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Vier Jahre Weltkrieg.
Deutschlands Prüfung und Bewährung.
Von Rudolph St r atz.
Es ist harte, furchtbare Wirklichkeit, was seit vier Jahren um uns, durch uns, in uns geschieht, ttnd doch klingt es wie eine Sage, wie ein Heldenlied an? ferner, grauer Zeit. Wer uns vor vier Jahren und ein paar Monden gesagt hätte: der größte Teil Europas, fast ganz Asien, ganz Afrika, ganz Australien, fast ganz Nordamerika und halb Südamerika werden Deutschland mit Krieg überziehen. Mehr als zwölshündert Millionen Menschen werden sich auf ein friedlich in ihrer Mitte lebendes Kulturvolk von 67 Millionen und seine nicht zahlreicheren. Verbündeten stürzen. Das russische und das britische Weltreich, das chinesische Riesenreich, die japanische Weltmacht des Ostens, der amerikanische Erdteil, die einen halben Erdteil umfassende Ländermasse Brasiliens, das waffenkundige Frankreich, die Großmacht Italien, das Königreich Rumänien, mit einer Ausnahme der ganze Balkan, Portugal, Haiti, Liberia, ein Gewimmel von Staaten und Raubstaaten hinterdrein — sie alle werden sich die Hand reichen, um im Namen der Kultur das Land Gutcnbergs und Goethes, Luthers und Kants, Schillers, Beethovens, Richard Wagners zu vernichten. Man wird die Wilden ans dem Herzen Afrikas yolen, die Inder über das Meer schleppen, die Rothäute bewaffnen, die Siamesen ' einschifsen, die Marokkaner und die Madagassen auseim ten, die Kosaken loslassen, die Kalmücken und Kirmsen einstellen. Die Buren werden sich in den Sattel schwni gen, die -Kanadier zur Flinte greisen, die Australier von Weib und Kind Abschied nehmen, die Nankcc"- die Trommel rühren, die Neuseeländer Heim und Haus verlassen — alles in einem irren Massenschrei: lieber den Rhein! lieber die Weichsel! Nach Berlin! Nach Berlin!
Niemals, solange das Gedenken der Menschen zurück reicht, wurde ein Volk einer solchen Härtung durch das Schicksal unterworfen, wie Deutschland in diesen JalTren Es war die schwerste Belastungsprobe, die je die Gemei. schaft eines Volkes in Waffen gegen einen zehnfach überlegenen Feind zu bestehen hatte, gegen eine kriegerische Völkerwanderung, die Lawinen bewehrter Wilder als Kanonenfutter vor sich herpeitschte, der alle Hilfsmittel, aller Menschenwitz, alle Naturschätze der Erdkugeßune böse
Vas
Von E. Marlitt
Unsere Seelen berühren sich, mögen Sie auch mir wehren, .die Hand in Wirklichkeit zu fassen, die mir einst mein Geld trotzig vor die Füße geworfen hat "
Mit wenigen raschen Schritten stand er drüben am Flügel, und gleich darauf klangen Harmonien an mein Ohr, die mich in eine Art von Taumel versetzten... . Diese wundervollen Klänge gehörten mir allein — sie Hallen „nichts mit denen zu schassen", deren Geplauder aus dem letzten Zimmer fern Herüberschöll!... Ja, hochauf sprangen die erlösten . Quellen der Jugend im Herzen des so schwer Gekränkteil, der eine kurze Zeit ü L - ausschäumender Leidenschaft durch Entsagung auf
r. ebensglück und Lebensgenuß hatte sühnen wollen-
Und die Hände, „die nie wieder eine Taste berührt . chs^'N, jetzt schlugen sw das Thema an, das die geheim- nmwoll vermittelnde Beziehung zwischen seinem gereisten, stalken Geist und niemer schwachen, schwankenden Kinder- feele aussprach:
..O säh' ich auf der Heide dort
- Im Sturme dich!
r, Mit meinem Mantel vor dem Sturm
/ Beschützt' ich dich!" - -
„Gott im Himmel, ist das nicht Herr Claudius, der spielt?" fuhr Fräulein Fliedner ans dem Salon herein und schlug bei 'Erblicken des am Flügel -Sitzenden in freudiger Bestürzung die Hände zusammen.
