Nr. 223

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Donnerstag, 6en 2. Oktober 1919

Iskrgano L 3

DleZu^tufL der Gummiindrrstrie^

Wir lesen in denLeipz. Neuesten Nachr.":

Zn den Industrien, die-für die Zukunft besonders gnie Aussichten versprechen, wenn sie auch im Augen­blick noch unter dem Mangel an Rohstoffen leiden, ge­hört die Verarbeitung von Kautschuk und Gummi, worin vor dem Krieg das Deutsche Reich alle anderen Na­tionen überflügelt hatte. Unsere Ausfuhr davon betrug ,1913 162 Millionen Mark, dagegen bezifferte sich der Wert der Gesamteinfuhr an rohem Kautschuk, Guttaper­cha und Balata im gleichen Jahr auf 1.13 Millionen Mark. Ter Gewinn unserer Volkswirtschaft bestand also nicht nur in dem Unterschied von 49 Millionen Mark, der mit­hin beinahe die Hälfte der Rohstofseinfnhr ausmachte, sondern auch in den für das Inland selbst hergestellten und von ihm verbrauchten Gnmmifabrikaten.

Wir können mit Bestimmtheit innerhalb der näch­sten Jahre auf bedeutende Rohstossznfuhren rechnen, und daneben besteht die Wahrscheinlichkeit, daß grundstürzende Erfindungen uns die künstliche Herstellung des bisher aus den Tropen bezogenen Rohstoffs ermöglichen. In den 90er Jahren war eine Rohstoffknapphcit eingetrcten. Bis dahin hatte man den Kautschuk größtenteils als Wild- kanlschuk aus Brasilien bezogen, wenn auch bereits seit einem Menschenalter mit Kautschukpflanzungen im süd­östlichen Asien Versuche gemacht worden waren. Ter Raubbau, der in den Tropenwüldern des Amazonenge­biets und des belgischen Kongo betrieben ward, schien wenige Jahre vor dem Ende des 19. Jahrhunderts eine so bedeutende Preissteigerung des Kautschuks nahe- znlegen. daß nunmehr die Gründung einer großen Zahl (säst ein halbes Tausend) von Pflanzungs-Gesellschaf­ten erfolgte. Damit wurde, nicht nur die Gefahr der allzu hohen Preissteigerung überwunden, sondern es stellte sich nun im Gegenteil, , sobald die Pflanzungen höhere Erträge zu liefern begannen, was in der Regel nach etwa 10 Jahren eintritt, ein. solcher Kautschnk-- überilnst ein, daß 1910 ein Kaut s chnkkrisi s einsetzte, die sich 1918 auf das emvfindlichste verschärfte.

Wuchs doch die Ausfuhr von Plantagengummi nun­mehr. mit Riesenschritten. Beispielsweise führte Ceylon 1900 erst 500 Tonnen Plantagengnmmi aus, 1912 aber bereits 6500 Tonnen und 1913 doppelt soviel. Erst der Krieg mit seinem ungeheuerlichen Verbrauch machte der Kautschnkkrisis ein Ende. Aber es ist bezeichnend, daß die Preise keineswegs während der ganzen Tauer des Kriegs weiter in die Höhe gegangen sind. Preise, wie sie im April 1910 galten damals stieg Plantagen- kautschuk mittlerer Güte in London, dem wichtigsten Kant- schnkmarkte der Welt, zu der bis dahin unerhörten Höhe von 12J Schilling für das Pfund, traten nicht wieder ein, wenn auch der Tiefstand, der im Herbst 1913 mit 2 Schilling erreicht war, sich nicht wiederholte.

Jwmerbin fürchten die Kautschukpflanzer heute die Wiederholung jener Krisis von 1912/13. Alle Erzeu- gimasgebiete haben darunter schwer gelitten auch die deutschen Kolonien (Kamerun, Teutsch-Ostasrika, Togo). Und zwar halte der Preisrückgang seine Ursache in dem Ileberfluß der Erzeugung.. Besonders nahm die Produk­tion des südasialischcn Pslanzenkantschuks mit Riesen­schritten zu. Sie betrug 1908 2000 Tonnen, 1911 15 000 Tonnen, 191-1 71380 Tonnen. Ter Kantschnkeerbranch betrug in den Vereinigten Staaten 1913 48 000 Tonnen, 1917 (im Krieg) dagegen 1.75 000 Tonnen, in Groß­britannien in denselben Jabren 18 640 und 26 000 Ton­nen, in Frankreich 6500 und 17 000 Tonnen, in Italien 2000 und 7000 Tonnen. Im Jahre 1917 lamen aus Mittel- und Südasien 80 v. H. der gesäurten Welterzeu­gung. Der Wert des in den Handel gebrachten Kautschuks iw d für das gleiche Jahr ans 4,2 Milliarden Mark g. ch.chw. während die daraus fertig hergestellten Gummi- sab'.itaw einen Wert von 4 Milliarden Hallen. Tie Welterzcugung an Kautschuk wurde für 1917 ans 216 000 Tonnen veranschlagt. Das bedeutet gegenüber dem Vor- jabr eine Steigerung von 44 v. H., während dieses be­reits eme solche von 45 v. H. gebracht hatte. Für die nächsten Jahre muß sich diese Steigerung noch fvrt- seüen, und zwar in ziemlich regelmäßigem Grade, weil eben sehr große Flächen für Pflanzungen in Anglist ge­nommen worden sind, die nun steigende» Ertrag geben.

