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Dr«S «ud Verlag der Wildbader VerlagSdrackerei Schrift!.: Th. Sack, beide i« Wildbad«

Nn. 253

k'reitsg, 7. November 1919

Iskrgsng 53

Die Sszialisierungskoii«miffior<.

In einer Sitzung am 88. Oktober hat sich der Unter­ausschuß oer Württ.' Sozialisierungskommission mit der Sied l u n g s f r a g e, insbesondere mit der Durchführung )es Reichsgesetzcs über Siedlungen vom 11. August 1910 iefaßt. Ter Vorsitzende berichtete über die von der württ. Regierung geplanten Maßnahmen zur Durchführung des Gesetzes: Hinsicht.ich der Staatsdomäne n soll künf­tig nach Ablauf des Pachtvertrags untersucht werden, ib sie sich für Siedlungen eignet. Tie Regierung beabsich­tigt, durch Einräumung eines weitgehenden Vorkaufsrechts an das Siedlungsunternehmen, das schon bei Grundstücken wn 1 Hektar einsetzen soll, nach Möglichkeit Siedlungs- iand bereit zu stellen. In Württemberg kommen in der Hauptsache nur Einzelsiedlnngen in Frage. Dagegen kommt der Land Zuteilung zum Zweck der Vergrö­ßerung der Besitze, insbesondere bei den kleinen Bauern, große Bedeutung zu.

Bei' der Knappheit an.Phosphorsänre und wegen ser Ueberteuerung und der Knappheit an Baustoffen kommt eine Besiedelung von Moor- und Oedland zurzeit nicht in Frage. Besonders begrüßt wurde der Z 16 des Gesetzes, der einen Zwang zu intensiver Bewirt­schaftung bringt und die Möglichkeit schafft, daß ins­besondere den Nichtlandwirtcn, die ihre Kriegsgewinne in Gütern angekegt haben, diese genommen werden können, um sie einer rationellen Bewirtschaftung znzufühcen. Be­züglich der Sozialisierung der Ai d ei ko m miss e wur­de beschlossen, das von derBereinigung der Fideikommiss-' gemeinden" eingereichte Material durch zwei Berichterstat­ter umarbeiten zu lassen, die das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchung in der nächsten Sitzung vorlegen wer­den. Zu dieser Ätzung sollen die Vertreter der Fidei- kommißbesitzer und der'Fideikommißgcmeinden zog'zogen

werden. --

' Neuerung und Bauernstand.

Stuttgart 4. Nov.

' Ter Württ. Landesbauernrat hatte ' heule Bauern aus dem ganzen Land nach Stuttaa - zusammenberufen, um .zu den Fragen der Z w ann irtschast und des Schleichhandels Stell::»' zu nehmen. Tie Tagung fand im Bürgermuseum st ,c. Es waren Vertreter sämtli­cher Ministerien und Behörden anwesend, zum Teil die Minister selbst, so Staatspräsident Blos, Ernährungs­minister Graf, Justizminister Bolz, s Ter Vorsitzende hes Württ. Landesbanen: ats, Guts­pächter S ch i e l e-Wurzach crössnete die Versammlung. .Er führte aus,: Tie Regierung null gegen Wucher und Scknebertnm mit dem Bauern gemeinsam Vorgehen, die un­ter dieser Plage ebenso leiden. Schleichhänd ler, Wuche­rer und Hamsterer bilden die größte Gefahr für unsere Volksernährung. Ter Bauer muß restlos abliefe::: und dem Schleichhändler die Türe weisen. Aber die Regierung hat Wucher- und Schiesertum se.bst begünstigt, dadurch, daß sie die Preise unten hielt. Die Bauern verlangen Abbau der Zwangswirtschaft, aber auch Abbau der Er- werbslosenunierstützung. Tie Bauern verlangen schärf­stes Vorgehen gegen Wucher und Schleichhandel. Tie Regierung muß'Tatkraft zeigen; nur eine starke Regie­rung wird einen starken Bauernstand zur Seite haben.

