Nrrndfchcru.
— Von der deutschen Partei in Stlltgart ist, wie mitgeteilt wird, Kommerzienrat Gnstao Siegle ausgestellt. Den Telegrammen auswärtiger demokratischer Blätter gegenüber wiederholen wir, daß Herr Siegle die Kandidatur angenommen hat.
Lndwigsbnrg, 18. Jan. Die seit einigen Tagen bei General- masor oon Ketlftr eingetretene Krankheit (Magenkatarrh und Brustfellentzündung) ist eine sehr bedenkliche. Die rechte Lunge ist entzündet und hoch Fieber hat sich eingestellt Es wird Schlimmes befürchtet. — Infolge eines Schlaganfalls ist gestern nachmittag der Prcmicrlientenant beim 3. Infanterie-Regiment dir. 121, Frhr. o. Türkheim, ein allgemein beliebter Offizier, schnell ans dem Leben geschieden.
— Ans dem Bahnhöfe in Schclklingen drohte ein großes Unglück, welches durch die Geistesgegenwart des Fahrpersonals bei Zug 153 noch verhütet wurde. Die Schuljugend von NoSgeu- statt hatte mit ihrem Lehrer eine Schliltcnpartie nach Schelklingen unternommen, bei der Heimfahrt nun geriet ein Schlitten anstatt auf die Landstraße ans die Rampe des Bahnhofes, wobei die Insassen des Schlittens auf das Geleise geschleudert wurden, als eben der letzte Zug von Blaubeueren her, entfuhr. Wenige Schritte vor den Kindern und dem Lehrer konnte der Zug zum Stehen gebracht werden.
Langenbnrg, 19. Januar. Unsere fürstliche Familie ist nun für den Rest des Winters und für das kommende Frühjabr nach Stuttgart übcrgesicdelt; in den letzten Tagen ist auch die Dienerschaft dahin beschicken worden.
Nllll, 18. Janr. Heute Abend 6 Uhr 40 Min. waren die auf dem hiesigen Bahnhof-Perron anwesenden Personen Augenzeugen einer aufregenden Scene. Ein Herr E. aus München wollte trotz der Warnungörufe in den bereits sich im Gang befindlichen Stuttgarter Zug springen; er glitt auf dem Trittbrett des Postwagens, dessen Haltestaugen er zu ergreifen vermochte, aus, kam auf das Trittbrett zu liegen und wurde so die ganze Länge des Bahnhofgebäudes geschleift, ohne jedoch irgend welche Verletzung davonzutragen. Auf das Hilfegeschrei der Zuschauer, sowie das gegebene Notsignal hin, wurde der Zug zum Stehen gebracht und der Unvorsichtige aus seiner verzweifelten Lage befreit. Neben dem Schrecken hatte er auch uoch eine Strafe zu zahlen.
Ulm, 18. Jan. Gestern schlich sich in die Magdkammer in der Bierbrauerei zum „goldenen Hecht" ein fremder „Reisender" und gab, in derselben betroffen, an, er habe um Beschäftigung nachsnchen wollen. Er wurde, nachdem er durchsucht, in der Wirtschaft entlassen; der Pächter folgte ihm jedoch auf die Straße. Als dies der Fremde sah, nahm er Reißaus und konnte erst „Unter der Metzig" wieder eingefange» werden. Wie sich später heraus- stcllte, hatte er den verschlossenen Koffer der Kellnerin geöffnet und aus demselben ein Schächtelchen mit Ohrringen, goldener Brosche, Halskette mit Medaillon, Uhrkctte u. s. w. im Gesamtwert von ca 40 genommen, solche aber, nachdem er entdeckt wieder weggeworfen, denn diese Gegenstände lagen offen auf dem Boden. —
— Auf dem Kohlhof bei Heidelberg erschoß sich der Landwirt W. aus Gram über einen in letzter Instanz verlorenen, ziemlich kostspieligen Prozeß, den er gegen die Stadt Heidelberg angestrengt hatte.
— In Passan ist ein 5jähriger Knabe, der in einem übermäßig geheizten Zimmer schlief, durch Kohlengasvergiftuug gestorben.
— Ein bei der Firma Wälzsolz in Hohenlimburg beschäftigter Commis wurde wegen Unterschlagungen im Gesamtbetrag von 20,000-/E verhaftet. Bei der Haussuchung fand man einen großen Korb voll von dein Geschäft gehörigen Briefen vor, in denen znm Teil noch Wechsel und Coupons enthalten waren.
- Letzte Woche gingen in Bregenz, an einem Tage 36 Waggons mit Hasen, die für Paris bestimmt waren und aus Jnner- österreich kamen, durch. Jeder Wagen hatte eine Ladung von 700 Hasen, so daß also an diesem Tage 25,200 Hasen die Reise nach Paris unternahmen'
Kassel, l4. Jan. Der Produktenhändler Philipp Steinbach wurde heute Nachmittag von einem hiesigen Mezger mit der Heugabel erstochen.
