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Ur. 113
Samstag, de« 13. Mat 1916.
Der Zucker für die Haushaltung'
In den letzten Tagen smd in einer großen Anzahl von Zeitungen Artikel, die von einer Zentralstelle stammen, erschienen, worin die Hausfrauen ausgesordert werden, ihren Bedarf an Früchten für Gesäls ohne Zucker einzumachen. Man wird nicht irren, wenn man darin den Versuch erblickt, die Hausfrauen langsam darauf vor','.bereiten, daß für ihre besonderen Haushaltungszwecke kein Zucker oder doch nur in sehr beschränktem Maße von der Reichszuckerzentrale vorgesehen sei.
Nun möchten wir da doch an einiges erinnern. Als sich vor etwas mehr als 15 Monaten die Erkenntnis eiustellte, daß der Krieg von sehr viel längerer Dauer >ein werde, als man angenommen hatte, da begann mau, leider reichlich spät, den Lebensmittelverbrauch von Amtswegen zu regeln und für eine planmäßige Versorgung der Bevölkerung Anstalten zu treffen. Damals schon - - es gab noch keine Fleischkarten — wurde darauf hingewiesen, daß wahrscheinlich auch mit einer gewissen Knappheit von Fleisch und Gern zu rechnen sein werde, und es wurde, wiederum von Amtswegen, der Rat erteilt, den Ausfall an Fleisch und Gern, der sich infolge der unausbleiblichen und in Kriegszeiten bis zu einem gewissen Grade eben nicht zu verhindernden Verteuerung der Lebensmittel in der Ernährung des weitaus größeren Teils der Bevölkerung einstellen mußte, durch möglichst reichlichen Genuß von eingemachtem Obst auszugleichen. Ein guter Rat, -denn tatsächlich war vor dem Kriege der Verbrauch von Fleisch und Gern in Deutschland viel zu groß. Obst und Früchte in jeder Form sind aber für Erwachsene und besonders^ für Kinder eine gesunde und bekömmliche Nahrung. Der Himmel schien die löbliche Absicht zu begünstigen, denn er bescherte uns im vorigen Jahr eine Obst- und Beerenernte, wie wir sie seit langer Zeit nicht mehr zu verzeichnen hatten. Aber was geschah? Ein Heer von Händlern, Unterhändlern und Agenten überschwemmte das ganze Land und lauste die Ernte zu jedem Preise aus, so daß z. B. für ein Pfund Johannisbeeren, das in weniger gesegneten Jahren 12 bis 15 Pfg. kostet, bis zu ckO^Pstnnig bezahlt werden mussten. Daß ein namhafter weil der Ernte, mit samt , dem nötigen Zucker, der damals rarer uud
Pulver unci 6oict.
Von Levin Schücking
Nachdruck verboten.
Die Nacht verging ziemlich ruhig. Nachdem ich am anderen Tage meinen Dienstobliegenheiten genügt, die Rückkehr einer kleinen Streispatrouille abgewartet, die Glauroth als Gefreiter mit zwei Mann ausgeführt, und vernommen hatte, daß der Oignonfluß hinter Chateau Giron keine Fähre oder Fuhrt zu besitzen scheine, daß nach den eingezogenen Erkundigungen die Franktireurs von gestern sich den Fluß abwärts nach der Richtung von Montbazon geflüchtet — als für den Tag also für mich „des Dienstes immergehende Uhr" abgelaüfen, nahm ich mir ein Herz,'stieg aus meinem unteren Stockwerk in das Hauptgeschoß von Chateau Giron hinauf und ließ mich von einem Mädchen, das mir begegnete, bei der Herrschaft melden. Das Mädchen sah den Ulanen, der die verwegene Idee hatte, ihrer Herrschaft einen Besuch machen zu wollen, mit verwunderten Blicken an "nd antwortete: „Mais Monsieur, Mädame Kuhn empfängt niemand — sie ist leidend — wenn Sie etwas Geschäftliches haben, so ist der Herr Abbs. .
„Bringen Sie immerhin meine Karte hinein, wenn nicht zu Madame Kühn, dann zu Fräulein Kühn!"
Sie ging und kam nach einer Weile zurück, um mich in einen sehr eleganten, sonnigen, auf den Garten hinausführenden Salon zu führen; im Hintergründe war eine Portiere von braunem Samt niedergelassen; ich nahm an der Bewegung der Falten wahr, daß es soeben geschehen sein mußte — wahrscheinlich barg sie in einem Zimmer dahinter die leidende Madame — im Salon saß Fräulein Kühn in einem bequemen Lehnstuhl, hinter ihr der Abbe, meine Karte in der Hand, die er ihr zu erklären schien.