Ter Geschäftsführer des Landesbanernrats, Landwirt B r ä u n i n g e r-Saulgan, sprach sodann überZwangs- wirtschast und Schleichhandel". Tie Regierung war immer bestrebt, die Preise für die Landwirtschaft niederznhaltcn, denn die Landwirtschaft war einNebel". Heute hängt aber das Wohl und Wehe des Volks von der Landwirt­schaft ab. Das konsumierende Publi'um ruft nach Ab­bau der Lebensmittelpreise; solange aber die Tünger- preise und die Erzeugnngskost ' ich dauernd steigern, kan» davon keine Rede sein. Ter ^auer will keine Höchstpreise und keine Mindestpreise, sondern B - odnktions - preise. Alle Berussstände sollen gl.ich behände t wer­den. Das ist rechte Sozialisierung Neben dem Schleich­handel ist die Hamsterplage zu bctämpsen. Der Schleich­handel setzt am Bauernhof ein, aber auch noch am Kom­munalverband wird vielfach, selbst von Beamten, Schleich­handel im Großen betrieben. Ein Drittel unseres Ge­treides wird verschoben, die Hälfte unseres Viehs wird schwarzgeschlachtet. Wenn es noch zwei Monate so wei­ter geht, sind wir mit unserem Getreide fertig. Ter Bauer aber hat die Suppe auszuessen, die ganze Wut der Be­völkerung wird er zu tragen haben. Darum gelt für den Bauern nur eine Losung: Rechtmäßig aklieferu!

Regierung iwa! Tr. Springer von der Landesgc-

trcide und F-eischversorgungsstelle führte aus: «o.angc unsere Valuta so nieder steht, ist es nicht mög-ich, genügend . Lebensmittel einznsühreu; solange kann die Zwangswirt- ' schaft nicht aufgehoben werden. Tie Ernte au Brot­getreide im Reich betragt 7Hst Millionen Tonnen; um aber die gegcnwärlige RatRniecnng aufrecht zu erhalten, bedürfen wir 10 Millionen Tonnen. Beim Fleisch ist es ähnlich, obwohl Württemberg in ver Flei chversorgung Ueberschnßgebiet ist. Während wie bei Getreide in Würt­temberg einen Reichszwchnß von 640 000 Tztr. im Vor­jahr bedurften, wird er sich Heuer erhöhen. Im Reich besteht vielerorts Fleischmauge.; auch in ein'gen Bezir­ken unseres Landes kann die Rationierung nickst aufgebracht werden. Schon aus diesen Gründe!: kann die Zwangs­wirtschaft nickst aufgehoben werden. Tie Vorräte der Reichs- und LandesstRlen sind bedeutend geringer als im ^ Vorjahr. Ende September war kann: ein Fünftel des i Vorrats beisammen, der in: Vorjahr um diese Zeit ange­liefert war. Es ist nicht so, daß die Regierung von An­fang an-die Preise in der Landwirtschaft zurückgehalten hat. (Starker Widerspruch.) Es werden Licfernngsprä- mien gegeben, dann kann inan auch verlangen, daß die Liefernngspflicht, erfüllt wird. Es liegt an den Bauern, daß es besser wird! (Zurufe: An der Regierung!) Wir Halten die öffentliche Bewirtschaftung nur solange ans­recht, als es sein muß.