Ich ging an ihr vorüber — ich konnte sie unmöglich m mein Gesicht sehen lassen. In eine der tiefen Fensternischen des Salons flüchtete ich mich hinter die seidenen Vorhänge, die ich bis auf einen schmalen Spalt zusammenzog — mochten doch da meine Wangen glühen -und meine Augen glückselig aussehen; niemand kümmerte sich um mich.
- Einen Auaetrblick blieb es still im leeren Salon nn^
Mittwoch, den 3 t. In» 1918.
Geister dienten, die, im Osten zumal, auf alle L-cpreaen des Krieges alle Schrecken der Bestialität häufte.
Das war der Krieg. Aber er war nur das erste Verderben, das uns drohte. Hinter ihn: schritt das Gespenst des Hungers. England rief es zu Feuer und Schwert an seine Seite. Die Meere schlossen sich. Die Blockade begann. Gros'ntannicn erklärte den Frauen und Kindern, den Greisen und Kranken in Deutschland den Ans- rottnngskrieg. Von Frankreich aus wurde die Zerstörung der deutschen Kornfelder ßnrch Brandbomben angeraien. Man schickt den Kriegsgefangenen heimlich Anweisungen zum Ainünden der hentschen Getreidescheunen uno?nm Vernichten der Kartoffeln. Jedes Mittel schien gegen Deutschland recht. Auch im Ausland. Zu tzunderttau- ienden pnd Millionen wurden dort die Deutschen für Vogel frei erklärt, über die Länder gehetzt, die Frau en euer durch Afrika geschleppt, die Greise nach Sibirien verbannt, ylles, was deutsch war, seiner Habe beraubt, eingewrkert, mißhandelt, getötet. Es war die größte Menschenverfolgnng, seitdem es Menschen auf der Erde gibt.
England holte zum dritten Streich aus. Es glaubte auf Grund jahrelanger, geheimer Handelsspionage unO tleberwachnng des Weltverkehrs genau den Zeitpunkt be rechnet zu haben, wo, infolge der Seesperre, die zur Kriegführung in Deutschland nötigen Rohstoffe versiegle», der Salpeter für den Schießbedars ansging, Metalle für den Geschntzstahl mangelten, das deutsche Heer ein -Fiese ohne Waffe wurde. Dieser Gedanke allein genügte vchon, den kranken Hirnen des Weltbunds, den Tag des Finzngs in Berlin vorzngaukein.
Krank, moralisch trank waren diese Hirne. Sonst Hätte» sie nicht zur vierten und ekelsten Waffe wider Deutschland gegriffen, zur Macht der Lüge. Eine Springflut von Geifer, Gift und Galle, ein Meer der Verleumdung. ergoß sich über ein reines, großes und starkes Volk wie das unsere, ein Volk, das so stolz war, oaß es sich fast für seine Feinde schämte. Niemals früher hä:»en Menschen solch m Wahnwitz geglaubt. Jettt brach eine Menschheitsdümnl-ernng herein. Dem sch', and stand einsam inmitten einer enlarietcn Welt.
Krieg,. Hungersnot, Wafsenmavgel pnd Verleumdung, - das waren die vier apokalyptischen Reiter, die unheilverkündend wider Deutschland heranbrausten. Ein Fern ruhiges Antlitz sah ihnen entgegen. Deutschland batte tick:, in den Suuiden der Not, weit über Irdisches
36. Jahrgang.
erhoben."Es kannte nicht mehr, was bei anderen Menschen Furcht heißt. Es sühtte nur das eine, je ungeheure» sich die Gefahren anstürmten, desto ungeheurere, ungeahnte, weltüberwindend.', wund.'rwDkende Kräfte in ihm lebendig wurden, und nahm mit Gott, in gläubiger Zuversicht und dem Bewusstsein seiner gerechten'Sache, den Kampf ums Dasein aus. Und siegte.
