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Schrift!.: Th. Gack, beide in Wildbad.

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Nr. 226

Montsg, äen 6. Oktober' 1Z19

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Deutsche Nationalversammlung.

Berlin, 2. Okt.

Ter urtvi'ichnge .Ze!itr>,i..'?abgeordiiete u»ld Bauern- sührer Tr. H e i m brachte bei der heutigen Fortsetzung der Aussprache über die Valuta, ivie man so zu sa­gen Pflegt, Leben in die Bude. Nicht mit Krieg und Kriegsgeschrei, aber mit den originellen Gedanken und ! iu der'originellen Ausdrucksuveise, die dem unerschrocke- ? nen Volksvertreter von je eignet. Mit den Plänen sei- i nes Parteigenossen Erzberger decken sich seine volks­wirtschaftlichen Anschauungen über die Va utakrisis und die gegenwärtige Lage ja beinahe gar nicht und der Reichsfinanzminisler erhob sich alsbald, um da-s Konzept seines Parteifreundes zu korrigieren, aber das Hans hörte mit sichtlichem Behagen den Worten Heims zu, die nach : den trockenen und mehr wdcr weniger geistreichen Aus- f führungen der anderen Redner wie eine Erquickung emp- f fnnden wurden. Arbeit und Sparsamkeit verlangt Tr.Heim, und er ist Optimist genug, zu glauben, das; die Wiedergene­sung des deutschen Volks dann rascher komme, als man annehme. Volkswirtschaftliche Massnahmen wie dieTop- > Pelwährnng, die den Kurs der Reichsmark wiedev» ' auf die Beine bringt, können nach seiner Ansicht recht Wohl nachhelfen, andererseits soll die Regierung eine großzü­gige Aus w an d e ru ng s p o l i t ick betreiben, um die überschüssige Bevölkerung, die wir bei der allgemeinen Verarmung nicht mehr ernähren können, nicht verkam- s men oder in fremde Sklaverei geraten zu lassen. Tas liest f Erzberger nicht gelten. Auch er ist Optimist, nur in etwas anderer Richtung als Heim. Ter Reichsflnanz- minister will es nicht wahr haben, das; das Reich seine jetzt noch nach Verlust der verschiedeneil Provinzen 60 Millionen zählende Bevö kerung nicht ernähren könne. Er will daher von Auswanderung im größeren Stil nichts wissen. Wer wird recht behalten?

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Fortsetzung der Besprechung der Interpellation Dr. Heinze und Gen. über die Valuta f r a g e.

Abg. Heim (Z.s: Die Schnldsragemmtnch.ilinngcn in un­sere» Parlamente» zeugen van politischer Unreife und schaden unserer Valuta. Seit der Revolution drucken ivir monatlich viermal so vie Noten, als ivlifrenü des Kric-js. Helfen kann uns nur Sparsamkeit. Die Karrnption ist unleugbar. Gegen die Arbcltsunlnst geschieht nichts. Arbeit ist heute mehr wert als Kapital. In der Steuer lesetzgebnng muß ans die kleinen und mittleren Renten graßie Rücksicht genommen werde». Der Kurs der Mark kann erhöht werden durch Erzeugung neuer Güter, vor allem durch Mehrerzengnng von Kohle. Änen künst­lichen Abbau der Preise kann ich nicht befürworten. Vielleicht Hilst eine Doppelwährung. Die impcrinlistischen west­lichen Republiken warten nur ans den Ze -nmkt, wo wir ihnen aus Mangel an Znhlnn-smlt e'n unser" wirtschaftlichen Quel­len verpfänden müssen. Wir l'-anchen eine Katalogisierung der uns nötigen Einfuhrartikel und eine Sperre gegen die nnnöti- cn. Es wäre zu erwägen, ob wir nicht eine großzügige - luswander ungspolitik treiben müssen. Wir können ) rascher genesen als mir glauben, wenn wir nur arbeite».'

Abg, Wurm (tl.S.Pst: wünscht eine .Konferenz von Sach­verständigen über die Valuta-razr. Nötig märe die Beschaffung langfristiger Kredite in Amerika.