Es ist also mit Sicherheit auf einen Rohstostüber- sluß zu rechnen, der nur von solchen Ländern ausge- brauckt werden kann, die in der Gnnimiverarbeituna

geübt sind und die über Beweglichkeit und Anpassungs­fähigkeit verfügen. An Verwendungsmöglichkeiten kann es nicht fehlen.

Wenige Jahre vor dem Kriege gelangen deutschem Geiste wertvolle Erfindungen. Wir lernten Hartgummi ans künstlichem Wege Herstellen und haben davon schon reichlich Gebrauch gemacht. Einige Jahre vor dem Krieg standen die Apparate zur'Herstellung synthetischen Kaut­schuks fertig da; indessen baute man sie wieder alb, weil der Preis des natürlichen Kautschuks plötzlich stark hernnterging. Als bald nach Beginn des Kriegs die Not­wendigkeit eintrat, künstlichen Kautschuk auf alle Fälle in Deutschland herzustellen, griff man das Verfahren wieder auf und stellte hartvulkanisie-ten Kautschuk auf diese Art z. B. für die Akkumulatoren usw. der Tauchboote trefflich her. Auch für die Gewinnung elastischen vulkanisierbaren Kautschuks ist man dem Ziel sehr viel näher gekommen. Weicbgnmmi allerdings können wir noch nicht recht aus künstlichem Wege gewinnen. Allem so viel läßt sich heute mit Sicherheit sagen, daß es nur eine Frage der Aus- Lauer und der Zeit ist, wenn cs den deutschen Chemikern gelinge!! wird, dieses Ziel zu erreichen.

DLuLscheMationalversammlung.

Berlin, 1. Okt.

' ^.e Wiedereröffnung der Nationalversammlung er-

iolate beute in rein aeschäftsmäßiger Weise. Einige, kleine Anfragen" waren rasch erledigt und dann wurde der sogenannte Notetat mit über 16 Vs Milliarden in allen drei Lesungen prompt angenommen und dasTu- multentschädigungsgesetz" in Beratung gezogen, das die Vergütungspflicht für Schäden, dH; aus örtlichen politi­schen Krawallen entstehen, zu gleichen. Teilen dem Reich, "dem betreffenden Bundesstaat und der Gemeinde auflegeü will. Gegen die. Schadensübernahme auf das Reich al­lein sprachen sich verschiedene Redner aus, da sie gerade­zu eine Prämie ans Plünderung und Verwüstung sei. Die Haftbarmachung der Uebeltäter selbst wurde von einem Redner zwar gestreift, aber, wie es scheint, vom Hause nicht weiter verfolgt, obgleich sie das Nächstlie­gende wäre. Von der Deutschen Volkspartei wurde eine große Anfrage über den Stand der Valuta und die von der Regierung zu ergreifenden Maßnahmen ein­gebracht. Die Regierung wird die Anfrage, die eine wichtige Aussprache veranlas'en dürfte, in den nächsten Tagen beantworten.

*

Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung uni 3.20 Uhr. Er gedenkt des verstorbenen Abg. Tr. Nau­mann.

Aus eine Anfrage Hüsing (Z.) betreffend die Un­terstützung der Flüchtlinge ans Elsaß-Lo- tbring e n antwortet ein Regierungsvertreter, daß durch Bereitstellung von Reichsmitteln, durch das Rote Kreitz und durch .Erweiterung der Befugnisse der Darlehens­kassen in dieser Richtung alles Mögliche geschehe.

Abg. Lobe (Soz.) fragt an, ob die Regierung dar Vorgeben des Vo ksbunds in Sachen der Kriegsge­fangenen billige und ob regierungsseitig Aeußerunger dahin gefalle,! seien, d»st mir Kriegsgefangene nicht brau­chen können. Regierungskommissar Stückten erklärt das unaualifizierbare Vorgehen des Volksbunds labe de, englischen Regierung erst das Material beschafft, das di s gegen unsere Kriegsgefangenen mis'Pfeste Reichstzl -z Bauer habe niemals eine Aeußernng dahin getan, das nur laue Gelder für Nekcrläuser hätten.

Des Gesetzentwurf betreffs dB weitere v o r ' ä n sigi Regelung des R e l ich s h a n sha ! ts für 19 i 9 wird in allen drei Lesungen angenommen.

Es sylgt die erste Beratung des Keiel-w t rnr s über sie durch innere'ruhen verursachten Schäden

Abg. Hey mann (Soz.): Jede Hnnmi; l-.-k irr 'ÜN'N'mdcn für die Schaven aus Unruhen müßte ausge- ichio s.n sein. Das Reich allein ist zuständig.

