Stan-esbuch - Chronik der Stadt Wtldbad

V»m 3. bi« 7. Dez. 1903.

Geburten.

30. November. Eitel, Christian Jakob, Holz­hauer hier, 1 Tochter.

Aufgebote.

4. Dezember. Rost, Ernst Louis, Gastwirt in Rochlitz und Sattler, Bar­bara Sofie von Zürich.

7. Dezember. Reich, Josef, Säger von Ton­bach, Gde. Baiersbronn, und Gaus, Wilhelmine Elisabethe von Pfafferstube, Gde. Grönbach.

NAuvsHii

Neuenbürg, 14. Dez. Am Sonntag den 20. Dez., nachmittags 2 ein viertel Uhr findet auf dem hiesigen Rathaus die ordent­liche Generalversammlung der Bezirks­krankenkasse Neuenbürg statt. Tagesordnung ist folgende: 1. Wahl des Ausschusses für die Prüfung der Jahresrechnung pro 1903. 2. Er­gänzungswahl des Vorstands. 3. Aenderung des Statuts (Aufstellung eines neuen Statuts). 4. Sonstiges.

Nagold, 9. Dez. Das Gasthaus zum Pflug ging samt Wirtschaftsinoentar durch Kauf an Jakob Haag von Unterjettingen um den Kaufpreis vou 31600 Mark über.

Cannstatt, 9. Dez. Heute früh nach 4 Uhr brach im Maschinenraum der Eisfabrik ein Brand aus. Das Feuer konnte jedoch durch das rasche Eingreifen der Feuerwehr aus seinen Herd beschränkt werden. Ausgebrannt ist nur der Maschinenraum.

Stuttgart, 9. Dez. In Anwesenheit von etwa 200 Vertretern fast sämtlicher euroväffchen Länder haben heute hier die Verhandlungen der europäischen Fahrplankonferenz unter dem Vor­sitz des Staatsrates von Balz begonnen. Ein Antrag Elberfeld auf Beschleunigung der Aus- gäbe der entgiltigen Fahrplanentwürfe wurde an­genommen und als Ort der nächstjährigen am 8. und 9. Juni stattfindenden Konferenz Kopen­hagen bestimmt.

Stuttgart, 10. Dez. Heute schließen die Beratungen der europäischen Fahrplankonferenz ab. Gestern Abend fand ein Festmahl im Hotel Marquard statt. Haupterfolg der Konferenz ist eine erhebliche Verbesserung der Verbindungen vom ganzen Deutschland mit dem Engadin. Buüd der Landwirte in Württemberg.

Stuttgart, 7. Dez. Die Landesver- sammlung des württembergischen Bundes der Landwirte fand gestern hier unter starker Teil­nahme statt. Der Vorsitzende teilte mit, daß der Bund in Württemberg gegenwärtig 20000 Mitglieder zähle. Dr. Dietrich Hahn sprach über'die Frage:Was wird der nächste Reichs­tag der Landwirtschaft bringen?" Dr. Wolf teilte mit, daß man damit befchästigt sei, sämt­liche agrarische Abgeordnete in eine Vereinigung zusammenzufassen. Es wurden zwei Resolutionen angenommen. Die eine erklärt, daß bei dem Abschluß neuer Handelsverträge die Interessen der deutschen Landwirtschaft, insbesondere der Viehzucht, des Wein-, Hopfen- und Garten­baues ausdrücklich gewahrt werden müßten. In der zweiten wird bedauert, daß Minister von Pischek ohne Grund und Veranlassung den Bund der Landwirte angegriffen babe. Die Landesversammlung weist diese Angriffe, die in der Hauptsache nur der revolutionären Sozial­demokratie genützt hätten, mit aller Entschieden­heit zurück und erkennt im Gegensatz zum Minister die tatkräftige Arbeit der besoldeten Wortführer des Bundes an, denen sie für ihre mühevolle und selbstlose Arbeit herzlichen Dank ausspricht. Herr Redakteur Schremps bedauert lebhaft die Uneinigkeit des Bauernstandes.

Lages-Nachrichteu.

Hagsfeld, 8. Dez. Hier, wo die Sozial­demokraten im Bürgerausschuß die Mehrheit haben, besteht jetzt auch der Kirchengemeinderal in seiner Mehrheit aus Sozialdemokraten. Bei der am Samstag stattgefundenen Ergänzungs­wahl zum Kirchengemeinderat wurden die 17 vorgeschlagenen sozialdemokratischen Kandidaten gewählt. Da vorher schon zwei Sozialdemokraten Mitglieder dieser Körperschaft waren, so haben sie mit ihren 19 Mandaten von den 36 des Kirchengemeinderats die Mehrheit.

