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Vilüliader iünjeiger uns lageblatt

mii krlshler vom schmarjwslb / We Tages;eilung des lllberamls ßleuenbürg

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Montag, de« 23. Dezember 1S18.

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38 Jahrgang.

Vertrauen.

Laß. Sehiisuchi stehn cm deiner Seele Toren!

Sie wache still, wie Hilten ans dem Feld; H und fleh empor, daß dir aus jener Welt ^ '

die Kunde wird: dein Heiland ist geboren!

Marie Sauer.

Wochenrundschau.

Die R e i ch s k o n s c r e n z der Arbeiter- und Soldatenräte ist am vorigen Montag im Saal des preußischen Abgeordnetenhauses zu Berlin zum ersten Mat zusammengetreten, das erste Parlament der Revolution, dem bei der heutigen Verteilung der politischen Machr die Bedeutung eines wichtigen Faktors zukommt. Der Saal ist bis zum letzten Platz besetzt; unter den Mitgliedern machen die Vertreter der Soldatenräte aber nur ein schwa­ches Drittel ans, auch einige wenige Frauen sind an-, wesend. Ter erste Tag verlief ziemlich bewegt; schon aus dem Bericht des Mitglieds des Vollzugsrats Richard Müller trat der trotz aller Vereinbarungen noch kräftig fortlebendc Gegensatz zwischen Vollzugsrat und Rat der Volksbeaustragten deutlich in die Erscheinung. Die An­griffe Müllers und mehr noch die Ledebours aus Ebert uud Scheidemann riesen mehrfach leidenschaftliche Pro­teste bei der Mehrheit der Delegierten, die hinter Ebert und Scheidemann steht, hervor. Aber diese Wortgefechte geuügten Herrn Liebknecht noch lange nicht. Er und Rosa Luxemburg sind nicht nur fanatische Köpfe, sondern auch geschickte Macher. So erschienen denn am zweiten Tag milleit in den Verhandlungen etwa 3(1 Soldaten im Sitzungssaal, ausgerüstet mit roten Fahnen und Plakat- stanben, auf denen die Namen der verschiedenen Berliner Regimenter prangten, und verlangtenim Namen der Berliner Garnison", daß der Kongreß s o fori über eine Reihe radikaler Forderungen, die vorgelesen würben, Be­schluß fasse. Oben auf der Tribüne aber saß .Herr Lieb­knecht mit Frau Gemahlin und schaute mit vergnügten Sinnen auf den fürchterlichen Tumult, den sein geist­reicher Einsall im Saal hervorgezaubert hatte. Die an­gebliche Deputation der Berliner Garnison zog sich schließ­lich unter großem Lärm zurück, nachdem beschlossen worden rr. daß über dieAnträge" am nächsten Tag ab­gestimmt werden sollte; sie drohte aber, wenn ihre Forderungen (Bewaffnung des Proletariats, Entwaffnung wer Offiziere »l. a./ abgelehnt würden, so werde der Streik von 250000 Arbeitern Berlins ihrem Begehren den nötigen Nachdruck verleihen. So kam der dritte Ta Und siehe da, mitten in die Beratung kam die Garnisons- deputation mit ihren Fahnen usw. wieder hereingeschneit und trug neue oder umgennderte Forderungen vor. llnd proben saß wieder der Herr Liebknecht. Das war doch starker Tabak. Natürlich wieder große Aufregung; mit geballten Fäusten standen sich die Gegner gegenüber. Drunten arkf der Straße standen ein Paar tausend Ar­beiter, die verabredetermaßLn sich demZug der Dreißig" angeschlossen hatten. Der Vorsitzende Leinert verlor aber die Ruhe nicht. Er sagte, für etwaige weitere Teputations- besuche werde ein besonderer Saal im. Hause bereit ge- gehalten, die Sitzung selbst Aber dürfe nicht mehr gestört werden. Der Zweck war verfehlt und die Dreißig zogen .mit langen Gesichtern ah. Hinterher stellte sich, wie die Blätter berichten, heraus, daß die Deputation gar keine Deputation waiz Me Berliner Truppen wußten von der Sache gar nichts. Mit berechtigtem Zorn schreibt daher derVorwärts" (Scheidemann?):Die Mache einer kleinen Gruppe ist am Werke, Deutschland in ein Toll­haus zu verwandeln. Das Vorgehen scheint darauf ge­richtet zu sein, den Kongreß zu sprengen. Es besteht die Olefahr, daß der ganze Regierungsapparat sich anflöst und die Waffenstillstands- und Friedensverhandkungen abgebrochen werden, weil keine verhandluugsfähige deut­sche Regierung da ist." Am vierten Sitzungstage konnte endlich in Ruhe gearbeitet werden. Die wichtigste Arbeit ist die Entscheidung über den Antrag, die Wahlen zur Nationalversam ml u n g nicht am 16. Februar, son­dern schon am 19. Januar 1919 vorzunehmen. Und dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit -zum Beschluß 'rhvbcn. Eine befreiende Tat!