Finanzminister Erzb.ergcr: Eine Konferenz, wie sch- Abgeordneter Wurm wünscht, ist bereits a» der Arbeit. Für das Winterhalbjahr will die Regierung W , MiUiarLen bereitsteile» zur Senkung der Lebensiaitlelvce'se. Wir'seii eine höhere Bewertung der Mark im Antta-d bewirken. In der heutigen Konferenz im Rcichsmirtschaftsn!! ;ii!erinm waren die anwesen­den Bankdirektoren einig darin, daß dis Zwangswirtschaft zur­zeit nicht gelockert werden dürfe. Die stärkste Förderung der Eigenwirtschaft, besvnders aut den: Gebiet des Getreidebaues und der Textilrohstosfe, ist nötig. Es ist uns bekannt das; eine wahre Jagd nach fremden Coupons und fremden Banknoten statt- sindet. Maßregeln dagegen sind im Gang. Die Valuta'-Anleihe allein wird es natürlich auch nicht machen: aber augenblicklich brauchen wir eine solche, uni uns weiterznhelsen. Eine Aus- waiiderungspolitik kann die Regierung nicht treiben. Das Deut­sche Reich ist groß genug, um 00 Millionen zu ernähren, wenn jeder seine Pflicht tut.

Abg. Dr. Rieß er (D.B.): Nur Arbeit kann uns elfen. Jedes Volk hat die Valuta, die es nach seine» Per- ältnissen verdient. Die Möglichkeit der Erhöhung unserer Va­luta hängt besonders auch von dem Vertrauen ab. das man in de» stentralen Ländern unserer Erholnngsmöglichkeit ent­gegenbringt, und dazu gehört, daß das Fa der Reichssüianzver- wältung -sa bleibt und ihr Nein: nein!

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs zur Ab­änderung der Verordnung über die Arbeitszeit in Bäcke­rei und K o n d i t o r e i b e t r i e b e n.

Abg. Schefbeck (Z.s: will den Achtstundentag in den Bäckereien so aufqefaßt wissen, das; am Freitag und Samstag etwas, länger gearbeitet wird und dafür am Anfang der Woche etwas weniger.

Abg. Hartmann (D.d.P.) ist mit der Vorlage einver-

j Abg, Biener (D.natl.Vp.s stimmt der Vorlage in: allgemei- s nen zu,- hat aber Bedenke:, gegen die vorgeschlagene Zusam- i mensetzung der Fachausschüsse.

i Abg, M a r e tz k i> (D.B.) wünscht eine Regelung der Ar-

! beit in den Bäckereibetriebe» dahin, daß jedermann auch am ! Sonntag das herkömmliche Frühstücksgebäck erhält,

! Abg. Bock (U.S.P.f: Die Vorlage ist ein Versuch der

Verschlechterung der Bestimmungen über den Achtstundentag,

Die Vorlage geht an de» sozialen Ausschuß.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über das Arbeitsentgelt der Empfänger von Kriegsvecsor- g u n q s a e b ii h r n i s s e n,

Keichsarbeitsministcr Schlicke begründet die Vorlage,' die nur ein Ausschnitt aus dem großen Militäroersorgnngsgesetz sei,- das er noch in diesem Winter dem Hause vorlegen zu «öiinen hoffe.

Abg. Hoch (S.): ist mit dem Entwurf einverstanden.

Einzelne Bedenken könnten in einer Ansschußberatung behoben . werden. '

! . Abg. Koch-Düsseldorf (D.nati.Vp.): Die Kriegsbeschädig­

ten fordern,- daß sie durch Lohn und Rente nicht bloß den Vor­arbeitern gleichgestellt, sondern darüber hinaus entschädigt mer- . den für öie Nachteile, dis sie wirtschaftlich und gesellschaft­lich durch ihre Beschädigungen erleiden. Das ist auch berech­tigt. Nächste.Sitzung Freitag 1 Uhr.

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, Der Ausschuß? der Nationalversammlung kür die Reichs- abgabenordn >stn g hat die Bestimmung, daß Banken, Spar­kassen usw. über zPrivatgcldanlagen auskunftspslichtig sind, mit den: Zusatz angenommen, daß der Reichssinanzminister Erleichterungenh zulassen darf, , ^ ch,, .

