Rede des Abgeordneten Lonrad Saußmann bei der Verölung der Verfassung in der ivürttembergtschen verjassunggebenden Landesversammlung am 16. April 1S19.

Die Besprechung hat gezeigt, daß wir in der Tal hier, wo l es sich um die 2 » zialisrerung und den Schutz des Mittelstandes handelt, an einem Punkte angclommeii sind, bei welchem grundsätzliche Auslassungen in einem, dem Ver- sassungswcrk bedrohlichen Platz einander gegenübcrstehcn. Trotz­dem habe ich die sichere Lwssnung, daß es uns gelingen wird. H eine Brücke zu schlagen und auch hier zu einer brauchbaren For­mulierung der Gedanken bei gutem Willen gelangen zu können.

Der Herr Vorreoner hat eben ausgesprochen, es sei seine Nebcrzeupung daßdas Gemeinnutzigkensgesülil «in Gegensatz »um Eigennutz die höhere Arbeitsleistung unter der gesellschaft­lichen Form" erziel«. Das ist die Tatfrage, um die es sich bandelt, Iran Zetkin Hai denjelben Gedanken dnhin ausge­sprochen, daßder Idealismus die stärkere Triebkraft als der Egoismus lei". Run machen wir ta aber die Wahrnehmung, daß im menschlichen Wesen die Triebkräfte gcmiichi sind, daß Heide Kräne, die gemeinnützige und die egoistische Kraft, im Menschen lebendig sind, sa mehr noch, daß beide Kräfte vorhan­den sei« müssen. Ein Liensch, der nur idealistiiche Triebkräfte aus sich wirken läßt, wird scheitern im Leben, ebenso gewiß wie derjenige eine geistig niedrige Eristenz führt, der nur egoistischen Triebkräften lolm

«Sehr richtig!!

Also ist es die große Ausgabe des Staates wie der Erziehung des Menschengeschlechts, beide Kräste zum Zug gelangen und als roße Motoren wirken zu lassen. Dabei wird sich zeigen, daß as gottlob unausrottbare Bedür suis der Men- scheu sür ihre Kinder zu sorgen, ein edler Egoismus ist. in dem ein großes Stück Idealismus mit enthalten ist.

tLebbaNc Zustimmung in der Mine und rechts.!

Und deshalb, indem man solchem Egoismus Spielraum geben will, trägt man unmittelbar auch einer besonderen Art von Nächstenliebe" die man Idealismus beißen bars, Rechnung,

Ierne, gerade wenn man an die Arbeiterklasse denkt und man muß und soll an sie denken, dann muß man sich ver­gegenwärtigen, daß der Ausstieg dieser Klasse und ihrer Kinder am sichersten

durch die Mittelklasse« und durch den Mittelstand zur Selbständiakeit erfolgen kann,

iSekr richtig!!

Ich wüßte nicyt, wie der Arbeilerstond eine sicherere Möglichkeit bat, seine Kinder nach oben zu sichre», wenn er ihnen die Aus­sicht. mittlere Betriebe leibst zu gründen und zu lenen, nehmen würde. Das Bestreben der Männer, die den Enkwurs Haupt- sächlich bestimmt Kaden, und der großen Partei aus der linken Sene ist ta verständlich, Es ist auch in erheblichem Maße be­rechtigt daß w,r in geeigneten Fällen auch unter neuen Iormea versuchen wollen, zu proßiizicren. d h, wirtschaftlich zu arbeiten. Aber bei der vorhin gezeigten doppelten Mcnschennaiur werden wir doch hier beide Seiten, die egoistische und die idealistische, mit in Rechnung nehmen müssen, daraus folgt, daß wir nur schrittweise

vorgeben können. Rur, wenn der eine Schritt ein günstiges Resultat zeitigt wenn sich erprobt hak daß die idealistischen Triebkräfte wirklich >n den unteren Kreisen ein wichtiger Faktor der Arbeitslust sind, wird man nach gemachter Probe mit Ver­trauen den weiteren Schritt machen können. Bisher hat die Revolution noch nicht rein idealistische Triebkräfte an die Sberslöche gebracht.

kSebr out!'

Bisher sehen wir häusig aukerordeiiilich egoistische Triebfedern gerade bei den Kortietzern der Revolution am Werk.

'Sehr richtig!,

Run, wert der Versuch einer Veraesellichastung als Staats- ausgabc erklärt wird, mästen

Mittelstand» lkleingrundbesitz und Handwerk» die große Sorge im Herzen haben, ob die Beivegung nicht wie eine Walze ne erdrücken will, auch in den wichtigen Teilen, dre noch lebenssähig sind und voll lebensiähig bleiben, wenn der Staat inckl ihre Existenzbedingungen erschwert. So bat sich naturgemäß aus dem loz»oldemokralitchen Bestreben, den § 10 des Entwurfs noch weiter auszugestalien, der Wunsch entwickelt, in der Verfassung nicht bloß Grundsätze auszniprechen, welche dahin gedeutet werden können, als ob der Mittelstand vom

Staat preisgegeben werden tolle. Sie, meine Herren auf der linken Seite, müssen selber verstehen, oaß mar. eine so wichtige Schichte, wie es der Miiielitand ist schützen muß auch vor ber Angst, daß der Staat an ihre Leiden und an ihre besondere Er»- stenz überhaupt nicht denke. Von diesem Gedanken ist der Vor- ichlag, der im Ausschuß umstritten wurde, erngegeben. Der Mittelstand will, nachdem die Vorschrift ein weilpcbendes oder mehrdeutiges Ziel aufsteklt, zugleich gewisse Sicherungen ideeller und rechtlicher Art über die Absichten des Staates in der Ver­fassung niederlegen, die sonst enibehrlich wäre»

