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Nr. 241

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw

97. Jahrgang.

Erscheinungsweise: Lmai wöchentlich. Anzeigenpreis: Die kleinspaltige Zeile Mk.10. Neklcn'en Mt. M. Auf Sammelanzeigen kommt ein Zuschlag von 100 Fernspr. 9.

BÄntag, den 16. Oktober 1322.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trayerlohn Mk.315.. vierteljährlich. Postbezugs­preis Mk. dis. mit Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme tz Uhr vormittags.

Neueste Nachrichten.

Im Rathenaumordprozeß ist am Samstag das Urteil über die Angeklagten gefällt worden. Die Strafen sind im Hinblick auf die Tatsache des planmäßigen Mords sehr mäßig.

Zn Berlin fanden gestern sehr schwere Ausschreitungen statt, die von kommunistischer Seite inszeniert waren.

Die Neparationsfrage ist nach der vorläufigen Beruhigung der Lage im Orient wieder in den Bordergrund getreten. Der eng­lische Vorschlag, Deutschland auf S Jahre von den Rcpara- tionsbarzahlungen zu befreien, wird von französischer Seite entschieden bekämpft. Man will in Paris die Neparationsfrage nur im Zusammenhang mit der Tilgung bzw. Herabsetzung der französischen Schulden an die Alliierten behandelt wissen und die etwaige Herabsetzung der deutschen Zahlungen auch nur unter der Bedingung weitestgehender Kontrolle des deut­schen Außenhandels und eines Ausgleichs des deutschen Staats­haushalts, d. h. also wohl der Erhebung neuer Steuern oder Anleihen, wodurch die deutsche Volkswirtschaft letzten Endes weiter geschädigt wird.

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Der Gefahr der Festigung einer Eegenkoalition der Ostvölkcr gegen dir Entente wurde durch die Annäherung Frankreichs an die Türkei zu begegnen gesucht, sowie durch die Wiederauf­nahme näherer Beziehungen zu Rußland. Nach den Aeutzcrun- gen des nach Rußland abgesandten Abgeordneten Herriot schei­nen dtp Bolschewisten geneigt zu sein, die Vorlriegsschulden an Frankreich anzüerkennM, und Herriot rechnet schon mit einem neuen Wiederaufbau der freundschaftlichen Beziehungen wie unter dem Zarentum. Daß sich die Bolschewisten von den fran­zösische,, Nationalisten so für ihre Zwecke ausnützen lassen wie d«e Zarenregierung zu ihrem Verderben, das möchten wir doch

^ bezweifeln, denn man wird wohl in Moskau kein so kurzes Ge­dächtnis haben für die freundschaftliche Absicht der Niederwer­fung der Bolschewisten durch die Gegenreoolutionüre.

Die Neparationsfrage.

Die neuen französischen Neparationsvorfchlikge.

Paris, 14. Okt.Oeuvre" teilt mit. daß die französi­schen Vorschläge ber die Reparationszahlungen von Bar- thou erst am kommenden Freitag der Neparationskommis- sion in der üblichen Wochensihung unterbreitet werden. Das Blatt schreibt, die französischen Vorschläge gingen von dem Grundsatz aus, daß es unerläßlich sei, die deutschen Finan­zen zu sanieren, daß dieser Zweck aber nur durch die Ein­schränkung der Inflation erreicht werden könne und zwar durch die Kontrolle des Außenhandels und den Ausgleich des Budgets.

Die englischen Vorschläge.