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' - Neues vom Lage.

Das Schicksal ver deutschen Luftlvehr.

Berlin, 3. Okt. Nach derDeutschen Zeitung" lvird aus Paris gemeldet, daß Frankreich, England und Amerika die deutschen Zeppeliiilustschisfe unter sich ver­teilen werden; ein gewisser Nest soll vernichtet werden. Tie Flugzeuge sollen an die kleinen Verbaudstaaten ab­gegeben werden..

Zur Balienfrage.

Berlin, 3. ' Okt. LautB. Z." meldetDaily Mail", der Verband werde ein Ultimatum mit dreitägi­ger Frist an Deutschland richten. Nach französischen Blättern sollen 1U> lettische und 2 esthnjsche Divisionen gegen dis deutschen Truppen in Kurland aufgeboten werden.

Stveikbetvegntttt. -

Berlin, 3. -Okt. , Ter Reichearüeitsmiiiister hat im Metallarbeiterstreik die Einsetzung eines Schlichtuiigsaus- schnsses vorgeschlagen. Tie Arbeiter verlangen einen Mmdeststimdenlohn von 3.30 Mk.

Berlin, 3. Okt . Wie den: ..Berk. Lokalauzeiger" ans Duisburg berichtet wird, sind auf der HätteVulkan" die Arbeiter trotz Abroteus der Gewerkschaftsführer in den Ausstand getreten, weil die Verwaltung die Zahlung einer außertariflichen Teuerungszulage von 100 Mk. ab- gelehnt hatte.

Die Neftiernngskrisis in Bayern.

München, 3. Okt. Tie Besprechungen zwischen de» Koalitionsparteien des Landtags und der Negierung über die Regierungsfrage haben zu den: Ergebnis geführt, daß vor einer endgültigen Lösung den beteiligten Frak­tionen Gelegenheit gegeben werden soll, ihre Partei­organisationen zu hören.

Die Balntakonkrrrrenz.

Stockholm, 3. Okt. Schwedische Judnstrjekreise verlangen Schutzmaßnahmen gegen die Ejnsilhr billiger Werkzeugmaschinen ans Teulschland. ^

Der Friede in Paris bestätigt.

Paris, 3. Okt. Tie französiichie Abgeordnetenkam- .mer hat den Friedensttertrag von Versailles mit 375 gegen 53 Stimmen angenommen. Mute Okwber wird ' der Sena! darüber abstimmen. (Tos Ergebnis ist ein glänzende, Sieg Elemeneeans.)

Tie Kammer hat die Vorlage betreffend die Rati­fikation des Mi'itärab'ommeus z rjschen Fcankre ch, Eng­land und Amerika mit 50l Stimmen einstimmig ange­nommen. , ' d

EiserkbahnerMcik in England.

London, 3. Okt. ' LautTinu's" wird die bri­tische Regierung im Hinblick ans den zunehmendeir Ernst i der Schiffskohlensimge lOOOllO Tonnen Kohle monatlich f von Amerika kaufen. i

Lloyd George ^verhasdelle^gestern Stunden lang I

..!. t. > »!"! "!5- n«.,

! mit den Vorständen des Eisenbahner- und des Transport--

' arbeiterverbands. Tie Besprechungen wurden heute wie­der ausgenommen.

Neuhork, 3. Okt. In Hoboken griffen streikende

> Arbeiter einen Straßenbahnwagen, der von Arbeitern

^ der Gasfabrik geführt wurde, an. Es wurde dabei ge- ! schossen und 10 Personen wurden verwundet, davon meh- ! rere schwer. -

> Gerücht von einem Fürstenmord.

Bern, 3. Okt. Tas Gerücht, König Viktor Ema-

nnal III. sei ermordet worden, bestätigt sich nach Mel- : dnngen aus Chiasso nicht. (Schon vor einigen Monaten / wurde ein solches Gerücht verbreitet.) :

I Der Krieg im Osten.

/ Budapest, 3. Okt. Ter rumänische OberbesehlS- ! Haber teilte mit, daß die Moskauer Räteregierung sofor­tige Friedensverhandlungen bei Rumänien beantragt habe.

