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Dr«< «Md Berlag der Wildbader VerlagSdroSerei

Tchriftl.: Th. «ack, beide i« Wildbad.

Ni. 26t

Montsg, 17. November 1919

^sbrgemg SL

Wochenrundschatt.

Ter parlamentarische U n t ersn ch u n g s- !Us schuß ist mit den Vernehmungen noch nicht zu Ende jekommen. Ans dem Kreis von Fragen sind erst zwei Abschnitte erledigt, wenn man so sagen will. Ter eine ietrifst die F r^ied e n s v er m i tt l u n g Wilsons, der tndere die A n w"e n d u n g des Tauchboots. T as Er­gebnis der Vernehmung der Tiplomaten Bethmann Holl­oeg, Bernstorfs und Zimmermann zur ersten Frage war, iurz gesagt, daß der deutschen Regierung eine von Wi.ion m Spätherbst 1916 beabsichtigte Friedensvermittlung villkommen war. Sie fürchtete aber, daß durch die An- vendung des uneingeschränkten Tauchbootkriegs die Ver- nittlnng ungünstig beeinflußt werden könnte und deshalb sichte sie ihn möglichst zu-vermeiden, was ihr aber nicht gelang, da der Admiralstab, die Oberste Heeresleitung, Volk und Reichstag den Tauchbootkrieg verlangten. Der wutschen Regierung stiegen überdies Zweifel auß ob das verbieten Wilsons auch ehrlich gemeint sei oder ob :r nicht die geheime Absicht habe, den Tauchbootkrieg unter einem Vorwand abzuwenden, da er, ivie der ameri­kanische Admiral Sims behauptete, tatsächlich die Nie­serlage Englands herbeigesührt hätte. Daher machte die seutsche Regierung auch, von sich aus ein Friedens- mgebot, ohne daß dadurch, wie Bethmann Hollwcg nach lvies, Wilsons Plan durchkreuzt worden wäre, was natür­lich auch nicht die Absicht war.

Daran reihte sich nun die Vernehmung der Marine­sachverständigen Staatssekretär a. D. Capelle, Ad­miral Koch, Kapital! Brüning Haus und Kapitän V artend ach. Ihre Aussagen lassen sich dahin zusam­menfassen: Ter uneingeschränkte Tauchboot.rirg sei eine militärische Notwendigkeit gewesen und er habe vom militärischen Standpunkt den Erwartungen vol ans ent­sprochen. Wenn er trotzdem nicht mehr die rasche Ent- Sung bringen konnte, so lag das daran, daß der Tauch­bootkrieg um ein volles Jahr zu spät eingesetzt worden sei, obgleich er mit den vorhandenen Mitteln hätte zefnhrt werden können, sodaß die Engländer Zeit Minden, sich mit Abwehrmitteln ausznrüsten, die sie bis Rrhin nicht besaßen. Trotzdem seien vom Februar bis Oktober 1917 mindestens 7 917 500 Tonnen Handelsschisse sersenkt worden, während der Verlust an Tauchbooten in den- 9 Monaten nur 49 betrug. Durchschnittlich seien 125 Tauchboote in jedem Monat an der Front gewesen. Im ganzen seien 497 Tauchboote in Bau gegeben worden. Tie Feinde seien durch die Tauchboote so schwer geschädigt norden, daß Lloyd. George und Poincare sich an- schickien, nach Ro»Mu reisen, um die Vermittluna eines Verständigungsfriedens anznbahnen. Da sei imrch Verrat die vertrauliche Denkschrift des Grafen Lzernin an den Kaiser Karl über die bedenkliche Lage Oesterreich-Ungarns zur Kenntnis Lloyd Georges ge­langt und nun haben die Feinde auf die Fortsetzung Ses Kriegs bis zum äußersten gedrungen.

