Berlin, 14. Januar. Vrrsbiedene hiesige deutsh-freisinnige Zeitungen stellen für dic nächf en Ne chstagowahlcn Verichärst- Maßregeln gegen die sozicliftisck' Wah agiiation in 'luasickr. In der Eröffnungsrede det preußischen Landtags wird die kirchen­politische Vorlage angekündigt weroen; a ischeinend hoffe der Reichs­kanzler hiedurch das Zentrum des Reichstags für die Neuwahlen gefügiger machen zu können.

Germersheim, 12. J.,n. Gestern Nachmittag wrlctzte sich währe rd des Dienstes Herr Sekoude-Lientenant Croissani beim 2. Fnß-Artillerie-Regiment ii folge eines Sprunges von einer zur Uebung benützten Kanone derart, daß er sogleich mittelst Drotschkc in das hiesige Garnifons-Lazarcth unter-ebracht werden mußte. Ein am Sonntag Abend kurz vo: 8 Ul r von der hiesig-n Schiff­brücke aus in den Rhein gesprun;ener Mann ist ein Kanonier des hiesigen Bataillons deö K. Bayr. 0. Fuß Artillerie-Regiments. Der Selbstmörder ist erst am verflossenen H rbjr in Inesig r Garnison eingerückt und wäre demnächst wegen einem an einer alten Frau verübten NotznchtSvcrbrechen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen worden.

Altenbamberg, 13. Januar. Dieser Tage ereignete sich ein bedauernswerter Unglücksfach. Ein hiesiger Bürger war mit dem Anspannen seiner Pferde beschäftigt, welche bei der ungünstigen Witterung eine Zeit lang in dem Stalle gestanden und dadurch übermütig geworden waren. Plötzlich schlug das eine Pferd dem Beschäftigten derart gegen de» Kopf, daß er sofort blutüberströmt zusammcnsank und in die Bettstätte verbracht werden mußte. Es wurde sofort ein Arzt zur Stelle gerufen und nach dessen Kon­statierung ist, außer mehreren schweren Wunden, das eine Auge gänzlich verloren.

St. Ingbert, 13. Jan. Wie weit unsere Jugend auf dem Wege des Verderbens vorgeschritten ist, ersehen wir aus einem Bei­spiel, das eben hier gespielt hat. Zwei Schüler des 3. Schuljahrs wurden diese Woche beim Wurststehlei ertappt. Die Untersuch­ung stellte nun Folgendes heraus: Be- zwei hiesigen Mczgern hatten diese Bürschchen schon 21 Besuche gemacht und jedeSmal gestohlen. Sie hießen ganze Krc'nze vor Würsten, lang: Lioncr- Würste und sogar Schwrrtenm igen rülgehen. Die Diebstähle wurden recht raffiniert ausgeführ:. Der eine dieser Helden lief durch den Laden in das A mmer des MezgerS (so daß dieser nicht heraus brauchte) und fragte, ob es Wurstsuppe gäbe. Während dessen bängte der andere die Würste ab und lief davon. Hiernach wurde geteilt- Hoffentlich können diese jugendlichen Verbrecher in einer Besserungsanstalt wieder auf den rechten Weg zurückgebracht werden.

Medard, 12. Jan. Hier sicht bei einem Bauern eine Kuh, welche 18 Jahre alt ist und erst ein Kalb geworfen hat. Die Kuh gibt aber noch Milch und d r Baw r verkauft sein altes Erb­stück nicht.

Straßburg, 14. Januar. Die amtliche Landkszeitung publi­ziert einen Regierungs-Erlaß, wodurch der Aufenthalt französischer Militärs in de» Reichslanden beschränkt wird.

Hamburg, 13. Jan. Man meldet denHamburger Nach­richten" über Berlin: Die Nachricht über den Tod Lüderitz's be­stätigt sich nicht. Die Finna Lüderitz in Bremen ist nach einer heutigen Meldung an die Südwestafrikanische Gesellschaft der An­sicht, taß er entweder von den Eingeborenen festgehalten wird oder von einem Schiff aufgenommen ist.

Man schreibt: Mit welchen Schwierikciten gegenwärtig Reisende, die nach Jialien streben, zu k impfen haben, b weist der Umstand, daß die Gemahlin des K. F ügeladjutantcn Freiherrn Hilter v. Gärtringcn vorigen Fr-itag mit dem Gotlhardzug mit­tags 1 Uhr 42 Min. von Stuttgart abrc sie, infolge der durch die massenhaften Cchnecfalle herbeigeführter Verkehrsstörungen aber statt Samstag erst am Dienstag, nach dem inzwischen erfolgten Tod ihres Gatten, in Nizza cintraf.

Die ans mehr als 300 Studierenden bestehende theolog. Fakultät in Greisswalde hat in einer Sitzung einstimmig die Ab­sendung einer Petition an den Reichstag beschlossen, in der die Befreiung der Theologen vom Militärdienste als nicht verträglich mit den Standesinteressen hingestellt und gebeten wird, den dies­bezüglichen Antrag abznlehnen. Die Petition soll schnell an den Reichstag abgesandt werden.

Ans Davos. Davos hat jetzt 1300 Kurgäste, darunter 461 Deutsche, 350 Engländer, 136 Schweizer, 125 Holländer, 54 Franzosen und Belgier. Das deutsche Element ist also wieder herorragend stark vertreten.