Abg. Astor (Z.): Wir können den Grundgedanken des Gesetzes nicht billigen, daß die Revolntionsschüden au! gleicher Grundlage, wie die Kriegsschäden behände t w. r- den sollen.

Abg. Bärwald (Dem.): Das Gesetz setzt gerr dezu eine Prämie aus die Plünderungen. Vielleicht kann man auch die Ve.ranstaster.der Unruhen znchen Entschädigungen üerailchehen.., . ^ -

Unterstaalssekretür Lewaid: Tie Unr.che: werden allerdings in den ineisten Fälle:: von Milg'i.'derir der Ge­meinden nnd nicht von Fremden erregt; deshalb ist die Gemeinde verantwoR ich. Wenn v,e Schäden vom Reich vo l erseht werden würben, dann wäre das eine Prämie ans die Plünderungen Es muß bedacht werden, daß wir vielleicht nicht am Ende der Tumulte stehen.

Abg. Warmnth (Teutschnat.): Die Haftpflicht der Gemeinden kann nicht ausgeschallet werden, zumal die So '-den nicht nur durch die Trunn'.Mauten, sondern auch bei der Abwehr verursacht werden.

Uni 6 ü Ubr vertagt nch das Hans ans morgen um 1 Uhr.

Neues vom Tuge.

Tis Umbildung der ReiLsregiernng.

Berlin, 1. kOt. Tie Verhandlungen wegen des Eintritts der demokratischen Parket in die Reichsregi.rnng ind noch nicht zum Abschluß gekommen. Ein Hindernis -. er Einigung bildet nach demBert. Lokalanz." die Frage oer Betriebsräte und das Bei bleiben Erzbergecs in der Regierung. Auch über Forderungen der demokratischen Partei in inneren Angelegenheiten konnte man sich noch nicht einigen. Tie Fraktionen berieten gestern und heute gesondert.

Aus dem ParLcileben.

Berlin, 1. Okt. In der gestrigen Sitzung der sozialdemokratischen Fraktion der Nat'onalve s mmlvng wurde Scheidema n n wied-n zum FrakUonsvorsitzenden gewählt.

Tüfselvorf, 1. Okt. Oberbürgermeister Koch-Kas­sel wurde zum Oberbürgermeister von Düsseldorf gewählt. Auflösung des bayerischen Landtags?

Muttchen, l.'Okt. Tas führende Blatt der Zen- trumspartei, derBayer. Knricr" fordert die Auflösung der bayer. Kammer und die Ausschreibung von Neu­wahlen, auch derFränk. Knrrer" (Dem.) tritt für die Anstösnng des Landtags ein.

Strükbcwegn.rg.

Berlin, 1- Oka Tic Verband nngen über die Bei­legung des Streiks der Metel arbPter Berlins werden fortgesetzt; die der sozialdemürat s f-en Partei angehö- rigen Arbeiter versicherten die Streikenden ihrer Unter­stützung bis zum Sieg, der Sueik dürfe aber nicht poli- isrhen Charakter annehmcp. Dreißig von den Komuni- ften einberufene Versammlungen wurden aufgelöst.

Hamburg, 1. Okt. Am Hamburger nnd Altonaer nschmarkt stehen große Scharen Arbeitswilliger, die aus ii Beschluß warten, der in einer heute stattfindenden ' N'sammluiig des ScemannAbimdes gefaßt wird. Tic reinigten Fischdampferreeder erklärten in einer am ienslag abgehaltencn Berfammlnng, sie werden nur h mii den im Transportart eilerverband organinertz n

.eutcn verhandeln, nicht mit dem SeemannRmnP

Brem.n. 1. Okt. TaS lal'rästige Eingreifen der FreiwilEgen aus allen Teilen ver Bevölkerung hat die fast ungestörte Ladung und Entladung der Seeschiffe mög­lich gemacht. Tie streikenden Hafenarbeiter haben sich zur Wiederaufnahme der Arbeit bereit erklärt.

Ans dem besetzten Gsb et.

Metz, 1. Okt. Ter Gemeinderat ist wegen des Streiks der deutschen Arbeiter in Metz znrückgetreten.

Beginnend Räumung des Baltenlands.

Riga, 1. Okr. Ein Jäger bata-lllou nnd-eine Schnia- dron und nach Deutschland abbeförderi worden.

Russische Truppen haben oje Sicherung Kurlands gegen das von den-Bolschewisten besetzte Riga übernommen und die deutschen Truppen abgelöst.

Nach zuverlä sigen Nach . Re - a»s dem Osten sind keine Anzeichen vorhanden, daß die deutschen Truppen dem Befehl der Reicbsregierung folgen werden.

Dis Exsl-ition.

Paris, 4. Okt. TerTemps" meldet, auf Vor­schlag Fochs habe der Oberste Rat die Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland einschließlich militärischer Maßregeln auf den 20. Oktober festgesetzt. Am 1. November-soll nach demDaily Telegraph" die strenge Blockade wie­der in Kraft treten. Pichou sagte in der Kammer, die Nichterfü lang der Forderungen der Verbündeten gebe Marschall Foch die volle Freiheit zu mi.itärischem Vor- aeken aeaen Deutschland. , ..