Im Anfang war die Tat: die Tat soll auch das Ende dieses ungeheuren Ringens sein. Kein Wort allst», kein bester Wille ans unserer Seite bringt der Menschheit Erlösung, solange der Rest unserer Feinde ans ihrem blutigen Wahnsinn eines Krenzzugs wider Deutschland verharrt. Diesen Wahn heilt nur das Schwert. Es wird gut vollenden, was es gut begann. Noch stehen wir mitten in der letzten Prüfung. Aber eine Stimme von oben sagt uns: Ein Volk, das die Wunder vollbrachte, die sch'on hinter uns liegen, das schreitet auch aufrecht und itegremi bis zum Schluß, zum Frieden überall, zu neuer deutscher Kraft und Herrlichkeit.
Finanzminister Pistorius zur Reichseinkommen und Vermögensteno
In der Kommissionsöeratuog im Reichstag über die zu eit Kriegsstcuer erklärte der württembergische Finauzminister v. P i storius : Die württemb.'rgische Stcuerverfasjung habe sich anders nitmickelt als in anderen Bundesstaaten. Seit 1877 habe Wittj- emberg eine musterhafte Grunüst eu e r , die jeden Fleck erlaßt, nach der Kulturlagc und dem Ertragswert, dann eine Ge- o ä u d e st c n e r, die jede Hütte trifft und die veranschlagt werde nach dem laufenden Verkehrswert, ferner die Gewerbesteuer auf den Reinertrag. Als weitere Steuer komme die Ein komme n st e ue r in Betracht, die scharf veranlagt und eingezogen werde. Lohn- und Gehaltslisten ermöglichen das. Jeder Verein sei ein Steuerobjekt. Aber Württemberg habe mit fast zu hohe» Steuersätzen auf den Kopf gerechnet. Komme eine Reichs- steuer, so werde Württemberg mit seinem Veranlagungsund Eintreibuiiasverfahren die volle Last zu tragen haben. Württemberg habe eine bürgerliche Bevölkerung, Großgrundbesitz und Großkapital sei nicht so vertreten wie anderwärts. Wenn man die Kriegsstcuer im Reiche nach dem württemdergischcn Verfahren erhoben hätte, so müßten statt der eingckommcnen 5ch Milliarden 9 Milliarden Mark eingcHMigen jcm. Diese Verhältnisse dürften nicht dazu führen, von Rcichswcgen gleiche Beran- lagungsvorschriften zu erlassen. Die Zcntraiiperun'g der Rcichs- ""ucru habe von dein Standpunkt der Finanzverwattung d ^.undesstaatc» ihre größten Bedenken. Wenn er sich gegen du Einführung einer Reichscinkomme» und Vermögenssteuer wende, jo schließe das nicht aus, dxß man im Hinblick auf die Finanznot des Reichs ausnahmsweise eine aiißerordeiitlicbe Abgabe von Vermögen und Einkommen erhebe. Daß das schärfere' Insassen der württembergischen Steuerbehörden tatsächlich zut.iff:, wurde
jeder Ton, mich der schwächste schwebte vom Flügel zu mir herüber. Ta kam plötzlich die Prinzessin über die Schwelle; ich sah, wie sich ihre Brust gleichsam befreit hob unter der Gewißheit, endlich allein zu sein. Sie nahm den verdunkelnden Schirm von der auf dem Teetisch stehenden Kugellampe, so daß deren Licht voll auf Lothar's Bild siel. Noch einmal ließ sie ihren Blick rasch durch den Salon, und das Nebenzimmer streifen, dann trat sie vor das Bild, zog ein Buch aus der Tasche und warf in fliegender Hast mit dem Stift Linien auf das Papier — sie suchte offenbar die Umrisse des schönen Männer!'Des, vielleicht auch nur „die Augen voll Seele", in diesem unbelanschten Moment zu erhaschen.