Was sonst im Reiche vorging, ist nicht erhebend. Im Ruhrgebiet sind einige Tausend Arbeiter in den Aus st and getreten auf Verhetzung der Spartakus-.

gruppe; der Mahnruf des Rats der Volksbeanftlagteit, jetzt mit doppelten Kräften zu arbeiten, bleibt ungehört. «In Berlin werden 70000 Arbeitslose gezählt und ' zwei oder drei Stunden vor Berlin verfaulen Kartoffeln und Rüben im Boden, weil niemand da ist, der sie in die Scheuern bringt. Auch von dem, was um uns herum vorgeht, hören wir nicht viel Gutes.

Zwar haben die Finnländer den letzten abziehen- deu deutschen Truppen, die ihnen unter dem tüchtigen General von der Goltz die Freiheit und die Befreiung von der blutigen Gewaltherrschaft des Bolschewismus ge­bracht haben, einen Abschied voll des herzlichsten Dankes bereitet. Mit gemischten Gefühlen sahen die Bürger des Landes der tausend Seen die durch alte Interessenge­meinschaft lieb gewordenen Deutschen die Schiffe besteigen. Gestützt auf die deutsche Freundschaft und den Schutz der deutschen Macht konnte das Land hoffen, seine in ovfer- vollem Kampf errungene Selbständigkeit behaupten zu können. Die deutsche Ohnmacht wird es in die Hörigkeit Englands zwingen, das rüstig daran geht, seine Herr­schaft über die Meere auf die Ostsee auszndehnen und seinen maßgebenden Einfluß in den Ostseeländern zu be­gründen. In dem neuen Staat Polen wird ein Ge­sandter des befreundeten und verbündeten Englands er 'ehen, nachdem die polnische Regierung unter nichtigen, Vorwand den deutschen Gesandten Grafen Keßler des Lundes verwiesen und die diplomatischen Beziehungen zum Reich abgebrochen hat. Auch Polens Freiheit und Selb­ständigkeit ist mit Strömen edelsten deutschen Bluts er­kauft worden, aber nur weltfremde Menschen konnten von. ,'n Polen so etwas wie Dank erwarten. Sie nützen 1. Gelegenheit jetzt aus, Deutschland so viel wie möglich zu schaden und ihm ganze Provinzen wegzunehmen. Im ^ deutschen Osten spielen sie sich schon als die Herren auf.