Er erhob sich, um mich zu bewillkommnen; das Fräulein wies auf einen in ihrer Nähe stehenden Sessel.
empfindlich teurer wurde, nach England hinüberkam geht daraus hervor, daß der stellv. kommandierende General von Köln sich veranlaßt sah, die Durchfuhr von Obst nach Holland durch seinen Kommandobereich zr verbieten mit der Begründung, es bestehe begründete, Verdacht, daß die Früchte nach England geschafft werden. Ganz natürlich, denn Holland, das selbst Obst usw. aussührt, brauchte unsere Ernte nicht. Der Bundesrat hatte das bestehende Ausfuhrverbot für Früchte au s zeih o ben, weil er, wie amtlich mitgeteilt wurde, der Ansicht war, daß die Ernte in Deutschland so groß sei, Las sie im Reich nicht ganz hätte untergebracht werden können. Und als nun das Meiste aus dem Lande war, da wurde die Ausfuhrerlaubnis wieder aufgehoben. Iw „Staatsanzeiger für ffa,",-.--wa> davon zu lesen.
Nun sind inzw-.s' ca r rfür alle Lebensmittel uud Geblauchsgegenftäude «n wer gestiegen, obgleich n a ch weislich mehr als genügend Vorräte vorhanden find, selbst der Zucker ist nur noch in kleinen Mengen uw teures Geld zu haben. Wieder stehen wir in der Zeit, wo der billige Ersatz der teuren Nahrungsmittel nach der Weisung des Himmels beschafft werden soll und — könnte. Aber es fehlt der notwendige Zucker. Wo die ungeheuren Vorräte an Zucker aus einmal wieder hin- gerommen sind, jetzt, wo man ihrer am nötigsten bedarf, ist eines der großen Rätsel, vor die man in dieser Kriegszeit sich schon öfters gestellt sah. Und da sollen nun die Hausfrauen ihre Früchte ohne Zucker einmachen. Wer nur einen geringen Einblick in die Ding' hat, kann ermessen, was dieser Rat zur Folge hätte. In gar vielen Haushaltungen würde man vom „Einmachen" überhaupt absehen, schon deshalb, weil man aus das ungezuckertc Einmachen nicht eingerichtet ist und die Beschaffung dm erforderlichen Kessel, luftdicht verschließbaren Gläfer usw. nicht unerhebliche Kosten verursachen würde. Andererseits ginge viel Obst durch unrichtige, weil ohne wie nötige Erfahrung betätigte Behandlung zugrunde. Und dieser Mangel au Erfahrung ist leicht verständlich: denn wo mau seit Urgroßmutters Zeiten gewohnt war, die Früchte mit Zuckerzusatz in richtiger Weise haltbar zu machen, kann man nicht über Nacht sich eine Fertigkeit aneignen, zu der lange Uebnng gehört. In jedem Falle wären alle diese Familien, die sich sonst einen
! Ich muß gestehen, daß ich ein wenig verwirrt war.
! Fch hatte zu tun, mich in die Erscheinung der jungen
: Dame zu finden, welche mir gestern im Mondschein einen ganz andern Eindruck gemacht hatte — und doch war es dieselbe schlanke Gestalt mit den schön abfallenden Schulterlinien und dem edlen Oval des Kopfes, die gestern vom Mondlicht und einem eigentümlichen Zauber umflossen vor mich getreten. Es war dasselbe sonore Org in, das in meinem Ohre wiedergeklungeu; und als sie die Arbeit, über welche sie gebückt saß, vvn sich schob und den Oberkörper zurückwarf, sah ich, daß sie auch ganz so groß war. wie sie mir gestern erschienen Nur ihre Züge, die mir gestern bleich, ernst, strenge vorgekommen, waren anders. Sie hatten freilich nacht viel Farbe, aber eine ganz gesunde, wie von einem leichten bräunlichen Don überhauchte Frische; sie hatten nicht viel oom französischen Typus, sie waren einfach und edel geschnitten: aber ein Ausdruck von Schelmerei, der aus ihren großen braunen Augen leuchten und uni den scharfgezeichneten Mund zucken konnte, hatte nichts gar ;u Strenges.
Ich bemerkte, daß, als sie ihre Stickerei von sich geworfen und nun ein Paar Halbhandschuhe, die vor ihr lagen, anzog, ihre Hände ein wenig zitt Nein ich schloß daraus, daß sie eine leicht erregbare Natur sei; daS Entgegentreten eines „Feindes", wie ich ww, mußte
! sie ganz ebenso bewegen, wie mich die Erfüll nng di-ser
! meiner Höflichkeitspflicht gegen meine unfreiwilligen Gast-
! /freunde.
j „Ich hoffe, Sie gestatten mir," begann ich, ein wenig stotternd und unsicher, „persönlich Ihnen die Belästigung abzubitten, die wir gezwungen sind ..."
„Ah," unterbrach sie mich, „wie könnten wir Belästigung zu fürchten haben von Leuten, die nur auf moralische Eroberungen ausgehen — mein Vetter, der ÄbbL hier, hat mir von seiner Unterhaltung mit Ihnen erzählt und hat meine Mutter und mich sehr beruhigt: meine arme Mutter ist leidend; sie konnte nicht reisen, s-o mußten wir denn auf dem Gute bleiben und Stand halten..."
