Die Verschivimmg °dn Der Maskenball.
Historische Novelle von Ir. v. Nükkker.
Nachdnick verbeten.
3. Fortsetzung.
II.
In einem weiten, saalartigeu Gemache brannten düstere Wachskerzen, ein alter weißhaariger Mann schritt lautlos ans und nieder, scharf beobachtend, ob auch Alles die gehörige Ordnung zeige. Inmitten des Raumes stand ein schwarzbehangever Tisch und um denselben herum hohe geschnitzte Lehnstühle. Die Fenster waren durch schwarze Vorhänge dicht verschlossen, kein Lichtstrahl konnte hinaus dringe»; über dem mittelsten hinge» zwei gekreuzte Schwc- dcnbanner und dicht darunter grinste ein Tobten schade! hernieder.
Draußen von den Thürmen der Residenz schlug die Mittcr- nachtsstunde und der Alte blieb stehe».
„Sie werden gleich da sein," murmelte er vor sich hin, „was wird beschlossen werden? Wird sie, meine Herrin auch dabei sein! Als vor neun und einem halben Jahre mein finsterer Gebieter das Schastot bestieg, weil sein Jähzorn ihn zum Morde hingerissen, ich horte da mit diesen meinen eigenen Ohren, wie sein Weib Karin auf's Bild dcS Gekreuzigten Rache schwor und — Gott helfe mir — ich glaube, heute ist der Tag derselben angebrochen. Lange Jahre lebte ich allein in diesem einsamen Hanse hier, bis endlich gestern meine strenge Gebieterin mit dem kleinen Junker Adolf und Fräulein Christinen, ihrer Nickte hier eintraf und ich Befehl erhielt, den Saal zu einer „Familienversammlung" heute Nacht zu rüsten. Es geht Schlimmes hier vor, alter Björnson, der liebe Herrgott verlasse und nicht!"
Die Thüre gieng aus, Frau Karin rauschte herein, ganz in schwarzen Sammet gehüllt, schwarze Schleier über Haupt und Schultern fallend, sie sah bleich und finster ans, wie eine Rache- Göttin der alten Sage.
„Björnson, es ist gut so, Ihr könnet jetzt gehen, aber daß Niemand hier ciudringe: Ihr hastet mit Eurem Haupte dafür I"
Der Alte verneigte sich schweigend und glitt geräuschlos hinaus; draußen schlug er scheu ein Kreuz und murmelte:
„Die Gnädige sieht aus, als könne sic ohne zu zucken, Jemanden das Messer ins Herz stoßen!"
Frau von Liljehorn schritt zum Tische und ergriff eine dort stehende Schale, langfam ließ sie zwölf gleiche Papicrstreifen hin- eingleilen, dann hob sie mit grausamem Lächeln einen derselben an's Licht, welcher auf der Rückseite ein kleines schwarzes Kreuz trug. „Da ist Dein Loos, Tyrann!" sagte sie mit leuchtenden Augen. —
„Der Tag der Rache kommt, König Gustav, und Karin Liljehorn sieht ruhig Dein Blut fließen, denn sie hat den schmählichen Tod des Gatten noch in guter Erinnerung behalten."
Es klopfte drei mal in bestimmten Pansen, dann gieng die Thür auf und eine Anzahl von Männern trat ein; es Warenteils Militär-, teils Civilpersonen, alle aber zeigten das Aeußere der Aristokraten.
Karin trat, leicht das Haupt neigend, näher. „Willkommen, Ihr Herren, in meinem Hause; nehmt mich, das einzige Weib, in die Verschwörung auf, kann als Verbündete Euch viel nützen, als Feindin ich Allen schaden."
Ein hochgewachsener, noch junger Mann mit bleichem bartlosem Antlitz und melancholischen dunklen Augen trat vor und zog die schmale Hand der Dame an seine Lippen:
„Frau von Liljehorn, Ihr habt ein heiliges Anrecht, in diesen Bund ausgenommen zu werden, Ihr rächt den schmählichen Tod Eures edlen Gatten."
„Ich danke Euch, Graf Horn, ich wußte wohl, daß mein Wunsch nicht zurückgewiesen werden würde," erwiderte Frau von Liljehorn verbindlich.
Man nahm Platz, und als Ruhe eingetreten war, begann der Vorsitzende:
„Meine Freunde! Das Ziel all' unserer Wünsche unseres Strebens, ist ein und dasselbe: Die Freiheit, das Glück unseres Vaterlandes, des heiligen Schwedens. Und diese Freiheit ist bedroht, nicht von außerhalb, nicht durch das Volk, nein, durch Einen, der hoch über Allen steht, und den wir alle auch ohne Namen kennen."
„Es sind jetzt über 18 Jahre, daß eines Morgens Stockholm erwachte und staunend sich in einem militärischen Ringe befand. Ueberall starrte es von Lanzen, Musketen und Rüstungen. Und dann traten die Volkständc zusammen, der Monarch erschien inmitten seiner Generäle und Offiziere, welche ihm den Eid auf die Verfassung von 1680 leisteten."
„Eine Verfassung, die mit Uebergehnng des mächtigen Adels dem Könige unbeschränkte Verfügung und Macht über das gesamte Heer verleiht," grollte Graf Ribbing, der neben Horn saß; überhaupt macht diese Verfassung ihn beinahe völlig unabhängig von Allen; aber um das Volk zu kirren, fragte er die Stände stets um ihre Zustimmung."
„Daß Gustav III. Gutes gewirkt hat, ist nicht zu leugnen, . meinte Freiherr von Bjelke nachdenklich, „bedenkt Ihr Herren, daß er sofort die grausame Folter abschaffte, die seit Jahrhunderten eine Geißel der Menschheit gewesen."
„Haha und warum?" fiel Ribbing zornig ein, „um dem Adel ein Gewaltmittel gegen widerspenstige Untergebene zu nehmen. Womit wird jetzt ein verstockter Verbrecher zum Geständnis gebracht?"
„Seid nicht ungerecht, Freund," mahnte Graf Horn, „deshalb wurde ich nicht Gustavs Feind, die Abschaffung der Folter ehrt ihn hoch."
„Und womit vertheidigt Ihr die Freigebung der Presse, Graf?" fragte Ripping giftig, „ein jeder hergelaufene Mensch kann über den Adel schimpfen, und von oben herab sieht man befriedigt auf die schimpfenden Blätter."
„Ich bin dem Bunde gegen Gustav beigetreten," erwicdertc der bleiche Graf ernst und würdevoll, „aber cs sei fern von mir, eine jede seiner Thalen in den Staub zu ziehen, das würde mich selbst in meinen Augen herabsctzen. Nur die niedrige Gesinnung fällt über den Feind mit schonungsloser Wut her, ich kenne wohl die edlen Seiten jenes irregeleiteten Mannes."
„Recht so, Graf Horn," rief Liljehorn voll Wärme, „dies Wort ehrt Euch und uns, der Edelmann darf nur dem ebenbürtigen Feinde die Stirn bieten!"
„Graf Ribbing," fuhr Horn nach einer Pause fort, „Ihr kommt vom Herzog von Südermannlandl" Habt Ihre feine Ansicht erforscht, tritt er heimlich unserm Bunde bei?"
Der Angeredete schwieg eine Weile, dann sagte er bitter:
„Er zog sich zurück wie ein Feigling! Ja, er sagte, daß, wenn ein solcher Bund in's Leben trete und er davon Kenntnis erhielte, er einer der Strengsten fein werde denselben zu vernichten."
„Und noch beim letzten Gastmahl hat er mir versichert, eine Aenderung und sei sie auch gewaltsam hcrbcigeführt, könnte allein der Wohlfahrt des Landes helfen," rief General Pechli» zornglühend , „ist das nicht deutlich auf eine Empörung htnge- gcwiesen?"
„Laßt ihn, Freunde," ries Horn verächtlich, „er weiß, daß daß feine Regentschaft doch nur für die Jahre dauern könnte, die Gustavs Sohn unmündig ist; später kann er die Herrschaft nicht behalten. Das ist der Grund feines Zurückweichens. Hauptmaun Anckarström. Ihr wollt unserm Bunde beitreten? Nennt uns den Grund Eures Grolles gegen den Monarchen!"
Der also Aufgerufene trat vor, verneigte sich leicht und begann :
„Werthe Herren, ich habe vor Kurzem den Dolch auf die geheiligte Person des Königs gezückt, und zwar, weil mein leicht aufbrausendes Temperament durch seine Spöttereien gereizt worden. Ich war als zehnjähriger Knabe Page am Hofe und der Liebling Friedrich Adolfs gewesen. Bei Gustavs Thronbesteigung trug ich ihm den Hermelin mit unv am Jahrestag derselben hing er eine goldene Kette um meine» Hals. Mein Vater war Oberst in der Armee und meine schöne Mutter erfuhr viele Aufmerksamkeiten von dem fünfundzwanzigjährjgen König, was mich, den vor den. Jahren gereiften Knaben, zu bitt'rem Grolle trieb. Später wurde ich Cornct im Dragoner-Negimeut des Herzogs von Südermannland und avancirte sehr rasch für meine Jahre. Die Galanterien Gustav's für meine Mutter dauerten fort, und das Familienleben bei uns erlitt dadurch einen herben Stoß. Mein Vater war wahnsinnig eifersüchtig und überhäufte seine Frau, der nie der kleinste Fehltritt nachgcsagt werden konnte, mit den ungerechtesten Vorwürfen. Sie begann zu kränkeln.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbao.