So möcht ich einstens auch vergehen,
Wie heul' die Sonne uutersinkl! — Noch glänzt ihr Strahl in lichten Höhen, Wenn auch ihr Volllicht nicht mehr blinkt: Sv wie der Strahl, der, wie Verspant, Tie dunkeln Abendwolken rötet Und sie mit Purpur übergießt,
So leuchtet auch des Mannes Streben, Der bieder war in seinem Leben,
Wenn ihn auch schon das Grab umschließt.
Und jene dunkle Wolkenschichte,
Die ihrem Strahl Vernichtung droht, Bekränze: loch in rosigem Lichte Der Scheidesonne lieblich' Not:
So sei das Herz in seinem Walten, Obgleich ihm feindliche Gestalten Viel Schmerz und Leiden zngesügt.. Vergessen soll cS und vergeben Der Feinde frevelvolles Streben, Auch wenn im Kampf es unterliegt.
G
Dann wird wie dieser heit're Abend,
So sckö» und mild, so sanft und rein, So süß erquickend und so labend Der Abend dieses Lebens sein,
Dann wird das Auge voll Entzücken Zurück ans das Vergang'ne blicken, Voll Ruh' in treu erfüllter Pflicht,
Und ohne Furcht und ohne Grauen Wird's in die dunkle Zuk> nst schauen, Wenn es dereinst ersterbend bricht.
WeLrrogene Wetvügerr.
Novellkttc von M. Hcim.
Nachdruck verboten.
5. Fortsetzung und Schluß.
„Mach Er nur auf, die Thür ist von außen verrieglt, schrie Ferdinand, aber Mine, die vor der Rache ihres Geliebten bebte, übcrzclertc ihn mit Jammergeschrei und hing sich immer fester an seinen Arm.
Ferdinand schleuderte sie wild von sich, und während der Großtnechl ihn mit wetteren Versprechungen, daß er ihm die Knochen zerschlagen wollte, hervorzulocken suchte lief er Sturm gegen die Thür, daß die eichenen Bohlen vom Anprall seiner Glieder trachten.
Felix war endlich durch die ganzen Tiefen des Heubodens gedrungen, Ins er dicht vor den Hilserufcnd.m stand, die sich ihm wohlbehalten gegenüberbefanden und großes Vergnügen an dem durch sie in Scene gesetzten Lärm zu finden schienen.
Die Knaben verstummten bei Felix's Anblick, und Fanny sagte athemschvpfend:
„Willkommen, mein Herr — also endlich! Und Ihr Freund, vermochte er es nicht über sich, sich etwas schneller als gewöhnlich in Bewegung zu setzen?"
„Es war also ein Scherz!" sagte Felix enttäuscht. „Und Ferdinand und ich hätten so gern unser Leben für Sie—"
„Sucht Herr Anion Schulze wirklich auch? Ach, so wollen wir ihn noch etwas in Athem erhallen. Helfen Sic mir rufen: Zu Hilfe! Zu Hilfe!"
Er rast eingeschlossen in einer Dachkammer, wo er, soviel ich sah, auch gut Gelegenheit haben könnte, ein weibliches Wesen zu retten."
„Hahaha!" lackte Fanny. „Zu Hilfe, Schulz, zu Hilfe!"
„Ferdinand, hier, Fer—di -nand!" stimmte Felix ein, und als sie dann das Toben des erzürnten Großkncchts hörten, versagte Beiden die Stimme vor Lachen.
Fanny stand dabei auf einem etwas erhöhten Platz an einem Luftloch und warf hin und wieder Blicke in's Freie.
„Wenn sich plötzlich jene Dachluke öffnete, und man Herrn Anton Schulz sich den Lüften anvertrancn sähe!" sprach sie, aber da zog ans einmal eine Nöthe über ihre Wangen, und sic vollendete den Satz nicht.
Sie sah so reizend ans in ihrer Erregung, mit dem verwirrten Haar, der etwas in Unordnung gerathenen Kleidung, daß Felix überwältigt vor ihr auf die Kniec sank.
„Nein, dcs Herzens sehnend Schlaget, länger halt ichs nicht zurück!" ries er mit Pathos, „lassen Sie mich doch endlich aus- , sprechen —" ' -
„Stehen Sie auf!" sprach Fanny in allerliebster Verwirrung. ! „Wie können Sie wagen—? Sie haben mich meine Angehörigen, l unS Alle hintergangen —" . !