' So hat die polnische Regierung dieser Tage die Wahl­bezirke für die verfassunggebende Versammlung Polens ausgeschrieben und in ganz ungenierter Weise den Pro­linzen Schlesien, Posen, Ost- und Westpreußen eine gewisse Anzahl von Sitzen in der polnischen Nationalversamm­lung zugeteilt. Deutschland steht machtlos da und muß zusehen, wie man ihm ein Stück um das andere vom Leibe reiht. Noch schmählicher ist das Verhalten der edlen" Ungarn, der früheren Freunde und Verbün­deten des Reichs. 'Die Armee Mackensens, die aus Rumänien zurückkehrte, wurde beim Betreten des ungari­schen Bodens als eine feindliche Armee behandelt. Die 170000 Mann mußten die Waffen ausliefern uud auch sonst wurden sie auf jede Weise schikaniert. Den General­feldmarschall von Mackensen selbst lockte man mit feinem Stab von Offizieren von seiner Armee weg und nahm ihn in Budapest gefangen. Er ist jetzt in einem Ort in der Nähe von Budapest interniert. Wir haben in den letzten Wochen manches Beschämende erfahren und erdulden müssen, aber der ungarische Verrat ist das Nie­derträchtigste, was uns angetan wurde. Das ist der Dank dafür, daß Mackensen Ungarn dreimal aus der größten i Not befreit hat! Die russischen Bolschewisten, die uns sonst ihre angebliche Freundschaft aufdrängen wollen, hätten es auch nicht nötig, bei der deutschen Räumung des Ostens die Rolle des Marschalls Fach zu spielen. Der geschlossene Friede ist für sie nicht mehr vorhanden. Sie machen uns hart zu schaffen; Ebert sagte auf dem Reichs- kougrcß der Arbeiter- und Soldatenräte, unser Ostheer stehe vor der Gefahr des Zusammenbruchs. Hoffentlich ist das zu schwarz gesehen und gelingt es der übermensch­lichen Anstrengung der Obersten Heeresleitung, unsere Truppen in Ordnung vollends über die Grenze zu bringen. Im Westen legt uns Marschall Foch unbarmherzig immer neue Lasten auf und jeder Tag bringt beincft' andere Gebote und Verbote. Der Vernichtungswille d,c Feinde geht so weit, daß nach einer Londoner Meldung bereits auf die neutralen Nachbarstaaten Deutschlands Zgewirkt wird, in den nächsten zwei Jahren nach Frie- vensschluß nur solche Waren von Deutschland zur Weiter­beförderung zu kaufen oder zu übernehmen, die von den VerbandsmächtAi zugelassen werden. Das läuft natürlich auf eine vollständige Knebelung unseres wirtschaftlichen Verkehrs mit dem Ausland hinaus. Denselben Sinn hat die neueste Anordnung, daß Deutschland über seinen ! Staatsschatz nicht mehr frei verfügen darf und zu jeder Abgabe von Gold ins Ausland die Genehmigung des Verbands eiuzuholen hat. Da wir bei den gegenwärtigen Verhältnissen Waren gar nicht oder nur in geringem Umfang ausführen können, so müssen wir ,ür. w-

so dringend nötigen Lieferungen »rs dem Ausland ins Gold bezahlen. Dürfen wir aber über unser Gold nicht; mehr frei verfügen, so hat die Einfuhr ein Ende oder . doch die Grenze an dem, was uns der Feind auszugeben j gestattet. Wir werden also, solange diese Maßregel be- ' steht, in der Hauptsache nur noch solche Waren vom Aus-) land beziehen können, deren Ankauf uns der Feind be- ! willigt. Selbstverständlich erhält der deutsche Kredit im / Ausland dadurch einen schweren Stoß und die gesunkene ( deutsche Valuta kann sich mindestens nicht erholen. Wir l werden für das, was wir kaufen, dem Ausland weiterhin ! Kriegspreise" zu bezahlen und so den doppelten Schaden haben. ES ist gerade so, wie wenn eine Person etwa i wegen Verschwendung gerichtli ) unter Kuratel gestellt ^ wird. (

