Jigeunerbtul.
Novelle von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
15 .
Schwer und hart war dieser letzte Kampf, den das unglückliche Mädchen angesichts des MyrthenkranzeS und Brautkleides durchrang, aber zuletzt faltete sie doch still die Hände, senkte das Haupt und murmelte trübe:
„Ich kann nicht anders — Gott helfe mir — und schütze — ihn." Für einen Andren betete sie am Hochzeitstag, doch nicht für den eignen Verlobten; arme, arme Maria!
An der Thür pochte es jetzt leise und die Gräfin fuhr hastig empor. Die Zofe erschien auf der Schwelle, ein Sammetkösfcr- chen in den Händen und begann ihren Auftrag auszurichlen. „Herzlichen Gruß vom Herrn Grasen Wolfs und er sende hier den Brautschmuck für Comtcß, welchen Ew. Gnaden schon bei der Verlobung trugen."
Nein, die kalten Steine wollte sie nicht nochmals tragen, ihr schauderte bei dem bloßen Gedanken, auch wollte sie nicht mit dem Reichtum des Bräutigams schon vor den Altar treten. Es wußte ja Jedermann, daß sie verkauft worden war. Warum noch damit prahlen?
„Ist cs schon Zeit zum Fristren?" frng sie müde, „der Wagen wird wohl bald nach dem Standesamte fahren."
„Jawohl, Comteß, in einer halben Stunde. Baron Liska ist auch eben gekommen."
„Welches Kleid soll ich anziehen?"
Verwundert blickte die Kammerfrau zu ihrer jungen Herrin hin. ' Solche absolute Gleichgiltigkeit schien ihr völlig unverständlich, obschon alle Leute im Schlosse wußten, daß Comteß nicht glücklich sei.
„Das olivegrünc Costüm war dafür bestimmt," antwortete sie zweifelnd; sie lieble Maria und fast wären ihr Thränen in die Augen getreten, bei diesem traurigen Blicke derselben.
„Nun gut, so werde ich mich Toilette machen!"
Trotz der Trauer im Herzen war Maria doch eine ganz allerliebste Erscheinung, die gerade, als der Wagen vorfuhr, die Treppe herabkam. Ein jeder der drei Herren, welche draußen warteten, fand dies gleichfalls, besonders Graf Wolfs, der bewundernd auf sic zuciltc.
„Guten Morgen, Maria! Warum hast Du mich bis jetzt nach Deinem Anblick schmachten lassen; ich dachte zum Frühstück würdest Du sicher kommen."
„Sei nicht böse, Wolfs, aber ich bin nicht ganz wohl und muß mich zu der Feier heute schonen."
„Willkommen, mein liebes, teures Kind," rief jetzt LiSka, mit warmer Herzlichkeit das junge Mädchen umarmend, „Gott segne Dich in dieser schweren Stunde, welche ja doch Dein Glück begründen soll. Aber das Scheiden ans der Heimat wird niemals leicht."
Der starre Druck, der bisher auf Maria gelastet, wich bei diesen treuen Worten, lautschlnchzend lag sie in den Armen des Onkels und dieser sprach halblaut, beruhigend in sie ein, während Graf Landry, Maria's Vater, wie ein Automat im Hintergründe stand.
„Sind wir nun so weit?" frng er endlich etwas hastig und setzte dann hinzu: „Maria, weshalb weinst Du?"
Sie sckrack zusammen bei der rauhen Frage, eine flammende Röte glitt über ihre Wangen, dann richtete sie sich kurz und stolz in die Höhe und erwiderte nur:
„Ich bin bereit, Papa!"
Kein Zucken ging den ganzen Weg über durch ihr liebliches, marmorweißes Gesicht, kein Seufzer hob ihre Brust, auch als sie Beide Hand in Hand vor dem Standesbeamten die inhaltsschwere Frage, ob sie Manu und Weib sein wollten, bejahten.
„Nur nicht an Ihn denken," flüsterte es tief drin in dem Herzen der Braut, „es ist Sünde und Verbrechen von nun an; ich darf nur beten für ihn."
Sie preßte die zitternde Hand ans Herz, wo das Edelweiß ruhte, es sollte ihr Talisman sein, der sie von nun an allüberall hin begleite» würde.
Donnernd rollte der Wagen wieder über das Pflaster. Vor der Welt waren Gräfin Maria und Gras Wolfs ein Paar, nur
wenige Stunden und sic sollten ihre» Bund dem Höchsten auch vor dem Altäre bestätigen.
„Sei gütig zu mir, Wolfs, habe Nachsicht, ich will Dir eine gute Frau werden, glaube es mir," bat Maria zum ersten Male weich und herzlich dem nunmehrigen Gatten die Hand bietend.
