Die Verschwörung oder Der Maskenball.
Historische Novelle von Ir. V. H>ückter.
Nachdruck verboten.
4. Fortsetzung.
„Als ich im Jahre 1780 bei Abschluß des bewaffneten Ncu- IralitätsbündnisseS gegen England zwischen Schweden und den übrigen nordischen Mächten dem Abgesandten als militärischer Begleiter mitgegeben wurde, sah ich sie znm letzten Mal. Ungefähr zwei Monate später, »ach Beendigung der Verhandlungen, lehrte ich zurück und fand — einen Grabhügel, meine Mutter war einem schleichenden Fieber erlegen. Seit der Zeit datirt mein Haß gegen Gustav 111. Mein Leben wurde ein zügelloses. Ich führte hochverräterische Rede», nud endlich drei Jahre später hielt ich meine Entlassung in Händen. Nun sing ich erst recht zu toben an, denn mein seit zwei Jahren erblindeter Vater schürte noch meine Wut, und unter furchtbaren Drohungen zogen wir uns aufs Land zurück, wo wir ein kleines Hüttchen besaßen. Hier starb auch mein Vater und in seine erkaltende Hand leistete ich den Schwur, an dem Rache zu üben, der den Frieden seines Heims gestört und auch mich hinausgestoßcn hatte in ein Leben ohne Beruf, ohne Zweck und Ziel. Ich wandte mich nach Stockholm. Als hier Gustav 111. eines Tages aus dem Portale des Schlosses trat, um las seiner harrende Pferd zu besteigen, da stieß ich mit einem scharfen Damascener Lolch nach seiner Ernst. Er aber hielt mit Geistesgegenwart de» Arm vor und meine Waffe traf daher diesen nur leicht. Eine brüllende Volksmenge umgab mich und hätte mich wohl sofort getvdtei, wenn nicht die Schlvßwache ciugeschritlcn wäre. Man warf mich ins Verließ, in welches weder Lonne noch Mond schien. Sechs Monden mußte ich in demselben verbleiben. Wenn ich zum Verhör geführt wurde, mußte ich die gröbsten Mißhandlungen erdulden; keine» Laut durste ich aus- stoßcn, wen» die Qualen nicht noch ärgci werden sollten. Endlich gelang cS mir zu entkommen und zwar durch ein Mädchen. Tie schöne Tochter des Gefangenwärlere war durch mein Schicksal gerührt worden; ein Kuß, den ich als eine Erleichterung in meinem Kerker forderte und erhielt, weckte ihre Liebe und mit ihrer Hilfe entkam ich. Hier stehe ich nun ein erbitterter Todfeind des Königs, und biete Euch, ihr Herren, meine Hilfe."
Er schwieg und trat zurück, und die Anwesenden mit Ausnahme Ewas s^o.ns b-zeugttn ihm warme Teilnahme und Mrnr- irilleu das rohe Behände,» des polnischen Verbrechers.
Gras Horn aber, mit unlergcschlagenen Armen in dem bleichen, »tteressanteu Antlitz ein Ausdruck des verächtlichen Unwillens, schwieg. Nach einer langen Pause fragte er dumpf: „So ist eS persöuttche Rache, die Euch uns znsnhrt, nickt die Ueberzcugnng sllrs Rceyr une bi. Zainus! des Reiches 7"
,,^err Ewas," sechr der Hanplmann auf, „hattet Ihr mich d'ruiu weniger würdig, Euer Bundesgenosse zu sein?"
„Nicht dock, Anckarftröm," begütigte Pcchlin, „mäßigt Euch und becenti, das; Graf Horn unser Oberhaupt ist."
„Zieh: das Loos," siel Rivbing ein, „die Zeit verrinnt, und wir lhcrlen noch nichts außer müßigem Reden."
Lautlos erhob sich Karin und real zu der verhängnisvolle» Schaalc. Bisher hatte sie geschwiegen, aber die große», ausdrucksvollen Augen waren voll Eifer dem Gespräche der Männer gelocht. —
„Graf Horn," begann sic langsam, „auch ich handle in erster Bnic aus persönlicher Rache, nehmt Ihr Anstand daran?"
„Edle Frau, ich verstehe vollkommen, daß solche Motive den Menschen zu Allem leite» können," lautete die zurückhaltende Antwort; aber er hielt ihren scharfen Blick ruhig aus.
