam­keit verließ heute Schultheiß und VerwaltungSaktuar Volz die hiesige Gemeinde, um in Reutlingen die Stelle eines Oberamts- sparkasstcrs zu übernehmen. Die zahlreich von hier und Um­gegend besuchte Abschiedsfeier gab ein beredtes Zeugnis von der Achtung und Liebe, welcher sich der scheidende Beamte erfreuen durfte.

Von der bayerischen Grenze, 31. Dez. Zn Rothenburg a. T. ist das Grab des AltbürgermcisierS Nusch, der in dem FestspielDer Meistertrunk" eine hervorragende Nolle spielt, auf- gefnndeu worden. Auf demselben soll nun ei» würdiges Denk­mal errichtet werden. Nach der Sage hat bekanntlich Nusch die Stadt Rothenburg durch einen gewaltigen Trunk vor der Brand­schatzung durch Tilly gerettet.

Sanlgan, 31. Dez. Gestern vormittag brach in dem Wohn- und Ockonomiegebäude des Wirts Löw und des Bäckers Koch in Hohentengen Feuer ans, wodurch das ganze Anwesen bis auf den Grund zerstört wurde. Die Abgebrannten sind versichert. Der am Haus vorbeiflicßende Bach war stark zugefroren und mußte bei Ausbruch des Brandes erst aufgehackt werden. Baugcbrcchen darf ohne Zweifel als Ursache des Brandes angesehen werden.

Friedrichshofen, 30. Dez. Auf dem See ist längs des Ufers in der Richtung nach Langenargen eine ordentliche Eisbahn entstanden.

München, 2. Jan. Redakteur Morgenstern wurde nach An­trag der Polizeidirettion auf Verfügung des Ministers des Innern aus Bayern ausgewiesen.

Ans San Remo, 30. Dez., wird gemeldet: Die Rückbildung der Wucherung ist in stetigem Zunehmen; auch der Katarrh ist geringer. Wegen anhaltender scharfer Luft beschränkte sich der Kronprinz jedoch heute auf eine kurze Gartenpromenade um Mittag.

In SpMdan werden gegenwärtig mit dem kleinkalibrigen Gewehr Schießversuche angestellt, nach deren Ausfall eine end­gültige Entscheidung der Kalibcrfrage erwartet wird.

Graf Peter Schuwaloff, der auf der Rückreise nach Petersburg hier verweilt, har sich beim Kaiser vorgestcllt. Der Graf besuchte hiesige Bekannte und reiste heute wieder nach Peters­burg ab. Er ist ohne jede Mission, welchen Namen dieselbe auch haben möchte.

Wien, 2. Jan. Das Kriegsministerium verfügte, daß die Reservisten der mit Repctiergcwehren ausgerüsteten Trnppenkörper zu einer siebentägigen Hebung behufs Schulung im Gebrauch des Gewehres einberufen werden. An der Waffenübung sollen auch die Reserveoffiziere der betreffenden Truppenteile teilnehmen. Die Hebungen beginnen am 22. Januar.

Wien, 3. Jan. Die Zustimmung des Zaren zur Veröffent­lichung der gefälschten Aktenstücke wird als ein Beweis für die Neigung des russischen Herrschers erachtet, das friedliche Einver­nehmen zu erhalten. Amtliche Stellen bezeichnen die Nachrichten über weitere russische Truppenverschiebungen gegen Westen als unrichtig.

Wien, 3. Jan. Es verlautet, die Lage habe sich sehr ge­bessert, da Rußland hier bezüglich der Truppenschübe beruhigende Erklärungen abgab.

Brüssel, 3. Jan. Der König betonte beim Neujahrsempfang angesichts der ernsten Lage die Notwendigkeit der Ausrüstung für alle Fälle.

Warschau, 31. Dez. In der Stadt Dystercyca (Kreis Wilna) ist eine furchtbare Fenersbrunst ausgebrochen und hat ca. 100 Häuser eingeäschert. In der Stadt Karelycz sind 30 Häuser ab­gebrannt. Das Unglück ist entsetzlich.

London, 31. Dez. Der Telegraph meldet, Oesterreich ver­lange jetzt kategorisch die Zurückgezogenheit der russischen Trup­pen von seiner Grenze, da weitere Verschiebungen stattgefunden haben.

Von jenseits der böhmischen Grenze wird aus Görlitz gemeldet: Die Reserve-Offiziere des österreichischen Infanterie-Re­giments Nr. 36 (Freiherr v. Ziemiecki) haben Befehl erhalten, ihre Angelegenheiten so zu ordnen, daß sie nach Empfang einer weiteren Ordre binnen 48 Stunden sich auf dem MobilisirungS- platze ihres Bataillons einsinden können. Ebenso wurden die Direktion der südnorddcutschen Verbindungsbahn und diejenige der böhmischen Nordbahn angewiesen, ihre Fahrtriebsmittel einer genauen Prüfung zu unterziehen, um, falls in irgend einem Augenblicke plötzliche außerordentliche Anforderungen an sie hcran- treten sollten, denselben schleunigst entsprechen zu können.

Cettinje, 1. Jan. Die Behörden aus dem Ceta-Thal be­richten, daß dort eine ernste Hungersnot bevorstche und daß solch ein Elend nie zuvor so früh im Winter geherrscht habe. Da eS unmöglich ist, die Zufuhr von Getreide aus Rußland abzuwarten, ist Geld aufgebracht worden um in Skntari Proviant anfzukaufen.

Massailha, 1. Jan. OSman Digma ist in Tocai eingclroffcn. In letzter Nacht hat General San Margans einen falschen Alarm schlagen lassen um sich zu vergewissern ob die Armee vollständig in Ordnung sei. Jeder hat seine Pflicht in vollkommener Ord­nung und großer Raschheit erfüllt. Nachdem der General sich von der guten Ausführung seiner Befehle überzeugt, gab er den Truppen bekannt, daß der Alarm nur eine Probe gewesen sei. In Massauah war hierdurch eine leicht begrcifleiche Aufregung entstanden. ^