— Der Maurer Klausing aus Volkmarsdorf (Sachsen), der am Grabe eines Freundes eine kurze Gedächtnisrede gehalten chatte, ohne vorher den Geistlichen zu befragen, wurde von der Strafkammer wegen Störung einer gottesdienstlichen Handlung zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
Halle, 19. Jan. Bei der Fahrt über den gefrorenen Siss, n- See bei Eislebcn brachen gestern vier Gespanne aus Worws->ben ein. Nur ein Führer konmc gerettet werden.
— Die Trajekt-Anstalt in Bingerbrück hat gestern, den 19., laut telegraphischer Mitteilung des Eisganges wegen den Betrieb völlig eingestellt.
— Ans Aachen meldet unterm gestrigen ein Telegramm: Die englische Post von London ist ausgeblieben. Grund: ungünstige Witterung.
— In Lyon wurden von der Polizei in vergangener Nacht drei Ausländer verhaftet, die vor acht Tagen angekommen und unter dem Namen „Audemar lröroo" im Hotel Royal abgestiegen waren. Das Hotel ist bei der Kaserne Bissnel gelegen, wo sich das Bureau des Stabes befindet und ein Bataillon Jäger zu Fuß liegt. Ein Jäger, dessen Bekanntschaft die Fremden gemacht hatten, zeigte sie an und sagte aus, sie hätten ihm 2000 Franken geboten, wenn er ihnen ein neues Modellgewehr mit Patronen ausliefere. Die Polizei überraschte hierauf die Fremden in der Brauerei Fritz; aber einem der Fremden gelang es zu entkommen. Der zweite erklärte, er nenne sich Audemar Sydney und sei aus London gebürtig. Der dritte ist dessen Diener Charles Warletz. Die Untersuchung ist eingeleilet.
Paris, 20. Januar. Die Zeitung „Paris" behauptet, die in Lyon verhafteten Personen, welche einen französischen Soldaten znm Verkauf eines neuen Repetiergewehrs zu verleiten suchten, seien Deutsche, dieselben hätten sich fälschlich für Engländer aus- gegeben.
— In Konstantinopel wurde im Ministeriot ein Vertrag genehmigt, nach welchem die Wafsenfabrik Mauser in Oberndorf in Verbindung mit der Kommanditgesellschaft F. Löwe und Co. in Berlin der kaiserlich ottoman. Regierung 500 000 Mauser- Repetiergewehre und 50 000 Repetierkarabiner im Laufe der nächsten 3 bis 4 Jahre zu fertigen hat.
— Von amtlicher Stelle wurden die Redaktionen der Blätter in Wien ersucht, von nun an sich der Veröffentlichung sämtlicher auf Rüstnngsvorgänge, Truppenbewegungen und dergleichen bezüglichen Mitteilungen zu enthalten.
Der nächste Krieg.
Ei» höherer schweizerischer Offizier, Oberstlicntenant v. Elggern, schreibt in der Allgemeinen schweizerischen Miliiar- Zeilung unter anderem: Spätere Zeilen werken vielleicht dem 19 Jahrhundert nachsagen, daß es nicht nur durch seine großen Erfindungen alle Verhältnisse der Menschheit umgewälzt habe, sondern daß es auch das Jahrhundert der großen Kriege gewesen sei. Zu Anfang desselben schien der Gott der Schlachten seldst Mensch geworden zu sein, und noch lange hallte der Kanonendonner durch Europa, als ein Völkcrheer, das als unvergleichlich an Zahl und Kriegserfahrung galt, im Schnee des Nordens zu einer Handvoll zerlumpter und gebrochener Männer geworden war. Seit der Mitte des Jahrhunderts haben sechs große Kriege fast alle Kulturvölker erschüttert, und nun steht noch weit größere und schwerere Kampfcsnot über unserer Zukunft wie ein roter Nordlichtschein am nächtlichen Himmel. Von der Wucht künftiger Zusammenstöße zwischen den europäischen Großmächten können wir uns kaum ein Bild machen. Es werden wahrscheinlich Schlachten geschlagen werden, denen gegenüber selbst der Ruhm von Leipzig, Königgrätz und Sedan erbleichen muß. Die Zahl der Streiter wird alles übersteigen, was die Geschichte bisher aufzuweisen hatte. Es werden Heerschaarcn auftreten, die zu unterhalten vor Erfindung der Eisenbahnen unmöglich gewesen wäre. Wenn der Krieg einmal begonnen hat, vermag Niemand sein Ende und seine Folgen abzusehen. — Der riesige Umfang des bevorstehenden Krieges und die Höhe des Einsatzes sind geeignet, den verwegensten Staatsmann verzagt zu machen. Sie werden vielleicht Ursache, in der letzten Stunde seinen Ausbruch zu vertagen. Der Krieg, wenn auch in hohem Maße wahrscheinlich, steht doch nicht unmittelbar bevor. Es werden, soviel sich ermessen läßt, zum wenigsten noch einige Monate (und hoffentlich noch längere Zeit) vergehen, bis er zum Ausdruck kommt. Mag aber das Gewitter noch so verheerend niedergehen, es wird viel Zankes zerstören und erfrischend und belebend wirken. Allerdings viele Opfer, viele Leiden werden dem Volke nicht erspart werden. Auf die zahlreichen Festtage der letzten Jahre werden vielleicht ebenso viele Trauertage folgen. Es ist dies ein Ausgleich, welcher ducch den Kreislauf der Natur bedingt ist.