Das gotösne Kalb.
Novelle von H. V. Ziegser. (Nachdruck verboten.)
(11. Fortsetzung.)
9.
Im Bibliothekzimmcr von Schloß Ternau saßen am selben Morgen der Banqnier Vorberg und Herr von Sczepinsky bei einer Morgercigarrc, beide eifrig in Zeitungen vertieft; Baron Ternau und seine Tochter waren ausgeritten und noch nicht zurückgekehrt.
Der stattliche Banquier legte endlich seine Zeitung bei Seite, strich die Asche von seiner Cigarre und begann:
„Nun sagen Sie mir einmal, Herr von Sczepinsky, wie steht es mit Ihrem Gutskaufe?"
Sczepinsky sah etwas unsicher auf dann entgegnete er gedehnt:
„Möllenhofen ist mir zu theuer, Herr Vorberg. Wüßten Sie nicht ein anderes, verkäufliches Gut in der Gegend?"
„Augenblicklich nicht. Indessen das Gesagte kann ihr Ernst nicht sein, Möllenhosen ist spottbillig, schon allein die schönen Forsten und der rentable Steinbruch machen es preiswert. Die Anzahlung kann Ihnen bei Ihrem Vermögen auch nicht schwer fallen."
„Nein — das gerade nicht; indessen es hat ja Zeit heute und morgen wird es nicht gleich verkauft werden und inzwischen muß eine andere Sache in's Reine kommen?"
„Sie beabsichtigen, wie ich sehe, eine schöne reiche Braut zu erringen."
„Gewiß, gewiß," meinte der Pole eifrig, und ich habe auch Chancen, wenigstens von Seiten der Dame und das ist die Hauptsache."
„Bei der Minderjährigkeit der Tochter hat auch der Vater ein Wort mitzureden."
„Natürlich, aber er wird sicher ja sagen, auch hat Fräulein Jutta von der Mutter ein ansehnliches Vermögen geerbt, welches also Niemand ihr nehmen kann."
„Hm", meinte der Banquier scheinbar die blauen Ringe seiner Cigarrette verfolgend; er wußte am Besten, wie es um jenes Vermögen stand.
„Wie hoch schätzen Sie den Baron Ternau, Herr Banquier?" frug plötzlich der Pole, sein Gegenüber gespannt anseheud.
lieber das scharfgeschnittene Antlitz desselben flog ein höhnischer Zug.
„Zuerst eine Gegenfrage Herr von Sczepinsky. Wollen Sie unter allen Umständen das Fräulein heiraten? Bedenken Sie, ohne jede Bedingung!"
Der Ton klang eigentümlich, daß Sczepinsky stutzte, dann antwortete er etwas unsicher:
„Nun ja, sie ist eine sehr gute Partie und auch bildschön."
„Gewiß, mein Herr, ich selbst liebe Fräulein Jutta und beabsichtige, mich um ihre Hand zu bewerben.
„Sie, Herr Vorberg?" frug der Pole sarkastisch, „und haben Sic Aussicht aus Realisierung dieses Ihres sehr — kühnen Wunsches?"
Der Banquier zuckte die Achseln, dann fuhr er fort:
„Da mein eigenes Vermögen einsehr bedeutendes ist, so kann es für mich sehr glcichgiltig sein, ob meine Verlobte Reichtümer besitzt oder nicht. Freilich darin sind wir gleich, denn da sie sich anzukaufcn beabsichtigen, so müssen Sie ja ebenfalls Vermögen—"
„Nichts destoweniger brauche ich aber eine reiche Frau," siel Sczepinsky hastig ein, ,/s gehört heutzutage sehr Viel zu einem standesgemäßen Leben und Sie wissen: „uoblosss ollli^s!"
„Und so glauben Sie durch Fräulein von Ternaus Besitz in den Stand gesetzt zu werden, ein solches zu führen?"
„Allerdings; jedoch, mein Herr, bin keineswegs gesonnen, fernere diskrete Fragen —"
Der Banquier pfiff leise vor sich hin, dann meinte er kalt:
„Sie wollten wissen, wie hoch sich des Barons Vermögen belauft. Ich weiß nur, daß seine Schulden bei Weitem größer sind, als dasselbe, also er besitzt gar nichts!"
Wie vom Blitz getroffen, fuhr der elegante Freier auf, er wollte reden, doch kein Laut kam über seine Lippen, während Vor- berg fortfuhr:
„Auch das Vermögen der Baroneß steckt in dem Gute und jch könnte Ihnen auf der belle beweisen, daß Schloß Ternau mit
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all' seinen Ländereien mir gehört, denn meine Hypotheken deck« vollkommen den Wert desselben."
