getrogene HLetrüger.

Novellette von M. Heim.

Nachdruck verboten.

4. Forschung.

Und bei dem allem noch nicht einmal die Genugthuung, daß Fanny seine Bemühungen anerkenne und billige. Daß sie an und sür sich lustigen Streichen nicht abgeneigt war, hatte er schnell ge­nug einsehen können. Vergieng doch keine Stunde, in der sie nicht durch ihr ausgelassenes Wesen die Tante zur Verzweiflung brachte. Hatte er ihr doch gleich am Tage nach seiner Ankunft Helsen müssen, ein langes überspanntes Gedicht zu machen, mit welchem sie einen besonders reizbaren Redakteur beglückte, indem sie ihm noch schrieb, sie gedenke ihn von nun an allwöchentlich mit einer ähnlichen oder längeren Sendung zu regulieren. Hatte sie ihn doch lestürmt, eine Heiraths-Aunonce in die Zeitung zu rücken und die cingelaufcncn Photographien, unter denen sich gewiß auch einige ihrer guten Freundinnen befinden würden, ihr zu schenken. Dem Unternehmen aber, das er ihr zu lehren gewagt, ließ sie keine Aufmunterung zu Teil werden. Und doch hatte sie sich, als er noch in jener Ballnacht versteckt darauf hingcwiesen, keineswegs ablehnend verhalten. Felix mußte annehmen, daß sie cs dem Freunde gegenüber ebenso gemacht labe, denn sonst hätte der fleg- matische Ferdinand sich schwerlich in so viele Unbequemlichkeiten gefunden. Jedenfalls schmeichelte ihr diese eigentümliche Bewegung und sie verhielt sich passiv, um abznwarlen, welcher der beiden Anbeter des Preises würdiger sei.

Allerdings hatte Felix die günstigere Situation ; aber daß ihm des Lebens ungemischte Freude so wenig wie jedem andern Sterb­lichen zu Teil werde, dafür sorgte Ferdinand. Wie oft fand der elegante Erzieher Ruß in seinem Handtuche, Wasser in seinen Lackstiefeln, eine glebrige Masse in seiner Waschschüssel. Als er sich vor Fräulein Fanny einst auf einer Gartenbank niedcrlassen wollte, sank er plötzlich ünfreiwillig zu ihren Füßen, weil die Stütze» des Sitzes durchgesägt waren, und als er sich ein anderes Mal bückte, um ihr einen Strauß zu pflücken, platzte die einge- schnittene Hose über scinem Kniee. Und für daS Alles keine Ge­legenheit zur Rache, er mußte denn das Bewußtsein dafür nehmen, daß Ferdinand seiner Nolle gemäß sich zu körperlichen Anstreng­ungen bequemen mußte, zu denen ihn sonst keine Macht der Welt vermocht hätte.

Aber auch Dein Tag sollte kommen, Felix, auch für Dich, Ferdinand, sollte die Stunde des Gerichtes schlagen!

ES war an einem heißen Erntetage. Die Dienstleute hielten in der etwas abseits von dem Gehöfte gelegenen Scheune ihre Mittagsruhe; nur der Kutscher lehnte einsam in der offenen Thür und richtete den finsteren Blick über die Felder nach der Gegend hin, wo heute Egbert mit seinen Schülern und Fräulein Fanny einen Spaziergang unternommen hatte.

Die herrschaftliche Familie später, und sie hatten daher keine Ursache, sich mit der Rückkehr zu beeile». Es sei den», daß die drohend am Himmel aufsteigeuden Wolken sie dazu be­wogen hätten. Aber offenbar hatte man nicht daran! geachtet, denn als die Spaziergänger in der Ferne sichtbar wurden, schier ein tüchtiges Ncgeubad bereits unvermeielich, und sie entgiengen dem­selben nur, indem sie den Raum b.s zur Scheune laufend durch­maßen und athemlos unter das schützende Dach traten, als die Schleusen des Himmels sich öffneten.

Ferdinand trat ein wenig zur Seite und Fanny nebst dem Erzieher stellten sich neben ihn auf die Schwelle.

Das junge Mädcken war bemüht, mit der Spitze ihres Son­nenschirmes, den Fluth'N, die sich in einer Vertiefung zu ihren Füßen stauten, einen Weg ins Freie zu bahnen, und Felix unter­stützte sie bei der nützlichen Arb nt mit seinem Spazierstöckchcn. Die vier Juncen standen umher und sahen eifrig zu.

So wogen und wallen auch di- Gefühle im eingeengten Menfchenherzen," sagte Felix dabei.

Können Sie ihnen nicht d e Freiheit verschaffen, fragte Fanny kokett.

Ich nicht, aber Sie können es."

Hiermit?" sprach sic unbefangen und richtete die benutzte Spitze ihres Schirmestiels gegen seine Brust.