Paris, 14. Okt. Die Reparationskommission ver­öffentlicht einen Bericht über den von Sir John Bradbury unterbreiteten.Vorschlag zum Ausgleich des deutschen Budgets und zur Stabilisierung der deutschen Mark. Der Plan enthält folgende Vorschläge: 1. Das deutsche Budget ist nahezu völlig von den äußeren Verpflichtungen aus dem Friedensvertag zu ent­lasten, eventuell bis zu der Dauer von vier Jahren, um so Deutschland die Möglichkeit zu geben, Kredite zu erhalten. 2. den Markkurs zu stabilisieren durch eine Vereinbarung, durch die die Reichsbank ermächtigt wird, Gold gegen Papiermark zu einem von einer gemischter Kommission festzusetzenden Preis zu ver­kaufen. Die Reparationskommission zu reorganisieren und ihren Sitz nach Berlin zu verlegen.

Französische Kritik an den englischen Vorschlägim.

Paris, 15. Okt. Der der Reparationskommission überreichte Plan Bradburys zur Stabilisierung der Mark und Sanierung der deutschen Finanzen wird von der französischen Presse fast ein­mütig, wenn nicht abgclehnt, so doch stark kritisiert. Die Gründe, die seine llnannehmbarkeit und Wirkungslosigkeit dartun sollen, faßt dasEcho de Paris", offenbar beeinflußt, folgendermaßen zusammen: 1. Der Plan Bradburys zerstöre endgültig, was von der finanziellen Solidarität der Alliierten noch übrig geblieben sei. 2. Er zerstöre die Sachlieferungen, weil die Länder, die sie zu empfangen wünschten, gezwungen wären, sie zu bezahlen. 3. Mit Hilfe des Planes könne man nicht dazu gelangen, die Mark zu stabilisieren, weil notwendigerweise das Deutsche Reich, nachdem man das Vertrauen in die Zukunft seiner Währung wieder hergestellt habe, gezwungen wäre, seine inneren Anleihen in Papiermark abzuschließen, die in Eoldmark wieder rückzahlbar

seien. Bei der vorgeschlagenen Konrbination würde sich das Pub­likum beeilen, seine Papiermark gegen die verfügbaren Goldsum­men umzutauschen, wodurch kein Ergebnis erzielt werde. 4. Der Plan schiebe die Regelung der interalliierten Schulden auf und bestimme nicht ihre Zahlung. Er stelle jedoch den gefährlichen Grundsatz auf, daß die Gläubigerstaaten durch die ersten Zahlun­gen Deutschlands bezahlt werden sollen. 5. Er zerstöre den Lon­doner Zahlungsplan vom Mai 1921 und stelle nichts Präzises an seine Stelle.

Entspannung der Orientkrifis.

Die Räumung Thraziens durch die Griechen.

Athen, 16. Okt. Wie die Blätter melden, hat die Re­gierung dem Oberkcmmandierenden der griechischen Armee in Thrazien die Anweisung erteilt, mit der Zurückziehung der Truppen zu beginnen.

Angora, 16 . Okt. Die ersten 2500 Mann türkischer Gen­darmerie werden unverzüglich nach Thrazien abgehen. Im ganzen sind 8000 Mann vorgesehen.

Konstantinopel, 16. Okt. Der griechische Oberkommissar Siinopulos hat das Protokoll von Mudania unterzeichnet. Wie gemeldet wird, soll die Räumung Thraziens durch die Griechen heute um Mitternach unter Kontrolle der Alliierten beginnen. Die an der Tschataltscha-Linie steh­enden Franzosen werden die Grenzlinie überschreiten und zum Zwecke der Räumung durch die Griechen vorrücken. Die britischen Streitkräste werden gleichfalls über die Grenze vorgeschoben werden.

Französische Hoffnung auf Rußland.