„Doch nicht Sie? sprach er. sich erhebend, nicht weil sie es : ihm befohlen, sondern weil die Fettschicht unter seinen Knien zu rutschen begann. „Sie doch nicht?"
„Freilich. Wie konnte ich das Geheimniß ahnen, das mir dieser Brief enthüllt?"
Sic warf ihm ein Papier zu und war, ehe er sich noch von seinem Erstaunen erholen konnte, verschwunden.
Sein eigcncr Brief an Ferdinand. Sollte sie wirklich sich durch die Unterschrift haben irre führen lassen.
Und wem hatte er dann diesen neuen Querstrich zu verdanken? Wem anders als Feriinand, der das Papier im Besitz gehabt und cS Jenen in die Hand gespielt hatte!
Als Anton Schulze mittlerweile gefunden, daß er bei fortgesetzter Bemühung nicht mehr nötig haben werde, seine Knochen von dem empörten Collegcn zerschlagen zu lassen, hielt er erschöpft inne und sein verzweifelnder Blick irrle hilfesuchend in dem Raum umher, und nun kam, wie Fanny mit so großer Sehnsucht gewünscht hatte, die Dachluke an die Reihe. Ja, er Don Fernando, der Ritter des Pflegma, er wagte dein Sprung.
Schwindelnd, begleitet von einem Schrei oben, empfangen von unten, erreichte er den Erdboden. Oben bog sich Mine händeringend aus der Luke, unten hielt unmittelbar vor ihm ein stattlicher Reiter, der sich eben aus dem Sattel schwang und ihm lächelnd die Hand bot.
„Herr Hellmuth!" rief Ferdinand, und es durchrieselte ihn wie eine Ahnung der Wahrheit.
In diesem Moment trat Fanny aus dem Gebäude und eilte mit dem Ausruf: „Fritz, lieber Fritz!" auf den Ankömmling zu.
„Mein Cousin Friedrich Hellmuth — Herr — Anion Schulz, unser Kutscher — und hier (Felix war eben verwundert hinzu- gelreten) Herr Egbert, der Erzieher Deiner Stiefbrüder, Fritz!" stellte das junge Mädchen vor.
Die drei Herren Verbeugten sich mit ausdrucksvollem Schweigen.
Betrogene Betrüger. — Was bedarf cs noch weiterer Worte? daß sie cs waren, daß Fanny im Ernst nie daran denken würde, die Fesseln, die sie trug, lästig zu finden, das sehen sie ja an ihrem strahlenden Gesicht, während sie sich an den Arm ihres Verlobten hieng. Ja, sie konnte Herrn Hellmuth nicht einmal eine Beleidigung vorwerfen, die sie ihm nicht durch die seiner Gegenwart gemachten Schmähungen gegen den „schurkischen Cousin" im Voraus vergolten hätten.
In die etwas peinlichen Erörterungen kam wie eine Erlösung der Postbote, um Felix eine» Brief zu überreichen.
„Mein Vater hat in der Lotterie gewonnen, er bezahlt meine Schulden — hnrrah I" rief der junge Mann nach einem Blick auf daö Papier. Sie beschwören mich, heimzukommen, es soll ein großes Fest gefeiert werden. Nante, Bruderherz, Du begleitest!"
„Schon gut, aber das ist doch kein hinlänglicher Tros?', brummte Ferdinand.
„Mir fällt auch noch ein besserer ein und diesmal ist es Deine, Hinterlist, die ihn Dir verschafft. Sieh dieses Briefchen mit dem Du mich in Schwierigkeiten zu stürzen dachtest! — Sollte ein ähnliches der Grund der Ungnade Deiner Conisinc 'ein?"
Ferdinand schlug sich vor die Stirn. „Mag mehr als ein solch' Fetzen mit „Deine Frau" unterzeichnet in meinem Zimmer zurückgeblieben sein, als ich nach de» Osterferien abr iste.Du hast es errathen, Felicia! Dahcr auch ihre liebenswürdige Aeußer- ung, ich solle Gott danken, wenn sie mich nur im Stillen verachte und we u> Perfidie nicht den Andern verrathe. — Aller Junge, erst kon mst Du mit mir, daß Cousine Elsa „meine Frau" kennen lernt, und dann tanzt womöglich auf Eurem Feste ein neues Bractzpcar."
Herr Hellmuth und Fanny gratulierten, und Felix nahm die Gelegenheit wahr, zu zeige», daß er nicht bis in den Tod getroffen sei. Er lud sie übermütig ebenfalls zu Gaste.
E n d e.
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hoi man n in WilNbad.