Waldkirch, 8. Dez. Ein eigenartiger Streik ist hier ausgebrochen. Vor etwa zwei Monaten haben die hiesigen Friseure den Preis für Rasieren erhöht, womit die Männerwelt Waldkirchs anscheinend nicht einverstanden war. Denn seit kurzem ist die Zahl der Vollbärte erstaunlich im im Wachsen begriffen. Man ist gespannt, wie dieBartkrisis" endigen wird. Die holde Damenwelt soll eifrig auf Beilegung desStreiks" hinarbeiten.

Straßburg, 8. Dez. Die Wahl des frei­konservativen Reichstagsabgeordneten Dr. Höffel- Zabern, der mit 350 Stimmen Mehrheit über Dr. Boewit (freis. jVolkspartei) siegte, ist laut Frkf. Ztg." angefochten worden.

Halle a. S., 10. Dez. DieSaaleztg." meldet: Vom Kriegsgericht der 8. Division zu Halle wurde der Unteroffizier Kirchner vom Jnf.-Rgt. Nr. 153 zu Altenburg wegen Sol­datenmißhandlung zu 1 Jahr 2 Monaten Ge­fängnis und Degradation verurteilt. Kirchner hatte in zahlreichen Fällen seine Leute so miß­handelt, daß sie in Ohnmacht fielen. Ferner hatte er den Mannschaften gewohnheitsmäßig ins Gesicht gespuckt. Die nichtöffentliche Ver­handlung dauerte 2 Tage.

München, 10. Dez. DieM. N. N." melden, Hofkapellmeister Erdmannsdörfer nebst Gemahlin, Erdmannsdörfer - Fichtner, stifteten einen Betrag von M. 130000, dessen Zinsen nach dem Tode des Stifters zugunsten pen­sionierter Hofmusiker zu verwenden sind. Der Prinzregent verlieh anläßlich der Stiftung dem Hofkapellmeister den Kronenorden.

Bayreuth, 10. Dez. Heute früh brannte das große Möbellager der Firma Petzold und Faust ab. Der Fabrikbetrieb ist nicht gestört. Es wird Brandstiftung angenommen. (Frkf. Ztg.)

Berlin, 9. Dezbr. Der Seniorenkonvent machte sich heute über die Geschäfte des Reichs­tages schlüssig. Es werden vor Eintritt in die Weihnachtsferien, die vom 18. Dezember bis 12. Januar dauern sollen, die erste Lesung des Etats und das Handelsprovisorium mit England zur Beratung gelangen.

Berlin, 10. Dez. Den angeblichen Mörder der Prostituierten Luise Günther, die in der Hasenherde im Jahre 1898 einem Lustmorde zum Opfer fiel, scheint man in dem Vergolder Lrews aus Berlin, zur Zeit in Südafrika, ge­funden zu haben. Drews wird in einigen Tagen auf deutschem Boden landen, um zur weiteren Klärung der Schuldfrage dem Untersuchungs­richter vorgeführl zu werden.

Eine angebliche Ehe-Irrung in Wien.

Wien, 8. Dez. Auswärtige Blätter haben Gerüchte gemeldet, daß zwischen dem Prinzen Otto Windischgrätz und seiner Gemahlin, der Erzherzogin Elisabet (bekanntlich einer Tochter des Kronprinzen Rudolf und der Prinzessin Stephanie, jetzigen Gräfin Lonyay), ernste MH- Helligkeiten entstanden seien. Die Erzherzogin habe im Prager Palais des Prinzenpaares die Geliebte ihres Gatten, eine tscbechnische Schau­spielerin namens Ziegler, durch einen Revolver- schuß schwer verletzt. Nach direkten Prager Meldungen sind diese Gerüchte durchaus erlogen. Zwischen dem Prinzen und seiner Gemahlen, die Mutterfreuden entgegensieht, bestünden ganz ungetrübte Beziehungen.

Belgrad, 8. Dez. Infolge Anschwellung der Save sind die serbische Stadt Mitrowitz und mehrere andere Ortschaften überschwemmt.

Athen, 9. Dez. 2 griechische Dampfer kollidierten im Hafen von Jthaka. Das Vor­derteil des einen, auf dem sich die Kajüten be­fanden, wurde schwer beschädigt unter Wasser. Etwa 50 Personen sind ertrunken.

Eine Schlappe der Engländer?

