zweifle nicht bei flücht'gen Glücks Gedenken Und deines Herzens wehmutsvollem Weinen An edler Liebe, einer hohen, heiligreinen,
Die Trost vermöchte Dir im Leide schenken I
Laß höher ihren Flug die Seele lenken,
Soll unverloren sein dein edel Meinen;
Und laß sie an der ewig wahren, Einen,
Sich sonnen und im Anschau'n still versenken!
Stets neue Blumen wird der Frühling spenden; Im Menschenherzcn hebt es an zu glühen, Doch überall muß sich der Sommer wenden.
Um Herzensfrühling sei dein best' Bemühen, Wenn ihn ein liebend Auge dir wird senden, Daß Du sein wartest und ihn lassest blühen!
H. Umlaufs.
L o r e k e p.
Novelle von F. v. Pückler.
(Nachdruck verboten.)
sstS. Fortsetzung.)
Er hatte den ersten Schuß gehabt, doch im selben Moment wo er abdrückte, die Waffe gegen sich selbst gerichtet und — nur zu gut getrosten!
Neben dem Tobten knieete Georg Saldern und hatte das graue Haupt des Grafen a» seine Brust gelehnt. Der Arzt, welcher leise herangetretcn war, schüttelte den Kopf.
„Vorbei, meine Herren, der Schuß ging mitten ins Gehirn; der Tod muß ein plötzlicher, schmerzloser gewesen sein."
Leise wehte der Wind durch die blattlosen Aeste der Bäume und schüttelte schimmernde Schneestocken über das bleiche Gesicht des Grafen.
„O, du edler Mann," flüsterte Saldern leise, sich über den Toten neigend, als ob nur er es vernehmen sollte, „warum mußte ich gerade Dich beleidigen."
Da klangen Pferdehnfe durch die Stille des Todes. Wild atemlos, völlig aufgelöst im Schmerz und Weh, stürzte Gräfin Ada aus dem Sattel und lag gleich darauf mit herzzereißendem Schrei neben der Leiche ihres Gemahls.
„Arkow," rief sie, die Hände ringend, „sieh mich an, Du bist ja nicht tot, das Entsetzliche kann nicht wahr sein !"
Aber der Graf blieb tot, sein treues Herz schlug nicht mehr.
„Gnädige Gräfin," sagte der Arzt bewegt näherlretend, „tragen Sie das Unvermeidliche mit Fassung; Ihr Herr Gemahl starb ohne Schmerz, versöhnt mit Gott und allen Menschen. Darf ich Sie zum Wagen führen?"
Als habe der Klang einer fremden Stimme sie zur Gegenwart zurüAgebracht, schaute die junge Witwe auf; der Blick ihrer blauen, weitgeöffneten Augen zeigte etwas Entsetzliches, Starres. Sie fuhr mit der Hand über die Stirn wie nach schwerem Traume, dann richtete sie sich auf.
„Ach, ich verstehe," nickte sie unheimlich rnhig, „wir müssen ins Schloß zurück; ich fahre mit — meinem Gemahl, bitte helfen Sie mir —"
Und mit den weiße», schlanken Händen hob sie sanft das leblose Haupt des Toten auf und lehnte es, wie vorhin Saldern an ihre Brust. Die ganze Fahrt über hielt Ada das Haupt des Entschlafenen. Ihr Entsetzen über das jähe Ende, welches der Graf gefunden, war so groß, daß keine Thräne ihre heißen Augen netzte, kein Laut den zufammcngepreßten Lippen entquoll.
'Als der Wagen verschwunden und Saldern allein zurückgeblieben war, hob er schweigend die achtlos beiseite geschleuderte Reitgerte Adas auf; am Stiele, funkelte ein Granat rot wie dort das Blut inmitten des frifchgefallenen Schnees. War es denn möglich gewesen, daß jenes marmorblassc Frauenantlitz unlängst erst in glühender Leidenschaft sich über ihn geneigt. Waren das wirklich jene unseligen Lorelcyaugen, welche vorhin so starr und entsetzt in das bleiche Totengesicht schauten?
Wie ein Alp lag es auf Salderns Brust, und sein Herz krampfte sich zusammen.