Paris, 15. Okt. Der Abgeordnete Herriot hat dem Ber­liner Bertreter desJournal" nach seiner Rückkehr aus Rußland Mitteilungen gemacht, aus denen hervorzuhoben ist, daß die Volkskommissare grundsätzlich geneigt sind, die russischen Vorkricgsschulden im ganzen Umsang anzuerken- nen. Nur die Extremisten machten gewisse Reserven. Sie wollten eine allgemeine Anerkennung durch eine vorüber­gehende Regelung ersetzen, wovon allein die Kleinrentner, die russische Papiere besäßen, Nutzen ziehen sollten. Wenn Frankreich mit gleicher Aufrichtigkeit die Arme Rußland entgegenstrecke wie unter Nikolaus II., so könne es, wenn es wolle, in Rußland wieder eine beherrschende Rolle spie­len. Die Rüsten würden, wie es scheine, eine französische Mission, zusammengesetzt aus klarblickenden Unternehmern, Industriellen, Finanzleuten, Politikern und Intellektuellen amiehiHen, die nach Rußland komme, um die Lage zu studie­ren und mit den Sowjets zu beraten. Sie würden sich nicht weigern, mit dieser Kommission ernstlich über die Regelung der Schuldenfrage zu verhandeln. Augenblick­lich sei die Zahlungsmöglichkeit der Rüsten gleich null, aber sie hätten gesagt, 5 oder 6 gute Ernten würden ge­nügen, um die Dinge radikal umzuändern.

Ausland.

Aufhebung des Verbots

der schwedischen Diehaus,uhr nach Deutschland.

Stockholm, 14. Okt. Die schwedische Regierung hat be­schlossen, das Verbot der Ausfuhr von Rindern nach den Ländern, in denen die Maul- und Klauenseuche herrscht, darunter Deutschland, aufzuheben.

Derwaltungsrat des internationalen Arbeitsamts.

Genf, 11. Okt Am 12. Oktober tritt in Genf der Verwal­tungsrat des internationalen Arbeitsamts zusammen, der die internationale Arbeitskonferenz vorbereitet und eine Reihe von Beschlüssen der letzten Völkerbundsoersammlung zu erledigen hat. Als eine der wichtigsten Fragen stehen auf der Tagesord­nung die Frage der Zulassung der deutschen und eventuell der spanischen Sprache. Deutschland ist durch den Geh. Ministerial­rat Dr. Leymann und Dr. Kuttich vom Reichsarbeitsministerium und den Präsidenten des Allgemeinen deutschen Eewerkschafts- bundes, Leipart, vertreten.

Genf, 11. Okt. An den verschiedenen sozialpolitischen Beratungen in Genf nehmen außer den bereits gemelde­ten deutschen Persönlichkeiten teil: Der Leiter des Berli­ner Büros des internationalen Arbeitsamts, Staatsmini­ster a. D. Schlicke und der Vorsitzende des Afabundes, Auf­häuser.

Die französtstben Gewerkschaften

für d e Verleid gung drs 8Stund:ntags.

Paris, 15. Okt. Der Nationalrat des Allgemeinen Ar­beiterverbands (T. E. I.) trat gestern zusammen und sprach

sich in einer Resolution für die Verteidigung des Achtstun­dentags aus, der von der Reaktion bedroht sei. Der Natio­nalrat forderte die Vertrter der Eewerkschaftsinternatio- nale, namentlich die Gewerkschaften der Transport- und der Bergarbeiter auf, ihre Tätigkeit zu vereinigen, um dem Ansturm, der in der ganzen Welt gegen den Acht­stundentag zu erkennen sei, Widerstand zu leisten.

Zur Streikbewegung in der französischen HandLismarine.

Paris, lg, Okt. Nach einer Havas-Meldung aus Mars ille hat eine von den streikenden Angestellten der Handelsmarine heute vormittag einberufene Vollversammlung eine Tagesord­nung angenommen, in der sie von dem Beschluß der Reeder, die paritätische Kommission nicht zu beschicken, Kenntnis nimmt und erklärt, daß diese so vor der öffentlichen Meinung sich selbst ver­urteilen.

Nur Urteil im RsAnmiMMzch.

Das Urteil.