„Recht so Maria," lachte der Angcredete, den Arm um ihre Schultern legend, „siehst Du Onkel Liszka und Du Papa, wie die kleine spröde Prinzessin von meiner Persönlichkeit hingerissen, zärtlich sein kann! Paßt nur auf, wir werden bald ein ganz musterhaft verliebtes Pärchen abgeben."
Tief verletzt durch Wolffs frivole Worte zog Maria sich etwas zurück und zwar mit so unzweideutiger Bewegung und ernstem Lücke, daß Wolfs sich nur auf die Lippen biß, aber nichts erwiderte.
Nach und nach erschienen die andren Hochzeitsgäste; Antonie von Kertsch sollte der Freundin die Myrthenkrone aufsetzen und begab sich auch sogleich zu ihr ins Ankleidezimmer. Sie fand Maria in Thränen aufgelöst auf dem Betschemel, ein goldues Medaillon an die Lippen pressend und mit heißen Küssen bedecken.
„Maria," mahnte sie sanft, „es wird Zeit, liebes Kind, fasse Dich."
„Antonie, Antonie," klang es wie ein Schrei aus tiefster Seele, „Gott behüte Dich vor dem Schicksal, welches ich tragen muß. Ich denke oft, es geht nicht mehr, ich halte es fast nicht ans —"
„Aber der Mensch kann viel ertragen, wenn er will, Maria und Du mußt wollen — cs ist zu spät — Du bist schon sein Weib."
„Ich weiß es, Antonie, und ich will nicht mehr schwach sein."
Wie vorhin bei des Vaters Worten richtete sie sich stolz auf, winkte der cintrelenden Jungfer und ließ sich ankleide», wortlos, ohne vie geringste Bewegung, als gehe sie Alles nichts an. Nur als Antonie mit der Myrthenkrone herannahie, seufzte sie einmal schwer auf — jetzt kam das Schwerste, sie mußte mutig sein. Dann brachte die Jungfer den kostbaren Schmuck, doch ruhig wies ihn die schöne Braut zurück.
„Ich werde die Steine nicht tragen," sagte sic kalt, „sie müssen dem Kammerdiener meines — Verlobten wieder übergeben werden, damit er sie cinpacke. Mir gehören sie nicht und ich will auch nur dies Myrlhensträußchen an der Brust tragen."
Rauschend und knisternd wogte der herrliche Damast um die Gestalt Marias, der duftige Brautschleier umhüllte sie beinah gänzlich, nur das lilienweiße Gesicht blieb unbedeckt davon; sie wandte sich still und fragend zu der Freundin.
„Wollen wir hinübcrgehen, Antonie?"
Wortlos breitete diese beide Arme aus, ihre Thränen flössen heftig, als sie in leisen, innigen Worren von der Freundin Abschied nahm, doch Maria schüttelte abwehrend, ängstlich das Haupt.
„Sei ruhig, Antonie, um Gotteswillen, sonst ist es um meine Selbstbeherrschung geschehen — und ich darf nicht weinen!"
Stolz aufgerichtet schritt die hochgeborene Gräfin Landry am Arme des Bräutigams dann die Treppe hinab in den Empfangs- saal, wo sich die Gäste versammeln sollten. Eine glänzende Anzahl derselben erwartete sie bereits und so begann gleich die con- ventionelle Reihenfolge der Glückwünsche, Umarmungen und Thränen.
Onkel Liszka mochte wohl der Einzige sein, welcher feine Nichte verstand; ein Schimmer der Wahrheit war ihm aufgc- dämmert als neulich bei der Durchreise Rittmeister Wilhelm ihn aufgesucht hatte, um ihm mitzuteiten, daß er weit fort nach Böhmen versetzt worden sei. Als das Gespräch auf Schloß Landry und dessen Bewohner gekommen, grub sich eine tiefe Falte in die hohe Stirne des schönen Husarenoffiziers.
Welheim war einsilbig geworden und hat wenig Rede gestanden, nur beim Fortgehen hatte er dem Baron „viele herzliche Empfehlungen für Gräfin Maria" ausgelragen und in einem Tone, welcher dem jovialen Manne zu denken gab.
„Gott segne Dich, thcures Kind," flüsterte Baron Liszka, sanft Marias Kinn cmporhcbcnd, „mögest Du glücklich werden."
Sie sah ihn an — mit einem Blicke, den er nicht vergaß.
Dann fuhren endlich die Wagen vor, die ganze, glänzende Versammlung stieg ein, denn man hatte zur Kirche wohl zwanzig Minuten zu fahren. Endlich folgte das Brautpaar als die Letzten; sorgsam half Graf Wolfs seine junge Gattin in den Wagen und klappse sodann hinter sich den Schlag zu.
^Fortsetzung folgt.)
Nedaklion, Druck und Vertag von Bernhard Hof mann m Wildvaü.