Mit zitternder Hand griff er nach dem Briefe, welchen ihm der Graf vorhin gegeben. Vor seinen Augen dunkelte es und der starke Mann mußte sich auf einen Baumstumpf setzen, um nicht umzusinken, als er jetzt diese Abschiedsworte las.
Es war ein ergreifender Einblick, den er in das edle Herz
des Grafen, welches nun nicht mehr schlug, that. Arkow schilderte ihm sein ganzes Leben mit allen Kämpfen und Schicksalswendungen, kam dann auf sein eigenes Herz und — dessen kurzes Glück zurück.
Wie mit Keulenschlägen berührten diese schlichten ergreifenden Zeilen die wunde Seele des unglücklichen Oberförsters; seiner selbst nicht mächtig stöhnte er laut ans und eine heiße Thrüne tropfte auf das Briefbatt in seiner Hand.
Konnte er denn sühnen, konnte er dem Tode noch im Grabe abbitten, was der wilde Taumel damals ihn begehen ließ? Ja, diese letzte ernste Bitte konnte er erfüllen und sein heiligster Lebensinhalt sollte es von nun an sein, derselben zu leben; ach, eS war ja eine so leichte köstliche Pflicht!
„Lieben Sic Ihre vortreffliche Frau, Georg, hieß es auf der letzten Seite des Briefes, „sie liebt Sie wie eben nur ein edleS Frauengcmüt es vermag. Ihr Glück ist Luisens ganzer Lebensinhalt."
„Und soll von nun an auch der meine werden," sprach der Oberförster feierlich, die Hand zum Schwur erhoben, „Gott höre es, Gott vergebe mir und richte mich, wenn ich jemals diese Stunde vergessen könnte!"
Dichter fielen die Schneeflocken herab, die roten, schrecklichen Spuren dort drüben versanken schon unter dem schimmernde» Weiß; es war, als wolle der Himmel selbst den Schauplatz dieser furchtbaren Szene hinwegwischen und sie bedecken mit seinem köstlichen Frieden. —
Noch vor des Oberförsters Heimkehr erfuhr Luise die wie ein Lauffeuer sich verbreitende Kunde von des Grafen Tod und — ihr Herzschlag stockte. Ihr Manu war nicht zu Haufe, der Pistolcnkastcn in seinem Zimmer stand offen, die Waffen läge» nicht darin, und plötzlich trat ein entsetzlicher Gedanke mit furchtbarer Deutlichkeit vor ihre Seele.
Des Grafen gestriger Besuch, Georgs starres tcilnahmlojeS Wesen, sein früher Aufbruch heute Morgen — es konnte nicht anders sein, die beiden Gegner hatten sich ohne Zweifel getroste»!
Das Warten auf Salderns Ankunst däuchte ihm wie ei»e Ewigkeit. Endlich kam Saldern zurück, bleich wie der Tod, wortlos, schwankend trat er ein. Außer sich vor Angst eilte Luise fort, um ihm ein Glas Wein zu holen.
„Luise," sagte er, als sie dann vor ihm stand mit rauher Stimme, kannst Du mir verzeihen?"
Scheu wich sie zurück. So hast Du — ihn getötet?" frng sie nach einer Panse mit entsetzter Stimme. Aber Salder» schüttelte feierlich das Haupt und entgegnete:
„Nein, meine Luise, ich habe nicht auf ihn gezielt und so wahr ein Gott im Himmel lebt, hätte es auch nie getha»! Wenn die Reihe au mich kam, sollte mein Schuß in die Lust gehen doch es kam ganz anders!"
Erschöpft sank Saldern in einen Stuhl und fuhr mit der Hand über die Stirn, dann begann er, stockend, mühsam die grausige Erzählung der Begebenheit, während Luise, die Händk aufs Herz gepreßt, atemlos lauschte.
Ais er geendet, entglitt den erblaßten Lippen ein zitternder Ausruf. „So bist Du nicht des Grafen Mörder I Dem Allmächtigen sei-Dank!"
Erschütternd klangen die Worte in das Ohr des unglück» lichen Mannes, leise glitt er an seinem Weibe zu Boden und beugte das Haupt über ihre Hand.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad,