Die Verschwörung »der Der Maskenlmll.
Historische Novelle von Ir. v. Mickker.
Nachdruck verboten.
1. Fortsetzung.
„Was habt Ihr nur vor," bemerkte die Dame, unruhig zu ihm hiuübcrschauend, „willst Du mich nicht Teil nehmen lassen an der Politik, Du weißt, meines armen Gatten Tod hat auch mich zur Feindin —"
„Genug, Karin, ein ander Mal —", unterbrach der Oberst- Lieutenant hastig und warf den ihm zugeschobenen Würfel zur jubelnden Freude des Kleinen zurück.
Die Witwe nickte und schwieg, das Surren des Spinnrades des schönen Mädchens war nur allein vernehmbar.
„Christine," srng der alte Herr, nach ihr gewandt, und in dem ernsten Gesichte leuchtete es auf in Vaterstolz und Vaterliebc „hast Du auch Deine Hausfrauenpflichtcn fein bedacht für nnscrn Gast?"
Das Mädchen nickte heiter und hielt das Rad an, „Gewiß, Vater, cs soll an Nichls fehlen, und das Gastzimmer war ja in Ordnung gehalten; aber sage nur, wozu war der Schuß, der mich so erschreckte?"
„Eine Schwedin darf nicht erschrecken, Kind," meinte der Vater vorwurfsvoll, „wer weiß, ob nicht noch Zeiten kommen, wo Du sehr oft wirst schießen hören."
„Oh, das wäre ja furchtbar, aber nein, unser schöner guter, König Gustav wird schon Alles zum Besten wenden und solche Schrecken von uns fernhalten."
„Christine, was versteht ein Mädchen von Politik," grollte Frau Karin, „und woher kommt Deine Schwärmerei für König Gustav?"
„Ja, Tante, ich schwärme für diesen ritterlichen Monarchen, der so leutselig und milde mit dem Geringsten ist."
„Erbärmliches Liebäugeln mit dem Pöbel" murmelte die Witwe zornig.
„Und wollt Ihr wissen, seit wann ich diesen hohen Mann verehre?" fuhr Christine fort, die kleine weiße Hand unter das Kinn legend; „es sind schon 10 Jahre her, damals war ich neun Jahre alt, als der König hier beim Vater zur Jagd sich eilige- fundcn hatte."
„Ha, daS war der unglückliche Tag, da mein Gatte —," murmelte Karin —, doch sie vollendete nicht den Satz, denn ihre Nichte fuhr leuchtenden Auges fort:
„Ich war von der Mutter auf's Schönste geschmückt. Auf meinem gelben Kleidchen lag eine breite, blaue Schärpe, im Haar trug ich ein blaues Band, ebenso am Halse, unsere stolzen Schweden-Farben seil Gustav Wasa's Zeiten. Als di- Herren später nach beendetem Jagen sich znm Imbiß i» der Halle einfanden, brachte ich dem König den Willkommei trunk, denn der Pokal war schwer. Der König schaute mich lächelnd an: „Kleines Fräulein", rief er gut gelaunt, nun „müßt Ihr mir aber nach deutscher Sitte den Trunk credenzen."
„Ich wurde dunkelrot, hatte aber oft genug das Wort und dessen Bedeutung gehört, ich besann mich also nicht lange und setzte den Pokal an die Lippen. „Recht so, schöne, kleine Schwedin," lobte Gustav, dann nahm er das Glas, setzte cs an derselben Stelle, wie ich, an die Lippen und leerte es mit einem Zuge. „Und nun müßt Ihr mir noch einen Dank gestatten für Eure Bereitwilligkeit Fräulein," scherzte er weiter, hob mich ohne Weiteres in seine Arme empor und küßte mich.
Ein lautes Beifallsrufen seiner Umgebung brachte mich erst jetzt in Verlegenheit, ich floh wie ein gehetztes Reh nach dem fernsten Teil unseres Gartens. Aber noch heute sehe ich sein gütiges Antlitz vor mir und höre seine wohlklingende Stimme und die dem Kinde erzeugte Freundlichkeit."
„Das dürfte er an der Jungfrau heute nimmer wiederholen," rief drohend Frau Karins Stimme, und dumpf fuhr sie fort:
„In jener selben Nacht schoß mein Gatte, Dein Oheim, einem Jägcrbnrschen, der ihn durch Unverschämtheiten zur Wut gereizt, über den Haufen, und Dein so erhabener, milder König Gustav ließ ihn deshalb verhaften und einige Wochen später auf dem Schaffet hinrichteu, ihn den Aristokraten, weil er einen gemeinen Menschen gezüchtigt hatte. Haha, so liebt dieser seinen Adel!" —
Christine schwieg furchsam, aber mit geheimer Empörung schaute sie ihre Tante an. Wenn der Onkel das gethan, dachte sie, dann hatte er auch den Tod verdient. Warum sollte, weil er Aristokrat war, solch' schnöder Mord ans wilder Leidenschaft nn- gcrächt, unbestraft bleiben? Nein, das erhöhte noch in ihren Augen den Ruhmesschein, den ihre Mädchen-Phantasie um den König gewoben. —
Freilich die arme Tante betrauerte den Gatten, sie hatte gewiß sehr gelitten und deshalb an klarem Urteil verloren; Christi- , »ens weiches Gemüt wandte sich sogleich mitfühlend zu der kalten, strengen Frau, die doch noch gar nie ein Liebeswort für sie gehabt hatte.
Der kleine Adolf rieb sich jetzt die Augen und verlangte weinerlich nach seinem Bettchcn. Frau von Liljchorn erhob sich mit derselben unbewegten, kalten Miene und nahm den Kleinen in die Arme um ihn selbst zur Ruhe zu bringen.
Draußen, als sie allein mit demselben war, da preßte sie ihn mit einem Male järtlich an sich, gab ihm süße Liebesnamen und küßte wieder und wieder das kleine Gesichtchen. >
Der starre Ausdruck ihrer Züge war hinweggewischt, die volle Mutterliebe verklärte dieselben. Adolf schaute verwundert und schüchtern zu der Mutter empor; solch ein' ein Ausbruch der Gefühle war fetten bei der gebeugten, ernsten Witwe. Dann mit einem Male schlang er beide Aermchen um ihren Hals, und die rosigen Kinderlippeu preßten sich scheu, aber doch innig auf die ihrigen. ;
Drinnen im Wohnzimmer war Christine zu dem Vater getreten und sträuchelte zärtlich dessen ergrautes Haupt.
„Väterchen," flüsterte die wohlklingende Stimme schmeichelnd, „nicht wahr, Du hegst nicht diesen furchtbaren Haß wie Tante , Karin. Mein Oheim zerstörte frevelhaft ein Menschenleben und darum mußte sein Haupt fallen. Es ist grausig, aber dennoch gerecht!"
„Stina, Kind, das verstehst Du nicht," antwortete Liljchorn dumpf, Gustav Hl. haßt den gesamten Adel und tritt denselben mit Füßen. Aber ich gehöre dazu, und ehe will auch ich das Schaffst betreten, ehe ich meine Rechte in den Staub ziehen lasse. Gustav liebäugelt mit dem Volke, seine Politik entzieht uns Alles, und wir sind keine Kinder, die solch' eine Behandlung ruhig entgegennehmen.
Seine Hand ballte sich, die finsteren Augen blitzten zornig und die dicke» Stirnadern schwollen dunkel an.
„Vater," beschwichtigte das Mädchen, „sei ruhig, errege Dich nicht. Ich verstehe die böse Politik ja nicht; mag sie ruhen, sie ist für Männer."
Der alte Mann legte zärtlich die kleine Hand an seine brennende Stirn.
„Wenn Deine Mutter noch lebte, Kind," flüsterte er wehmütig, „sie war so sanft und so versöhnend. Karin ist mein böser Geist, sic predigt stets finstere Rache."
Das schöne Mädchen küßte liebevoll die faltige Wange und murmelte ihm tausend Liebesworte ins Ohr; selten war sie allein mit dem Vater, aber diese Augenblicke waren so köstlich und von Beiden heiß ersehnt.
Endlich stand der Oberstlieutcnant auf. Ich muß jetzt nach unserem Gast scheu, Stina; wir wollen bald zu Abend essen, denn er muß ruhen, er ist todtmüde." !
„Und noch Eins, Kind, sage Niemanden, was und wer un- ! ser Gast ist, er ist geächtet!"
Christinen entfuhr ein leiser Aufschrei, sie schlug bedenklich die Hände zusammen und rief entsetzt: „Mein Himmel, was hat er verbrochen!"
„Er hob die Waffe gegen Deinen angebetenen König," enl- gegnete Liljehorn mit ernster Stimme und seine Hand lag schwer auf ihrer Schulter. f
Sie war bleich geworden, in den schönen blauen Augen malte j sich ein tiefer gründlicher Abscheu. „Vater," sagte sic und ihre f Stimme zitterte heftig, „ich verstehe nichts von Politik — aber ! wer die geheiligte Person des Monarchen angrcift, der — —" -
Sie vollendete nicht, denn der alte Mann trat mit geballten Händen und wildblitzenden Augen vor sie hin.
„Kein Wort weiter, Mädchen! Es kann der Tag kommen, daß Dein Vater selbst —"
(Fortsetzung folgt.) i
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.