Staatssekretär a. D. Helfferich betonte in seiner Nussage, das deutsche Volk habe die Unaufrichtigkeit und Kslschheit in Amerika wohl gekannt. Tie Reichstem lung sei sich klar darüber..gewesen, was der Eintritt Ame­rikas in den Krieg bedeuten würde und daß Deutsch­land verloren wäre, wenn der Tauchbootkrieg, nicht ge­lingen würde. Ter Reichstag habe aber die Ent­scheidung über den Tauchbootkrieg in die Hände der Obersten Heeresleitung gelegt und den Reichskanzler vor Ser politischen Verantwortung für diese Entscheidung ent­lastet. Schon am 1. April 1916 habe Bernstorff ans Washington telegraphiert, Wilson wolle den Frieden ver­mitteln. Aber Monat um Monat verging und Wilson lat nichts. Auf die fortgesetzten Fragen an Bernstorff lei niemals eine bestimmte Antwort gekommen. Ta habe sich der Kaiser auf euren Vortrag Bethmann Hollwegs elber zu dem hochherzigen Friedensangebot vom 12. Tezember 1916 entschlossen, nachdem Rumänien nieder- zerungen war. Endlich kam auch die Botschaft Wil­sons, aber hinter der Botschaft vom 22. Januar 1917 jeigte sich bereits das Gesicht des Wilson von Versailles.

Am Donnerstag hielt der Untersuchungsausschuß eine geheime Sitzung ab. Tags zuvor war Generalfeldmar- «hall von Hin den bürg von Hannover in Berlin iingetroffen. Man hatte ihm einen Salonwagen geschickt, n dem er mit einem Güterzug die Reise machte. End­lich langte er doch glücklich in der Rcichshauptstadt m und er wurde von einer großen Menschenmenge

reudig begrüßt. Ter bekannte Oberst R e i n h ardt hatte > um Empfang eine Ehrenkompanie des Reinhardt-Regi- ! nents am Bahnhof aufgestellt. Dazu hatte er a.wrdings i einen Auftrag und kein Recht und er brkam dafür dnrry ! >ieDeutsche Allgemeine Zeitung" einen kräftigen Ver- ^ veis. Hindenburg selbst hatte die Ehrung jedenfalls licht erwartet, vielleicht, war sie ihm sogar peinlich, >enn er kam im schlichten Zivil. Aber schließlich ist mch Hindenburg in Zivil nicht irgendwer und so wird nan eben wohl fünfe gerad sein lassen. Es sind ja wich- igere Sorgen genug da. So hat die Reichsregierung eine ^ote au die Verbündeten gerichtet, um die Freigabe >er Kriegsgefangenen zu verlangen. Eine Ant­wort kam brs zetzt nicht, wenn nicht etwa das die Antwort sein sollte, daß Frankreich einige Züge mit Gefangenen, die auf dem Wege nach Deutschland waren, ohne jede Angabe des Grundes anhalten und die Gefangenen in die Lager zurückbringen ließ. Auf die unerhörten neuen Auf­lagen der Feinde wegen angeblicher Nichterfüllung der Wassenstillstandsbedingungen Herausgabe von 400 000 Tonnen Schwimmdocks usw. hat sich die deutsche Re­gierung, so viel bekannt ist, noch keinen Beschluß ge­faßt, ob sie die Forderungen annehmen oder ablehnen will, dagegen hat,sie nicht weniger als 3000 Punkte namhasi gemacht, wo'die Verbündeten die Wasfenstill- standSvcdingsingen nicht cing.yttren od r ab ichrsich ver­letzt haben. Aber was will das besagen ? Wer die Macht hat, hat das Recht und ein einziges Splitterchen auf deutscher Seite wiegt auf der Schuldwage schwerer als 3000 Balken des Verbands. Man könnte es für lächerlich halten, wenn Frankreich verbietet, daß deutsche Knaben im Turnunterricht im gleichen Schritt und Tritt oder in. Viererreihen wie die Soldaten gehen, damit kein Flink-,

' chen vonMilitarismus" mehr in ihnen bleibe. Aber die Sache hat eine sehr-ernste Seite. Deutschland soll in Was enstillslands- und F iede sbedi gungei o en v r- strickt werden, daß auch ans den harmlosesten Kleinig­keitenUcbertretungen" undVerletzungen" znrechtge- macht werden können, die fortdauernd zu neuen Strafen und Entschädigungen dievertragsmäßige" Handhabe bie­ten. Wo in aller Welt, ist so etwas schon dagewesen? Wir haben aus diese planmäßige. Marter mit ihren un­absehbaren Folgerungen' schon os; hingcwi s n: dieun­bestimmten Bestimmungen" des Waffenstillstands- und Friedensvertrags sind die schlimmsten, denn sie werden ins Endlose gedehnt werden. Das hat man In Deutsch­land viel zu wenig bedacht und bedenkt es heute noch lange nicht genug. Aber es wird uns noch, je länger je mehr, zum Bewußtsein gebracht werden.