In der Ukraine hat der deutschfreundliche Het- < man Skoropadski abdanken müssen. Tie deutschen ! Truppen in Kiew konnten ihn nicht mehr stützen, nach- / dem der Süden der Ukraine von Engländern und Jta- : lienern besetzt worden war. Und noch ein anderer Staats- ; lenker, der Deutschland feine Freundschaft bewahrt hat, ! ist gestürzt. Der Präsident der portugiesischen Republik, ! Paes, ist von bezahlten Gesellen ermordet worden. ) In Spanien ist der deutschfeindliche Minister Noma- ) nones wieder ans Ruder gekommen, von dem er ver- i drängt worden war, nachdem er seinerzeit die spanische ) Neutralität durch unverhüllte Begünstigung des Verbands - in Mißkredit gebracht hatte. Die erste Tat in seiner l neuen Regierung war, daß er die Abberufung des deutschen Botschafters von Madrid verlangte, ( weil dieser angeblich Spionage betrieben habe. Es ist schwer einzusehen, -was dermalen deutsche Spionage in i Spanien für einen Zweck haben soll.

Das Schicksal des Kaisers Wilhelm liegt noch , im Dunkeln. Tie feindliche Presse verlangt die Ausliefe- ' rung und Bestrafung des Kaisers und aller Deutschen, - die am Kriegsausbruch Schuld tragen. Englische Minister, f . sprachen davon in ihren Wahlversammlungen. Ja, wenn ^ man die wirklich Schuldigen fassen und bestrafen wollte, > so müßte man sich doch wohl an andere Adressen wen- ' den. Aber je beharrlicher die Forderung der Auslieferung ' und.Bestrafung erhoben wird, um so mehr wird die Welt , nach einem bekannten uud bewährten Grundsatz . der Reklamekunst zu der Ueberzeugung gebracht, daß wirklich Deutschland den Krieg heraufbeschworen habe. ^ In Holland und bei dessen mutiger Königin Wilhelmine ; macht der Kunstgriff aber offenbar noch nicht die ge- z ntzyende Wirkung. In einer Staatsratssitzung wurde, ; anscheinend ans einen, förmlichen Antrag der EnteiO bin, entschieden, daß Holland die Auslieferung ver- ..Zgere und daß es sein ihm völkerrechtlich zustchendes Gastrecht nicht antasten lasse. Ter Beschluß gereicht Holland und seiner Königin zur Ehre. Es ist nicht das erste Mal, daß Königin Wilh.Imine dem siegestrun­kenen England ihr Gastrecht abtrotzt. Als der alte Ohn Paul, der Prääsident der südafrikanischen Burenrepublii Krüger, nach langem rühmlichem Kampfe das Lani vor den eindringenden Briten vei lassen mußte, da sandt« ihm Königin Wilhelmine ein holländisches Kriegsschiff z?- ' as ihn mitten durch die englischen Blockadeschisfe siche, - nach Holland trug. Und die Engländer wagten nich die Fahrt zu stören. Kaiser Wilhelm hat vielleicht i» seiner jetzigen Einsamkeit schon manchesmal an den Präsidenten Krüger und seine gastliche Aufnahme in Holland gedacht. Vielleicht hat er es auch schon bereut, damals den Flüchtling, als er an seiner Pforte an- klopfte, abgewiesen zu haben. Auch Kaiser Wilhelm wird hoffentlich dein Haß der Feinde nicht ausgeliefert werden. Es wäre eine Würdelosigkeit, wie Abg. Haust in a n n jüngst in einer Versammlung in Göppingen kr- ^nd sagte, wenn Holland ihn ausliesern würde, ade, wäre eine noch größere Würdelosigkeit, wenn eine deutsche Negierung jemals ihre Zustimmung zu seiner Auslieferung geben würde. ' .

Berlin, >1 , Dez. Am Dienstag abend forderten die Trucker der Firmen Scherl, Ullstein und Mösle eine Erhöhung ihres Wochenlohns von 79 ans 120 Mk. Die Geschäftsvertreter der Firmen wollten vorläufig 15 Mark Wochenziilage gewähren und forderten die A'' .chme dieses Angebotes in S Minuten. Eine Ver­ständigung erfolgte nicht, daher sind heute früh keine Zeitungen erschienen. Auch heute abend erscheinen Zei­tungen der genannten Beilage nicht. ^..