Leipzig, 14. Okt. Das Urteil im Prozeß wegen des Rathei.au» Mords vor dem Staatsgerichtshof wurde um 3 Uhr verkündet. Es werden verurteilt: Ernst Werner Techow wegen Bei­hilfe zum Morde zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehr­verlust, Hans Gert Techow wegen Beihilfe und Begünsti­gung zu 4 Jahren 1 Monat Gefängnis, Günther w^en Bei­hilfe in Tateinheit mit Begünstigung zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust, v, Salomon und Niedrig we­gen Beihilfe zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, IIsemann unter Freispruch von der Anklage wegen Beihilfe und Begünstigung wegen Vergehens gegen die Verordnung über Waffenbesitz zu zwei Monaten Gefängnis, Schütt und Diestel wegen Begünstigung zu zwei Monaten Gefängnis, Tillessen wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung zu drei Jahren Gefängnis, Plaas wegen desselben Vergehens zu zwei Jahren Gefängnis. Freigesprochen werden Warnecke, Steinbeck und Voß unter Auferlegung der Kosten auf die Reichskaffe. Außerdem wurde auf Einziehung der Maschinenpistole erkannt. Die Gefängnisstrafen von Schütt und Diestel gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt.

Die Acteilsbegrlindung

Berlin, 14. Okt. Die Urteilsbegründung geht davon aus, daß der Rathcnaumord eines der fluchwürdigsten Verbrechen der Geschichte war, an dessen Folgen unser gequältes Vaterland un­säglich gelitten hat und noch leiden wird. Wenn in diesem furch- Laren Winter Hunderttausende von Männern, Frauen und Kin­dern durch Hunger und Kälte zugrunde gehen, so ist das zum größten Teil auf die Mörder Rathenaus zuiückzuftihren, denn Dr Rathenau wäre der Mann gewesen, dies zu verhindern. In der Begründung heißt es dann weiter, daß sich die eigentlichen Mörder, Kern und Fischer, der irdischen Gerechtigkeit entzogen haben. Die heute Verurteilten waren ihre willenlosen Werk­zeuge. Kern und Fischer haben unter Mißbrauch ihres Ansehens die Verurteilten in ihren Bann gezogen, um sie als Gehilfen für ihre Tat zu gewinnen, und haben sie dann ihrem Schicksal überlasten. Obwohl man den Verurteilten ein gewisses Mitleid nicht versagen könne, wären doch die scharfen Strafen am Platze. Die Urteilsbegründung stellt dann ausdrücklich fest, daß die Strafen nicht nach dem Gesetz zum Schutze der Republik gefällt worden sind, sondern nach dem bisher geltenden Strafrecht. In der Sitzung, in der die Verkündigung des Urteils erfolgte, waren außerordentliche scharfe Vorsichtsmaßnahmen seitens der Sicher­heitspolizei getroffen worden. Vor dem Eerichtsgebäude war­tete eine sehr große Menschenmenge auf die Verkündigung des Urteils.

Das Plaidoyer der Verteidiger.

Leipzig, 13. Okt. Vor Beginn der Sitzung verkündigte der Vorsitzende den Gerichtsbeschluß bezüglich der Angeklagten Schütt und Diestel. Der Oberreichsanwalt hatte beantragt, die beiden wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord außer Verfolgung zu setzen. Der Staatsgeri'chtshof beschließt nunmehr, die Kosten des Verfahrens in diesem Punkte der Staatskaffe aufzuerlegen. Die Anklage gegen diese beiden Angeklagten lautet daher nur noch auf Begünstigung. Der Verteidiger Hahn beantragte, den frühe­ren Vorgesetzten Kerns, Korvettenkapitän von Zinsewitz, vorzu- ladcn, der ein längeres Telegramm sandte, in dem er nach seiner genauen Kenntnis der Natur Kerns die Ueberzeugung ausspricht, daß die Aussagen Techows, er sei durch die Drohung Kerns, ihn niederzuschieben, veranlaßt worden, ihm sein Ehrenwort zur Mithilfe zu geben, auf Wahrheit beruht. Hierauf führte Dr.