Der Streitpunkt war nun, ob das Wort .lebensfähig er­halten" mit herei»genommen werden soll. Das Wort.lebens­fähig erhallen" ist einer doppelten Deutung fähig, die Sie aus der Linken des Hauses mit Recht stutzig gemacht bat. nämlich die Deutung, daß darin auch enthalten sein wolle, Betriebe lebenssähig durch Staolshilfe zu erholten, d. h. z« konservieren, die nicht mehr lebensfähig sind,

lschr richtig linkss,

also mit staatlichen Mitteln ein Privileg für einen einzelne» Stand, für den Mittelstand eine Schutzpslicm des Staates aus­zurichten, Daß Sie links dagegen sich gesträubt haben, war Ibr gutes Recht. Aus der anderen Seite war es nicht die Meinung I der Antragsteller, es sollte auch das künstlich erhallen werden, was nach innerer Entwicklung nicht mehr lebenssähig sei, son­dern es war der feste Glaube an die innere Lebensfähigkeit die­ses Mittelstandes,

sSehr richtig! rechts.s

So gilt es also, dieser doppelten Auslegung und damit den Sor­gen und dem Mißtrauen zu begegnen, die von der einen oder an»

, deren Seite daraus abgeleitet werden konnten.

Ich glaube ein annehmbarer Versuch ist das, was ich i» Verbindung mit den Herren Bazille und Walter mir erlaubt habe, Ihnen vorznschlagen

Tie Arbeitskraft der Arbeiter und Angestellten ist gege» Ausbeutung und Gefährdung sicherzustellen: der Klein- und Mittelgrundbcsitz wie der kaufmännische und gewerblich« Mittelstand sind gegen Aussaugung and Bewucherung z» schützen und wie alle lchasfenden Berufs st ände in ihrer Lebensfähigkeit za erhalten.

Die Wortein ihrer Lebensfähigkeit" bringen zum Aus­druck, daß die

vorhandene Lebensfähigkeit geschützt werden und daß nicht eine nickt mehr vorhandene Lebensfähig­keit künstlich konserviert werden solle.

Es sind absichtlich die Wortewie alle schassenden Berufs- stände" elitgetügt, die auch den Arbeiierstand m,t umfassen. Da­mit ist die Idee eines Privilegs, der Gedanke, daß der Staat eine Bürgschaft für einen einzelnen Stand übernehmen solle, ausgeschlossen: Es sind kür alle Bernfsstände dieselben Ver­pflichtungen des Staates zum Ausdmick gebracht. Ausspreche» möchte ich noch, daß tue Wortesickerstellen" undschützen" syno­nym gleichbedeutend gebraucht sind. Nur aus stilistischen Grün­den ist eine Abwechslung der Worte gewählt, sie sollen ober beide ganz das gleiche bedeuten.

Verstehen Sie links, bitte, daß der

Mittelstand und daß das Handwerk in diesen unerhörten Umwälzungen die uicderdrückeode Sorg« haben, ob wie sie lallen lassen wollen oder nicht! Teile» St« bitte, mit uns den Wunsch.

unsere Bauern und die Handtverker dahin zu beruhigen, daß in dieser Zeit, wo alle Kraft eingesetzt werden muß. wo die Arbeiter die höchste Arbeitskraft entwickelt» sollten und wie ich hosir, auch noch entwickeln werden, sobald wir ans den Gärungen hinaus stnd. daß in dieier Zeit auch der Bauernstand» auch das Handwerk» auch der ge­werbliche Mittelstand ein unentbehrlicher Teil unseres Staates und unserer Wirtschaft ist.

«Bestall.!

Das gemettischastliche Diel dreien Staat und diese Wirtschaft emporzubringen, können wir nur dann erreichen, wen» wir auch diesen wichNgen Ständen nicht die Zuknnftshosfnnng »nd mit ihr die Kraft der Gegenwart nehmen «nd wenn wir ihnen dir Zuversicht belassen, dag onier Staat an sie ebenso setre«lich nnd tatkräftig denkt wie an die anderen Bernfsstände.

sLcbhafter Beifall s

Der Antrag Haustmanu'Bazillr>Walter wurde daraushin fast einstimmig angenommen, nachdem der sozialdemokratische Abg. Göhring erklärt halte, daß nach dieser Darlegung nun auch seine Partei zustimme. Damit war der eine groß« Streitpunkt her Verfassung nach dem berechtigten Wunsch des Mittelstandes gelöst. Der zweite groß« Streitpunkt, detr. Volksschule und Religionsunterricht. wurde durch einen Antrag Satmaun-Hauhmann gleichfalls derart gelöst, daß der Antrag last einstimmig >md Hamit zur Befriedigung aller Teile angrnommr« worden ist.

Schließlich wurde das ganze Berfas,uugswerk in zweiter Lesung mit L2S gege« « Stimme« der Bürgerpartei, hiepch dabei gespalten hat. bei Enthaltung der Nuabk». Sozialdemokraten unter lebhaftem Beifall deS Hanse-augeuomme». Dieses l^stergefchent der verfaffnuggedende» Landesversammlung ist vielversprecheud auch für die dritte Lesung «»d »ta Bewet- de- ftaatsmännische» <Selftes ». des erfolgreichen Arbeitswillens der Württ. Landesversammlung.