Noch immer stöhnte Sczepinsky den Sprecher an, ein Schauder überlies ihn bei dem Gedanken, daß es beinahe schon zu M gewesen, seinen Irrtum in Bezug auf seine Verheiratung zu vermeiden. —
Aber noch hatte Niemand von dem Verlöbnis erfahren, ei wäre ja thöricht und gefährlich gewesen, ein armes Mädchen mit horrenden Ansprüchen zu heiraten I Der Banquier mußte ja die Verhältnisse am Besten kennen.
„Und warum haben sie mir das gesagt?" frug er endlich ganz kleinlaut. „Sie wissen, daß ich Fräulein Jutta liebe M wie schwer es für mich sein müßte, ihr zu entsagen. Freilich, Mi», das Schicksal das Opfer fordern sollte. —
Vorberg lächelte höhnisch.
»Ich sehe, wie schwer Ihnen dies Opfer fallen würde, aber, mein Herr, da ich Ihnen vorher initteilte, ich wolle das Fräulti» heiraten, so begreifen Sie wohl, daß ich meinen Nebenbuhler a»j dem Wege räume. Sie wollen Jutta heiraten, um ihr Geld z« erlangen, ich, weil ich sie liebe, und so werden wir also ferm wohl nicht mehr zu oft im Wege stehen." —
Inzwischen ritten Vater und Tochter durch den Wald. Dn Morgen war frisch, schimmernde Thauperlen hingen an den Gräsern, jubelnd stiegen die Lerchen zum Himmel empor und die Sonne warf eine Fluth goldenen Lichtes rings über die schäm Landschaft. —
Juttas kleine Hände lagen auf dem Halse ihres Pferdes, si! hielt nur lose die Zügel, denn ihre Gedanken wandelten weit fort in eine sonnige Zukunft, sie besaß kein Verständnis für die Schönheit der Gottesnatur um sie her, sie entwarf Plan um Plan.
Sie war die Braut des schönsten, elegantesten CavallinS, den man hier kannte und den noch dazu die Nimbus des ii'tms santeu Fremden umgab. In wenigen Tagen würde es ja »w alle Welt erfahren, man würde sie feiern und auch beneiden. -
Und dann die Hochzeit I Sie sollte noch in diesem Jahre M. finden, sobald die Trauer vorüber war.
Ach, die geliebte tobte Mutter! Der Gedanke an sie zerstmli auf einmal all den bräutlichen Triumph des zerfahrenen Mädchen?, eine heiße Thräne rann über ihre Wangen und sie empfand mit scharfen: Schmerze, daß die Theure nur zu zeitig von ihr gegangen war.
Die Stimme des Barons weckte sie aus den trüben En>» nerungcn.
„Liebes Kind, ich habe mit Dir zu reden, und ich bin sich, daß wir hier allein sind.
„Du machst mich neugierig, Papa, indeß ich höre geM Neues — also sprich, bitte I"
„Du weißt, mein Kind, daß cs mein größter Wunsch ist, Dich gut und gesichert verheiratet zu wissen. Rang und NaE gilt in unseren Tagen nichts mehr, zu kannst täglich sehen, das sich Gräfinnen, ja sogar Prinzessinnen mit bürgerlichen Mäiimr« vermählen."
„Jawohl," nickte Jutta zerstreut, sie dachte aber an SczepiM ky, auf den die Worte des Vaters ja nicht paßten.
„Nun denn, liebe Tochter," fuhr Ternau würdevoll Ml „ich sehe, Du bist nicht von Standesvorurteilen befangen uiü ich freue mich darüber, So kann ich denn ohne lange Voned» Dir sagen — daß ich über Deine Hand verfügt habe!"
Dunkle Glut überflog das schöne Mädchengesicht, die kleim« Hände zogen so fest die Zügel an, daß das Pferd kerzenger»k emporstieg; aber Jutta war eine vorzügliche Reiterin, wie aHf gossen saß sie im Sattel, nur die Lippen preßten sich hart aO eiander, dann frug sie hart:
„Wer hat um mich angehalten?"
„Banquier Vorberg!"
„Der Jude? Nun ist das eine Arroganz, die nur ein M' besitzt, ohne Fragen kann daraus nie etwas werden, das bitte i» Dich, ihm rundweg zu erklären."
„Ich werde mich hüten! Im Gegenteil befehle ich, Dein-"»' ter, Dir, die Werbung jenes Mannes anznnehmen."
„Wie schön das klingen müßte: „Als Verlobte empWj sich Baroneß Jutta von Trenau und Banquier Harry Vorberz. Es ist nur gut, daß diese unverschämte Werbung zu spät koiB, mein Wort ist bereits verpfändet."
(Fortsetzung folgt.)
> ernhard Hofmann m Wlldbad.