Regierungsrat Eckert vou der Landesversorgunas­stelle: Tie M ilch a nl ie fe run g in die Städte ha! einen Tiefstand erreicht, daß es bald nicht mehr möglich ! ist, die Versvrgnngsbercchtigten (Kinder bis zum 6. Jahre, Kranke, stillende Frauen) zu bedienen. Stuttgart hat tag- , lieh keine 40000 Liter gegen 150000 Liter im Frieden. Schuld^ daran ist .auch, daß es au gutem Willen fehlt. I (Widerspruch, Zuruf: Preispolink.) Eint Aushebung ver i Zwangswirtschaft für Milch und. Fett kommt nicht in Frage, es legt sich der Gedanke der Erfassung der Misch. durch Milchabsatzaenossenschaflen nahe, da der Zwangs- ; ans'chluß an Molkereien sich als gutes Mittel erwiesen hat, s bessere Ablieferung zu erreichen. Tie E i e r bewirtschaft i tnng wurde in Württemberg, Baden und Bayern nicht s aufgehoben und das war gut; es wurden 29 Millionen! Stuck Eier aufgebracht (Soll: 36 Millionen), so daß i auf den Kops 18 bis 20 Stück zum Preis von 27 ! bis 33 Pfennig ausgegeben werden konnten. Ob die Eierbewirtschaftung im nächsten Jahr frei wird, darüber schweben Verhandlungen mit Bayern und Baden. Beim Butter ist die Lage ernst, Württemberg bedarf monatlich 35 000 Zentner. Tie Regierung hat gegen die Zucker- Verwertung in der: Marmeladefabriken Einspruch erhoben, ist aber beim Reich nicht durchgedrungen. Doch wird Heuer nur ein Drittel der Marmelade des Vorjahrs pro­duziert. Tie Preise für Zuckerrüben stimmen freilich mehl mit anderen gleichwertigen Prodnkeen überein (Kohl­rüben 8 Mk., Zuckerrüben 4 Mk.). Bei der Obstversorgung war cs recht eigentümlich. (Große Heiterkeit.) Tie Re­gierung mußte, als die Gefahr drohte, daß alles Obst außer Landes wandre, eiuschreiten durch eine Verkehrs­regelung.- Ohne weiteres Eingreifen wäre es nicht mög­lich gewesen, den Organisationen und Verbranchcrkreisen Mostobst zu normalen Preisen zu verschaffen. Wider Wil­len mußte die Pegiernng die Sperre über 17 Bezirke ver­hängen. Tie Sperre ist jetzt wieder aufgehoben. (Hei­terkeit.)

Negierungsrat Manz von der Landeskartosfelstelle: , Wer haben in Württemberg Heuer nur eine bescheidene Mit- !

Kartoffeln. Tie Anbaufläche ist von ! 64c>00 auf 60000 Hektar zurnckgegangen. Als Zuschuß ! brauchen wir 1 Million Zentner ans Hessen, Bayern ! und Prenpen, die uns von der Reichsstelle zngewiesen ! wurden. Bayern wird die 200 000 Zentner, die es lie- s fern soll, nicht an bringen. Preußen ist lieiernnaswillig i trotz der eigenen großen Schwierigkeiten. Es ist nnge- i recht, über Prenß-m zu schimvfen. wo es doch im Kohl- rabenwinter l9l6/17 mit 750000 Ztr. Kartoffeln ans- ! half. Stuttgart venngte an: 25. Oktober erst über 130 000 ; Ztr., a.igesordert sind rund 1 Milston Zentner. So- s' lange nicht genügend Speisekart ü'eO: da und, muß ein Brennverbot ejngejnhet werden. Ter Kartosfelprcis ist an- / gemessen, gegenüber dem Frieden besteht ein Zuschlag e schlag von ungefähr 400 Prozent. ' I

Amtsrichter Laue r vom Kriegswnchcramt entwickelt ein ! Bild der Tätigkeit des Kricgswucheramts, das mit seinen , 180200 Personen gegen Schieber und Schleichhändler tätig ist und im Oktober 190 Ztr. Fleisch und 108 Ztr. Getreide durch BessbRonabme anibrack'te.

Ernährungsminister Graf: Ter alte Jnteressen- standpunkt muß znrücktrcten. Erzeuger wie Verbraucher müssen den goldenen Mittelweg gehen- «Tie Verstimmung der Landwirie führe ich daraus zurück, daß sie das Emp­finden hat, daß man ihr gegenüber nur von Pflichten sprach. Wären wir nicht so stark an die Maßnahmen des Reichs gebunden, so wäre manches besser bei uns. Ter württ. Landtag und die württ. Regierung sind auf dem Standpunkt, daß die Preise die Selbstkosten decken rnüft-, um, auch soll der Erzeuger einen angemessenen Unter­nehmergewinn baben. Auch in der Frage des Zucker- rnüenpreises will ich helfend und bessernd eingreifen. Ich möchte Sie bitten, mit der Ablieferung ja nicht zurück-, Anhalten, Wenn der Hunger einmal anftritt, dann ma­chen die Kreise nicht an den Mauern der Städte, Galt. Bei der Obstvvrsorgnng ist das WortEisenbahn^ ge­fallen, Tie Obstsperre wird ansgehoben, irgendwelche Bevorzugung einer Bevölkernngssehicht werde ich nicht anerkennen. >