Petersburg, 13. Jan. Ans Warschau telegraphirt man hier­her, daß die Militär-Verwaltung in Russisch-Polen Truppendislo- kationci! in großem Maßst-be vornimmt. Durch Wilna in Rus­sisch-Litauen sollen täglich zwei Militärzüge passieren.

Die Pforte beschloß den Ankauf von 150 000 deutschen Repetiergewchren.

New-Aork. 800 Schiffsauflader, welche am Chesapeake-Ohio- Kanal in Ncw-Port (Amerika) arbeitete» und die Arbeit einstcll- ten, verhinderten 3000 Arbeiter die Arbeiten fortznsetzen. Vier Kompagnien Milizlruppe» sind zur Wiederherstellung der Ruhe nah Newport entsandt.

Verschiedenes.

Fertig Feuerüach. Die mit obiger Aufschrift in einer der letzten Nr. des Neuen Tagbl. gebrachte Darstellung klingt unwahrscheinlich. Größeren Anspruch auf Glaubwürdigkeit hat nachstehende bekannte Auslegung: Bei Eröffnung des Eisenbahn­betriebs von Stuttgart nach Feuerbach machte bei den Passagieren die ungewohnte Schnelligkeit der Fahrt den Eindruck, daß kaum nach dem WortFertig" bei Abgang des Zugs in Stuttgart schon die Ankunft in Feuerbach mit Ausrufung der Station erfolge. ES unterliegt kaum einem Zweifel, daß daher das geflügelte WortFertig Feucrbach!" stammt und daß der trennende Gedankenstrich in diesem Falle die Fahrt zwischen Stuttgart und Fcuerbach bedeuten soll.

Wackerer Beamter. Ein Gerichtsvollzieher war von dem Wirt eines Hauses in der Bendlerstraßc in Berlin beauftragt, eine im vierten Stock des Hauses wohnende BaumeisterSwitwe wegen noch nicht bezahlter 15 -Ml auszutreiben. Der Gerichtsvollzieher fand jedoch in der von der Witwe und mehreren Kindern bewohn­ten Wohnung solches Elend vor, daß selbst sein von Amts wegen hartes und durch vielfache Erfahrungen gestähltes Herz gerührt wurde. Er gieng zum Wirt und zahlte, nachdem dieser ihm er­klärt hatte, die Wittwe könne nach Zahlung der 15 ^ wohnen bleiben, aus eigener Tasche die 15 so daß dic Witwe ihr be­scheidenes Heim nicht zu verlassen brauchte. Doch damit glaubte der wackere Mann noch nicht genug gethan zu haben, er wandte sich sofort an den Armcnvorsteher, dem die Witwe, dic sich ge­scheut hatte, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ganz unbekannt war. Und schon nach zwei Tagen herrschte in der kleinen Wohnung der Witwe Glück und Freude; Geld und anderweitige Unterstützungen waren eingegangen, und das alles verdanken die Glücklichen dem wackern Beamten.

Vor 25 Jahren zum Tode verurteilt. Im Jahre 1861 schoß der Tischler Vertucci in Forli einen seiner Kameraden, dem er abends auflauerte, meuchlings nieder, entkam aber glücklich nach dem Kirchenstaat, der dem zum Tode Verurteilten, wie so vielen andern Mördern, Dieben rc. ein Asyl bot. Nach der Occupation Roms gieng der Mörder, der sich inzwischen eine solide Existenz gegründet und sich verheiratet hatte, nach Pola, wo er bis heute ruhig und fleißig seinem Gewerbe nachgieng. Kein Mensch hatte in dem stillen, arbeitsamen Mann den Mörder von Forli geahnt, bis schließlich ein Zufall ihn der Gerechtigkeit überlieferte. Ber- tncci, der sich seiner Zeit dem Militärdienst entzogen, hatte un- vorsichtigerweisc ein Gnadengesuch an die italienische Regierung gerichtet, das ihn verriet. Der vor 25 Jahren zum Tode Ver­urteilte wurde von der österreichischen Behörde verhaftet und an Italien ausgeliefert.

Ein SensationS-Prozeß steht in Berlin für den künftigen Monat in Aussicht, und zwar gegen den Consul, der vor längerer Zeit verhaftet wurde, weil er 1,800,000 ^ unterschlagen und in anderthalb Jahren durchbracht hatte. Ganz bei gesunden Sin­nen scheint der Mann, wie dieVerl. Ztg." meint, nicht gewesen zu sein, wenn man hört, daß er sich eine Cigarre mit einem Tau­sendmarkschein anzüudete, seiner Geliebten ein Fußbad von Cham­pagner bereiten ließ und dergleichen mehr.

Einen schändlichen Streich spielte der Bergmann Melckior Ley aus Herthen dem katholischen Pfarrer und Dechanten Theis- sing in Recklingshausen. Er zeigte bitterlich weinend den Tod seines Kindes an und erhielt, als man über den Tag der Beerdi­gung übereingekommen war, zur Bezahlung des Sarges ein reiches Geldgeschenk. Als am bestimmten Tage der Pfarrer, Küster und Wcihwasserträger sich in Amtstracht bei der angegebenen Wohnung einfanden, erwies sich die ganze Geschichte als erfunden. Der Be­trüger wurde trotz des angenommenen falschen Namens ermittelt und vom Schöffengericht zu 70- Monaten Gefängnis verurteilt.