33. Jahrs
gewissen Vorrat an dem jetzt doppelt und dreifach nötigen Gesäls einzulegen pflegten, gezwungen, ihren Bedarf in Dosen usw. zu den bekannten Krregspreisen zu kaufen oder, soweit sie das nicht können, auch darauf zu verzichten.
Tie offenbar bestehende Neigung, den angeblichen . Mangel an einem bestimmten Bedarfsartikel wieder die-
Privathaushaltung entgelten zu lassen, ist einer der tue len Mißgriffe des Systems Delbrück, womit natürlich nicht gesagt ist, daß diesen unglücklichen Staatssekret. F allein die Schuld treffe. Wir möchten einen andern Vorschlag machen. Daß der Bundesrat noch einma das Ausfuhrverbot für Fruchte und Obst aufheben werde erscheint ausgeschlossen, Obst und Beeren werden wir also in genügender Menge haben. Nun erscheinen aber schon in den Zeitungen Anzeigen von Konservenfabriken, die Unterhändler und Agenten zum Aufkau jeder Menge von Obst und Früchten suchen. Die Konser venfabriken bereiten sich also schon für eine günstig' „Konjunktur" vor. Da ist es Zeit, daß der Hamsterei ein Riegel vorgeschoben und daß dafür gesorgt wird, daß nicht das, was die Allgemeinheit dringend zum Lebensunterhalt braucht, wieder ein Gegenstand geschäftlichen Gewinnes und so ungebührlich verteuert wird.
Das Fachblatt der Konservenindustrie hat, wie wir mitteilten, neulich sich zu der unerhörten Forderung verstiegen, daß der vorhandene Zucker der Konservenindustrie Vorbehalten bleiben solle. Nein, gerade umgekehrt. Tie Konservenfabriken sind mit allen erdenklichen Ein- richtungM ausaestattet, sie verfügen über technische und praktische Erfahrung, sie sind also gut in der Lage, das ihnen etwa zuzuweisende Kontingent von Früchten ohne Zucker einzukochen. Für sie kann es auch gleichgültig sein, ob sie ihren Geschäftsgewinn aus ge- : zuckerten oder ungezuckerten Konserven ziehen. Da nach : den halbamtlichem Ratschlägen an die Hausfrauen un- i gezuckertes Gesäls ebenso gut und ebenso daucrhauft ist,
^ wie gezuckertes, so ist nicht einzusehen, warum die Leute ! rait Erfahrung nicht mit gutem Beispiel vorangehen soll- j ten. Oder sollte es da wieder heißen: Ja Bauer, das ist > ganz etwas anderes? ' —n
„Was ich als ein großes Glück für uns betrachte," siel ich ein. „Was aber die moralischen Eroberungen angeht, so war das ein zuversichtliches Wort, das ich nicht mehr gesprochen hätte, wenn ich vorher Gelegenheit gehabt hätte. Ihnen zu begegnen, mein Fräulein, wie cs erst nachher im Garten geschah, tvo ich einsah, daß ich vielmehr Gefahr laufe, moralisch erobert zu werden."
Sie schlug das Auge zu mir aus.-
Ich fühlte, daß ich etwas gesagt, was sie gründlich mißverstand und errötete deshalb.. In Deutschland wäre keine Dame aus den Gedanken gekommen, daß ein wildfremder junger Mensch, eine feindliche Einquartierung, sich cinfallen lassen könnte, sofort mit einer Art Liebeserklärung zu beginnen. Sie, die Frailzösin, hatte mir offenbar diese Fadheit zugetraut, und geärgert dadurch, setzte ich rasch und scharf hinzu: „Denn wenn Sie mit solcher Beredsamkeit sortfahren, alle meine Voraussetzungen über den Haufen zu werfen und mir zu zeigen^ welch' böse Hunnen oder Goten wir sind, in das arme friedfertige Frankreich einzubrechen und es zu hindern, als das große Weltlicht die Strahlen der Gesittung ans- Zuströmen und über die Volker der Erde zu ergießen, so muß ich mim wohl entwaffnen und zu Ihnen hiuüber- zieheu l-ssen. . . ."
Ihr Gesicht erhellte sich, sie sagte, ohne sich durch meine Ironie gereizt zu zeigen, lächelnd: „Es scheint doch, meine Behauptungen haben Sie ein wenig erregt, und so müssen sie doch wahr sein, öenn nur die Wahrheit macht Eindruck ans uns!"
„Wollen Sie mir nicht böse werden, Fräulein," jagte ich, „wenn ich widerspreche? Nicht die Wahrheit macht in Frankreich Eindruck, sondern nur der Schein. Wir Deutsche mit unserem einfach nüchternen Verstände stehen hier betroffen, völlig erstarrt darf ich sagen, vor dem psychologischen Rätsel: „„wie ist es möglich, daß eine ganze gebildete und edle Nation so durchaus"blind für die Wahrheit sein kann!""