Hierauf trat inan in die Anssprache ein, bei der eine große Zahl Landwirte zun: Wort kam, Tie vor­gebrachten Wünsche erstreckten sich vor allem auf eine gerechte höhere Bezahlung der Erzeugnisse in der Land­wirtschaft, die im Einklang mit den gesteigerten Pro­duktionskosten zi: bringen ist. Vor allem wurde dann gefordert, Hebung des Fntrermittelbans durch Zufuhr von Kunstdünger, Auch Staatspräsident Blos wurde durch die Ansjnhnmgen des Landwirts Sprecher-Beltersrot, der gegen die Sozialdemokratie scharf Stellung genommen Halle, und die Regierung beschuldigte, daß sie Agitatoren draußen im Lande dulde, die das Dienstpersonal anshetzen, zur Aenßernng veranlaßt. Er führte u. a. aus: Tie Re­gierung sei bemühe, geordnete Verheil nisse herznstellen. Er könne die Versicherung geben, daß er auf dem Stand­punkt des goldenen Mittelwegs stehe. Wenn die Bauern nicht genügend im Parlament vertreten seien, so liege es an ihnen selbst. Man müsse den Weg zur Verständigung finden, nur dann kommen wir zur Gesundung des Ganzen. An: Schluß der Tagung wurde in einer Entschließung ausgesprochen, daß in der Versammlung, bei der Ver­treter des württ. Bauernstands mit der Regierung un­mittelbar in Füylung sind, der erste Schritt erblickt wird .-,ur lnnfligen besseren Verständigung zwischen Regierung und BauernstandTdEs wird gefordert, daß die Regierung ich nun mit den berufenen Vertretern der Landwirtschaft - Bnwhmen setze, um über die Lekämvsnng besSchleich- ^ ^"n Abbau der Zwangswirtschaft zu beraten.

- Baden, s-

(-) Karlsruhe, 5. Nov. Infolge Einstellung des Betriebs der elektrischen Straßenbahn können Telegramme nur mit Verzögerung zugestellt werden. Um alle Be­stellmöglichkeiten auszunutzen, werden auch Briefträger auf ihren Bestellgängen Telegramme anstragen.

(-) Karlsruhe, 5. Nov. Tie Zusammenkunft des Laildcsausschnsscs der Deutschen demokratischen Partei in Baden ist wegen der Verkchrssperre bis auf weiteres ver­schoben worden.

(-) Mannheim, 5. Nov. Ein Kriminalbeamter fand bei einem Kaufmann aus Germersheim, den er hier in einem Hotel festnahm, ein interessantes Notizbuch. Es enthielt eine Liste großer Mengen französischer Schie- bcrwarei: mit Preis und Firma in stenographischer Schrift. Es ergab sich daraus, daß die Franzosen schon lange vor Unterzeichnung des Friedensvertrags Handelsbeziehungen nach Tcutschland angeknüpft haben, weil sie bei dem schlechten Stand unserer Valuta dabei gute Geschäfte ma­chen. In den: Notizbuch fanden sich u. a. alsan die Hand gegeben" Kaffee im Wert von 750000 Mk., drei Eisenbahnwagen Speck, Kolonialwaren, Automobilreifen nsw. Tie Waren wurden an andere Schieber weiter- gegeben.

(-) Mannheim, 5. Nov. Ter 20jährige Hilfsarbei­ter Jakob Meier beleidigte nach den: Juliputsch einen jugendlichen Soldaten der Reichswehr durch Schimpf- Worte. Tas Schöffengericht verurteilte den Meier zu 2 Wochei: Gefäugnis. Tas' Urteil soll auf sein?' Koste:: in bei: hiesigen Zeitungen veröffentlicht werden.

(--) Brennbach b Wertheim, 5. Nov. Auf der Tau- bcrtalbahu wurde die ledige Tienstmagd Mathilde Oehlen- bach von Hochhausei: beim vorzeitigen Ausstcigen über-' fahre:: und getötet.

(-) Dffenbnrg, 5. Nov. Gegen die beabsichtigte

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