Kopenhagen, 3. Okt. Nach Meldungen aus Kiew hat die Gruppe Tenikin 40 000 Leichen gesunden. An der Spitze der Terroristen stand eine Jüdin. Sie wurde von den Russen gefangen und sofort erschossen. General Tenikin hat einen Befehl erlassen, wonach in der Ukraine die russische Sprache als einzige Staatssprache wieder eingefühlt wird. Tie Zeitungen sind einer strengen Zen­sur unterworfen und haben ihr Erscheinen eingestellt.

Bor dem Zusammenbruch.

London, 3. Okt. NachDaily Mail" erklärte Mi- ; nister Balfour, er habe noch keine amtliche Mitteilung über ein Friedensangebot aus Moskau erhalten; er wisse nur, daß die Räteregierung vor dem Zusammen­bruch stehe. ,

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Das neue Reichsministerinm.

Berlin, 5. Okt. Nach dem endgültigen Wicm,' eintritt der Deutschen dcmokraLischeu Partei in die Re­gierungsmehrheit umfaßt das Reichsmir.Oierinm folg nde Mitglieder und Aemler: Reichskanzler und Minister­präsident Bauer (S.), I»stiMinister und Vizekanzler: Schisser (T.d.P.), Finaiizmmrs.ec: Erzberge r (Z.), Minister des Auswärtigen: Hermann Müller (S.), Minister des Innern: Koch (T.d.P.), Wirtschastsmini- ster: Schmidt (2.), Arbeitsminister: Schlicke (S.), Schatz-minister: Tr. M a y er-Ka:sibenren (Z.), Postmini- ster: G i e s berts (Z.), Verkehrsminister Tr. Bell (Z.), Wehrminister: Noske (S.), Minister ahne Portefeuille: Tr. Tavid (S.), Wiederaufbnuninister: ein noch zu be­stimmender Vertrauensmann der T.d.P.

Erklärung der Keicksregrernng.

Berlin, 4. Okt. Es wird die Behauptung verbreitet, daß in allen Lagern der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich ein Plakat angeschlagen sei, welches die Aeußeruiig eines Mitglieds der deutschen Regierung (Erz- beiger) enthalte:Wir brauchen die Kriegsgefangenen nicht zurück. Wir haben Arbeitslose genug." Tie Neichs- rcgierung hat eine Untersuchung eingelcitet. Heute schon kann aber festgestellt werden, daß weder Reichsminifler Erzberger, noch sonst ein Mitglied der deutschen Regie­rung eine derartige Aenßernng getan hat.

Die Aüiwr rt der Reichsregierung.

Berlin, 5. Okt. Auf die oeoheuve Note des V.r bands vom 23. September ist den, srauzösischen Gene­ral ist»da nt am 3. Oktober eine Antwortnote der Reichsregiernug zngestellt worden, die zunächst sestste.tt, welche Maßregeln die Reichsreg-iernng gegen die d.mt'chen irruppen im Vasienland ergrifien oder angcdrohr habe. General v. d. Goltz sei abbernfeil worden. Tie Re­gierung habe einem neuen Ansins an die Truppen ge­richtet und sie zum Gehorsam aufgeiordert. Diese Maß- lahmen sollten die deutsche Regierung vor dem Vorwurf schützöu, das; sie die Weigerung der Truppen nur zum Vorwand nehme, um die Räumung Rußlands zu ver­zögern. Tie Regierung habe ferner niemals ihre Zu­stimmung znm Eintritt deutscher Svida eu ui russische Heeresteile gegeben. Sie lege gegen neue Blocka- U'maßnahmen Veruralttnng ein und bitte die Verbünde- .en, eine Kommilsivn einzusetzen, die gememsam mit der deutschen Regierung den Fall, untersuchen soll.

Reichswehrminister Noske hat das Armee Ober cvmmando Nord (General v. Eberhard; beauftragt, die dentsiheii Truppen bis »ach Schauten (bei Kowno) zu­rr- »sichren. Wer nicht Folge leistet, soll keine Ge- iuchrnsise mehr erhalten. Der Nebertrstr in russische Dienste wird verboten. Tie nicht Zurückkehrendeu verlie­ren las deutsche Sw.i- h>iraerreck,t.

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