Un'ere Kriegsgefangenen fangen in ihrer .trostlosen Lage an, zur S el b st hi l f e'zu schrettn. So wurde aus England berichtet, daß die Gefangenen des Lagers Handforth sich entschlossen haben, aus eigene Ko­sten holländische Schiffe zur Heimreise zu mieten, in der Hoffnung, daß die denttche Regierung nichts dagegen einznwenden haben und ihre Bemühungen in Holland ' unterstützen werde. Vom englischen Hauptynarsier war nämlich den Gesungenen milgettilt worden, Deutschland könne nicht genügend Schiffe zur Abholung der Kriegs­gefangenen stellen; an Weihnachten werden noch nicht alle Gefangenen zu Hanse sein. Demnach liegt auch den Engländern trotz ihrer großmütigen Versprechungen gar nichts an der baldigen Befreiung der Geangenen.

Tie deutsche Valuta hat einen so ernsten Cha­rakter angenommen, daß sich in der vergangenen Woche fast alle Blätter mit ihr beschäftigen mußten. Tie Hoff­nung, daß sie von ihrem Tiefstand vor etwa 6 Wo­chen sich wieder erholen werde, wurde geläuscht; enttäuscht sind vor allem diejenigen, die glaubten, das Ausland werde uns zu Hilfe kommen, um die Reichsmark wieder auf einen halbwegs er räglichen' Kurs zu bringen. Ein schweizerischer Grosbanlier hal neu ich offenbar im Sinne der schweizerischen Negierung gesprochen, wenn er er­klärte, die Schweiz werde sich an einer etwaigen Hilfe­leistung der Staaten nicht beteiligen. Tenksch.and müsse sich selber helfen und den fabelhaften Umlauf deutschen Papiergelds etwa 80 Milliarden, wovon 1617 Milliarden im Ausland durch eine Zwangs an­lei he eindämmcn. Tie Schweiz werde zwar diejenigen Kredite, die durch deut'che Großbanken verbürgt seien, . nicht kündigen, io' ge die Zinsen pünktlich gezahlt werden, dagegen seien alle Krebste auf Grund hinterlegter deutscher Wertpapiere, besonders der Kriegsan eihen, fast olln?me.in aeknndiat worden. Man glaube übrigens, daß

die" Reichsmark sich auf dem Kurs von 15 oder wenig­stens lO Rappen für die nächsten Monate werde halten können. Zehn Rappen, das sind 8 Pfennig statt 100. De Reichsmark würde also auf weniger als den zwölften Teil, ihres Friedenswerts gesunken sein. Das übrige Ausland, besonders das feindliche,' hat auch kein Interesse daran, uns jetzt schon beiznspringen; es macht zurzeit noch glänzende Geschäfte, indem es unsere besten wirt­schaftlichen Anlagen entweder unmittelbar aufkauft, oder durch Erwerb des Hauptteils der Aktien an sich bringt. Für das Ausland verschlägt es wenig, wenn die Börsen­papiere um 100 oder mehr Prozent in die Höhe getrieben oder wenn Objekte um 200 Prozent im Preise steigen. Ob ein ausländischer Kapitalist oder einFinanzkonsor- tium" 8 oder 16 oder 32 Pfennig bezahlt, wo der Preis 100 Pfennig sein müßte, das spielt keine Rolle. Es wird wacker aufgekaustt und nicht nur Bergwerke, Fabriken. Hotels, Wälder usw. wandern so in fremden Besitz, son­dern neuerdings auch große Landgüter, wie z. B. der eng­lische Herzog von Connaught ein 5000 preuß. Morgev großes Gut in Posen gekauft hat. Eine bessere Gelegen­heit zu gewinnbringenden Kapitalanlagen, als Deutsch­land sie gegenwärtig bietet, könnte die fremde Finanz gai nicht finden und mit Kriegssteuern, Vermögensabgabe» usw. wird sie nicht behelligt, dafür sorgen die 1001 Auf sichtskommissionen, die es sich in Deutschland ans deutsch Kosten wohl sein lassen. Darum ist es Luch von den be rühmtenHilfsaktionen", von denen vor einiger Zei in vielen Blätter so viel die Rede war, ganz still ge worden. Wenn die deutsche Zitrone erst so vollständi ansgepreßt ist, wie die österreichische, dann mag es wo! sein, daß- man sich der zugesagtenKreditanleihen" wie der erinnert, vorher wohl kaum.