„Und aus welchen Gründen handelt Ihr," fragte sie finster zurück. —
„Mein ganzer Stand, d"r freie uralte schwedische Adel ist durch den König gekränkt," erwiderte schwer betonend der also Gefragte; „statt bei seinem Negierungs-Antritt sich auf seine ersten, treuesten Vasallen zu stützen, verwarf er sie, nmgieng sic so schnöde bei dein Eidjchwnr zu Stockholm und hat ihnen nach und nach die meisten Rechte entzogen. Was er Gutes und Vorzügliches geleistet Hai, leugne ich nicht, es ist kein gewöhnlicher Mann; und so beklagen wir doppelt seine Fehlgriffe. Heute sällt das Loos zur Vernicklung eines Lebens, welches in unser» Händen ganz Europa zur Bewunderung fortgerisfin hätte. Doch ein ganzes Jahr soll
nach dem heutigen Tage erst verfließen, ehe er sterben wird. Noch wollen wir ihm Zeit zur Umkehr lassen; ich selbst, der ich stets in seiner Umgebung bin, will Alles anfbieten, ihn zur Umkehr zu bewegen. Ist auch dieses sruchtlos, dann falle sein Haupt l"
Eine feierliche Pause entstand, dann begann Pechlin: „Sein Ansehen beim Volke und der Armee ist nicht mehr das alte. Vor zwei Jahren erklärt er, ohne die Zustimmung der Stände abzu- warten, de» Krieg an Rußland und ließ in Finnland einrücken. Seit der Zeit sind sie mißtrauisch geworden."
„ES war zum Teil mein Werk," fiel Bjelke ein, „daS Heer damals aufznwiegeln und einen Abgesandten ohne Gustavs Zustimmung zu Friedensunterhandlungen nach Petersburg zu senden."
„Gustavs Lage wurde durch den gleichzeitigen Angriff der Dänen auf Gothland eine sehr kritische," bemerkte Horn."
„Nun, aus derselben verstand er sich meisterhaft zu retten durch den NentralitätStractat mit Dänemarck," lachte Ribbig höhnisch.
„Wenn der schleunigst znsammengerufene Reichstag damals nicht mit einem Schlage den Aufstand der Armee gedämpft hätte," meinte Liljehorn, „dann hätte Gustav wohl schweren Stand gehabt; aber das Volk fühlte sich durch die Vercinigungs- und Sicherheits- Akte wieder völlig beruhigt, und die Armee jubelte dem inmitten seiner Dalekarlier erscheinenden Fürsten von Neuem begeistert zu."
„Daß jenes lange Blutvergießen aber völlig zwecklos war," meinte Pechlin finster, „daß neulich beim Friedensabschluß zu Wernlä derselbe Zustand wie vor dem Kriege verblieb, davon schweigen die Siegestrompeten, die den Ruhm des Heimkehrcndeu verkünden."
„In vier Tagen zieht König Gustav in Stockholm ein," bemerkte Horn, „und an den Thoren empfangen ihn 'die schönsten Jungfrauen der Stadt, um ihm den Siegeslorbeer zu überreichen. Ist nicht auch Eure schöne Tochter dabei, Oberst-Lieutenant?"
Liljehorn nickte düster und seine Faust ballte sich: „Ich wünschte, sic reichte ihm den Gift-Becher."
Karin trat jetzt zu Horn mit den kurzen Worten: „Nehmt ein Loos, Herr Graf, vielleicht trifft Euch das verhängnisvolle schwarze Kreuz."
Sie teilte anscheinend nachlässig die Papierstreifen aus, aber die schlanken Finger wußten genau, wo dasjenige lag, welches Anckarström erhalten sollte. Endlich waren alle Loose verteilt, Einen Moment herrschte seltsame Spannung in der Versammlung; das kleine Pnpurstückchen brannte wie Feuer in der Hand des Besitzers unv wie ein lähmendes Gefühl beschlich es Aller Herzen : „Wirst Du die Mordwaffe ergreifen müssen?"
Jetzt endlich hob Frau Liljehorn die Schale empor: „Ihr Herren tcgt ein Jeder Euer LooS hier in diese Schale, aber schaut es erst recht gründlich an, ob es das schwarze Kreuz trägt."
Nach einer kurze» Zeit trat Anckarström hervor und hob sein Loos: „Hier ist >s, ich werde das Urteil vollslrccken."
In Gras Horns Augen blitzte ein unwilliger Strahl; erstand hastig auf. „Hanptmann Anckarström, Ihr wollt hier auf das Crucifix schwören, daß zwischen heute und dem Tage der Vollstreckung Eurer That ein Jahr verstreichen soll!"
Die Blicke beider Männer trafen sich sekundenlang mit fast feindlichem Ausdrucke; daun legte Anckarström die Hand auf das Bild des Heilandes und wiederholte mit fester Stimme die Worte des Grafen: „lieber ein Jahr, ihr Herren, erhaltet Ihr von mir den Ihr znm Vorsitzenden erwählt, den Bescheid, ob und wo die That ausgeführt werden soll, welche Schweden Freiheit und unserem Adel Recht und Ansehen znrückgeben wird."
Horn trat zurück nud die Versammlung war zu Ende.
3.
In den Straßen Stockholms herrschte frohes, reges Leben; eine bunte, festlich gekleidete Menge versammelte sich in immer dichteren Schaaren und die Sicherheitsleute hatten fortwährend zu thun, um Ordnung zu erhalten- Von den Giebeln der Häuser wehre das blaue Banner mit dem goldenen Kreuze, und grüne Guirlanden waren von Fenster zu Fenster aufgezogen. ES galt, den königlichen Sieger von Wiborg zu begrüßen^ der heute an der Spitze seines treuen Heeres in der Reichs-Hauptstadt einziehen wollte.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard H„ sm ann in Wildbao.