Ich erschrak in meinem Versteck, denn ich sah plötzlich bestürzt in das Herz der fürstlichen Frau und sagte mir selbst, daß sie sicher Lebensjahre darum geben würde, Wenn sie das Bild als ihr eigen von der Wand nehmen dürfe— Niemand fühlte wohl in diesem Augenblick inniger mit ihr, als ich, die Glückliche, zu der „die andere Seele" eben in ticfergreisenden Melodien sprach!... War es mir doch, als müsse ich hervorspringen und ihr Buch und Stift ans der Hand nehmen, um beides zu verbergen; denn sie hörte nicht, daß nahende. Schritte herankamen; sie sah nicht ans, als Charlotte lautlos durch den Salon huschte und die Tür leise zudrückte, so daß die Musik nur noch gedämpft herüberklang — dann stand sie mit wenigen Schritten hinter der Prinzessin.
Dieses Geräusch ließ die hohe Zeichnerin aussehen
— purpurn schoß ihr die Röte des Erschreckens über das ganze Gesicht; aber sie sammelte sich unglaublich rasch, klappte das Buch zu und maß die Störe'rin über die Schulter mit einem stolzen Blick.
„Hoheit, ich weiß, daß ich eine schwer zu entschuldigende Taktlosigkeit begehe," sagte Charlotte — an dem starken Mädchen bebte jede Fiber —. „Es ist ein günstiger Augenblick, den ich kühn erhasche, um unter dem Schutze dieser Augen" — sie zeigte nach'Lothars Bild
— zu Euer Hoheit zu sprechen." . .. — -
Tie Prinzessin wandte ihr im höchsten Erstaunen nun voll das Gesicht zu. „Und was haben Sie mir zu sagen?"
Charlotte sank in die Kniee, ergriff die Hand der fürstlichen Frau und zog sie an ihre Lippen. „Hoheit, verhelfen Sie mir und meinein Bruder zu unserem Rechte!" flehte sie mit halberstickter Stimme. „Wir werden um unfern wahren Namen betrogen, wir müssen das Gnadenbrot essen, während wir vollgültige Ansprüche auf ein bedeutendes Vermögen haben und längst auf eigenen
Füßen stehen könnten- In unseren Adern fließt
stolzes edles Blut, und doch fesselt man uns förmlich niit Ketten an dieses Krämerhans und zwingt uns gewaltsam in bürgerliche Verhältnisse —"
„Stehen Sic ans und sannmln Sie sich Fräulein Claudius," unterbrach sie die Prinzessin — die hoheitsvolle Gebärde, mit der sie winkte, hatte durchaus nichts ermutigendes. „Sagen Sie mir vor allem, wer betrügt Sie?" -
„Es will mir nicht über die Lippen, denn es sieht aus wie schwarzer Undank.... Tie Welt kennt uns nur als Adoptivkinder eines großmütigen Mannes —"
„Ich auch.—"
„Und doch ist er's, der uns beraubt" fiel Charlotte wie verzweifelt ein.
„Halt — ein Mann wie Herr Claudius raubt und betrügt nicht! Ta glaube ich eher an einen schweren. Irrtum Ihrerseits!"
Ich hätte hervorstürzen und die Kniee der Dame umfassen mögen für diesen Ausspruch
Charlotte hob den Kopf — man sah, sie raffte all' ihren Mut zusammen. Mit einer raschen Bewegung stieß sie auch die Tür zu, durch welche ein lautes neckendes Gespräch zwischen der Hofdame und Dagobert herüberscholl.