Taß es den Deutschen noch viel zu gut gehe, ist be kanntlich eine im Ausland weitverbreitete Meinung, un wenn mehr als 100000 Metallarbeiter in Berlin si, einen sechswöchigen Streik leisten können, wo die Reicht schulden demnächst die Höhe von 212 Milliarden erweist haben werden, so kann das nur die Folge haben, daß d- s,'ir di? dent'ckie Val"ta noch weiter hinaus geschoben wird und daß die deutsche Valuta noch tveite sinkt. Tie Börsenspekulanten in Amsterdam rechnen setz schon mit einem Stand von 5 Centen (7,9 Pfennig) die Mark. Wie man sieht, haben auch die ausländische: Börsen aus geschäftlichen Gründen ein Interesse daran die deutsche Valuta vorerst noch möglichst herabzudrückei und sie werden,, da sie um Scheingründe nie verlege» sind, geltend machen, daß durch den Berliner Streik, dy mit einer-Niederlage der Streikenden endigte, allein 8! Millionen an Arbeitslöhnen verloren sind und das^ de Gesamtverlust für die deutsche Volkswirtschaft mindesten! das Deifache beträgt. Die Neuyorker Finanzgrößer ließen wissen, daß sie für ein Volk, in demgefanlenztt werde, kein Geld haben. Sie meinten die Streiks uch die Erwerbslosenunterstützung im Deutschen Reich.

Man kann es ja am Ende verstehen, wenn die Sattei und doch Unersättlichen in Amerika auf die Streiks

schlecht zu sprechen sind, hat doch ein gewaltiger Strei

von über 400000 Bergarbeitern selbst das anscheinend p festgefügte amerikanische Wirtschaftsleben so stark erschüt tert, daß die Anfuhr von Kohlen verboten Werder

mußte, sonst-wären die Vereinigten Staaten vielleicht ir eine europäische Kohlenkatastrophe gestürzt worden. Te Hafenarbeiterstreik in Nenyork hat den Seehande! über­dies zum größten Teil lahmgelegt. Das Großkapita

hat dabei natürlich empfindlichen Schaden gehabt, aber e- wird jetzt, nachdem auch der amerikanische Bergarbeiter streik infolge der rücksichtslosen Einsetzung der voller Staatsgewalt gegen den Streik znsammengebrochen ist seine Macht umso mehr fühlen lassen trotz der Inter nationalen Arbeitskonferenz, die in Washington tagt

Tie Niederlage der amerikanischen Bergarbeiter is mindestens beschleunigt worden durch die Nachricht vor der Entdeckung einer allgemeinen Vers ch w ö r ung, di von der bolschewistischen Regierung in Moskau ausgirn und die am .Geburtstag der russischen kommunistischer Revolution am 7. November in einer Reih? von Ländern darunter auch Deutschland, durch einen Wohlvorbereitetei Handstreich in die Errichtung der Diktatur des Proleta riats ausmünden scllte. Tie englische Polizei soll der Plan entdeckt, haben; sie warnte die betreffenden Staa ten und am 7. November war alles gegen den Putsä gerüstet. In Amerika wurden 2500 Agitatoren, meis Fremde, verhaftet und die öffentliche Meinung war wijf mit einem Schlag gegen die Streikenden gerichtet, da mar