Hiermit!" enigegnete er und sing ihre kleine Hand und hielt sie fest--

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Mein Herr, Sie vergessen Ihre Schüler!" rief sie stolz ihm ihre Rechte entziehend.

Geht, Kinder, spielt Versteckcns auf dem Heuboden!" befahl der Erzieher.

»Ich gehe mit Euch!" sagte Fanny, sich den Knaben an­schließend, die diesen Wink durchaus nicht unausgeführt lassen wollten.

Die Knechte und Mägde schlafen dort in irgend einem Win­kel," sprach Amon Schulze, stck räuspernd.

Und Sie halten Wache?" fragte Fanny eifrig, indem cs flüchtig um ihre zarten, schönen Lippen zuckte.Wir werden jene nicht stören.

Und behend kletterte sie, mit den Kindern in die Wette die Leiter.empor. Felix hielt sich für berufen, das Vergnügen zu beaufsichtigen, aber Ferdinand legte die schwere Hand auf seine Schulter.

Lflscn Sie den Jungen nur ihre Freiheit, Herr Lehrer," sagte er,und geruhen Sie ein paar Worte mit meiner Wenig­keit zu sprechen."

Es sollen leine angenehmen Worte für Dich sein!" rief Felix hettig werdend.Ich danke ergebenst, daß Du meine Kämme und Bürsten fortgenommen und meine Handschuhe zerschnitten hast, so daß ich beinahe genötigt gewesen wäre, unfrisiert und mit bloßen Händen auszugehen!"

Bitte, bitte, sehr gerne geschehen, soll mir bei nächster Ge­legenheit wieder nicht darauf ankommen. Aber wie ich sehe, armer Junge, hast Du in der Gunst unserer Dame noch keine sonderlichen Fortschritte gemacht"

Feuer! Feuer!" erscholl eine ängstliche Stimme auf dem Heuboden.

Di- beiden Freunde, die eben im Begriff waren, an einander zu gerathen, ließen sich loS und glctterten mit eineraffenartigen Geschwindigkeit" die Leiter hinauf.

Oben herrschte eine babylonische Verwirrung. Die Schläfer durch den Schreckensruf aus ihrer Ruhe aufgestört, liefen und schrieen wild durcheinander. Einige waren ungläubig und fragten, wo denn jetzt das Feuer Herkommen solle. Einige ragten wie er­starrt mit weitaufgerissenen Angen aus dem Heu, die meisten aber hatten sich mit Heugabeln und Stangen bewaffnet und zeigten sich fo bereit, dem Feuer auf den Leib zu rücken.

»Zu Hilfe, zu Hilfe!" rief Fannys Stimme tief im Hinter­gründe, undzu Hilfe, zu Hilfe!" brüllte dort auch der Chor der vier Brüder.

Ferdinand riß eine Thür auf, die nach der gefährdeten Rich­tung zu führen schic», kaum aber war er über die Schwelle in eine Art Kammer getreten, als die Thür hinter ihm zugeschlagen und von Felix eigenhändig eingeriegelt wurde.

Daß Fanny nicht dort war, hatte diesem ein schneller Blick gezeigt, und wenn der Freund da in Feuersgefahr kommen sollte, konnte ihm ein Sprung durch die Dachluke nicht schaden; er selbst aber stürmte weiter über Heuberge und Thäler.

Wie ein Rasender war Ferdinand in den abgeschlossenen Raum gesprungen und empfing eine weibliche Gestalt die sich ihm entzcguiwarst fest mit seinen Armen.

»Herr Du mein Gott!" rief eine Stimme, die zwar nicht Fanny, wohl aber dem Jungmädchen Mine angehörte,drücken

Sie Einen doch mcht gleich so-ist cs denn wehr mit dem

Feuer?"

Verdammt!" fluchte Ferdinand und wandte sich wieder zu­rück.Halloh, was heißt das! Die Thür verriegelt? Auf damit! Felix! Bist Du von Sinnen?"

»Zu Hilfe! zu Hilfe!" klang Fannys Stimme aus der Ent­fernung.Ferdinand, hierher!" rief auch Felix.

Der Eingekerkerte rieß mit den Kräften der Verzweiflung an der Thür, allein Mine hemmte seine Bestrebungen, indem sic sich gar zärt ich an ihn schmiegte und versicherte, er dürfe nicht gleich davonlaufen, sie sei nicht böse, daß er sie hier ausgesucht.

In diesem Moment donnerte es auch von außen an die Thür und die zornige Stimme des Großkncchts rief:Hier herein hat er sich geschlichen, der infame Kerl, ich Hab' es längst bemerkt, daß ihm die Dirne nicht gram war, aber ich schlag ihm alle Knochen im Leib: entzwei und ihr auch!"

Will Er aufmachcn, Er vermaledeiter Kerl!"

(Schluß folgt.)

ernhard Hnfmann in Wildbad.