Aden, 8. Dez. Das britische Kriegsschiff Mohawk" ist nach Durbo (Somaliland) ge­fahren, um eine Untersuchung über den Tod des italienischen Leutnants Grabau anzustellen. Der Kommandant des Schiffes, Grant, und 60 Mann gingen an Land. Der Sultan trat ihnen mit 400 Somalis entgegen. Stach länge­ren Verhandlungen erklärte der Sultan, er wolle die Waffen entscheiden lassen. Grant und der Sultan begaben sich zu ihren Truppen, worauf das Feuer eröffnet wurde. Grant wurde am Oberschenkel verwundet, ein Marinesoldat getöt. Die Engländer kehrten wieder an Bord derMohawk" zurück und sind in Aden ange- kommen. Grant befindet sich wohl.

Rußland Und Japan.

New-Dort, 8. Dez. Eine derAssocia­ted Preß" aus Petersburg zugegangene Depesche berichtet, man glaube dort, daß der Friede zwischen Rußland und Japan gesichert sei. Dies sei das Ergebnis eines Eingriffes des Kaisers von Rußland in die Angelegenheit, der mit dem Grafen Lamsdorff in Zarskoje Sselo eine Beratung über die von Japan gemachten Vorschläge hatte. Die Konferenz dauerte andert­halb Stunden. Es wurde beschlossen, gewisse Modifikationen a n den japanischen Vorschlägen hinsichtlich Koreas zu machen. Die Modifika­tionen wurden telegraphisch dem russischen Ge­sandten, Baron Rosen, mitgeteilt. Sie werden den Unterhändlern in Tokio offiziös unterbreitet werden. Man glaubt zu wissen, daß die Mo­difikationen solche von minderer Wichtigkeit sind und daß, wenn Japan sie annimmt, nichts einer vollkommenen Einigung im Wege steht.

New-Iork, 8. Dez. Einer Depesche aus Willemstad zufolge hat Venezuela 15 000 Gewehre und 10 Millionen Patronen eingeführt. Es heißt, Venezuela breite einen Einfall in Kolumbien für den Fall vor, daß es zwischen Kolumbien und Amerika wegen der Panama- Angelegenheit zu einem Kriege kommen sollte.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 9. Dez. Am Bundesratstische Reichskanzler Graf Bülow, die Staatssekretäre Posadowski, Tirpitz, Freiherr v. Richthofen, die Minister Möller und Rheinbaben. Der Präsi­dent teilt das Ergebnis der Schriftführerwahl mit. Aus der Tagesordnung steht die erste Be­ratung des Etats für 1904 in Verbindung mit der Beratung des Gesetzentwurfs betr. Aender- ungen im Finanzwesen des Reiches.

Schatzsekretär Freiherr v. Stengel bedauert, daß es ihm nicht vergönnt war, mit einem er­freulichen Etat zu debütieren. Sein Amtsvor­gänger habe im Vorjahre den Fehlbetrag für 1902 auf 30 Million«:, vielleicht noch mehr ge­schätzt. Der genaue Fehlbetrag von 30 723 000 M. hat seinen Grund mehr in dem Rückschläge der Einnahmen, als in dem Mehrbedarf der Ausgaben. Die Mehrausgaben betragen 8^/< Millionen, die Einnahmeausfälle betragen 22 Millionen, hauptsächlich infolge des Ausfalles bei der Zuckersteuer von 17,' beim Bankwesen von 9 Millionen. Mit allem Vorbehalt glaube ich, daß das Jahr 1903 mit einem Fehlbeträge von über 20 Millionen, voraussichtlich sogar 30 Millionen abschließen wird, auch hier infolge von Ausfall bei den Einnahmen. Diesem Aus­fälle stehen Mehreinnahmen von 18 Millionen gegenüber, sodaß immerhin eine Gesamtminder­einnahme von 12 Mill. verbleibt. An Mehr­einnahmen sind zu erwarten: 2'/- Millionen von der Salzsteu»r, eine halbe Million von der Brannt­weinsteuer, 3 ein halb Millionen und 6 Mill. von den Betriebsüberschüssen der Post und Eisen­bahnen. Der einstündigen Rede folgten einige Bravorufe rechts. Der Reichskanzler schüttelte dem Redner die Hand. Dann sprach der Zen» trumsabg. Domdekan Dr. Schädler. Cr stärkte sich, bevor er zur Tribüne schritt, mit einer Prise Tabak. Sein volles, von Wohlwollen leuchten­des Antlitz täuscht. Er kann sehr scharf werden und sein breiter süddeutscher Dialekt kann sehr ungemütlich klingen. Heute begann er damit, daß er in warmen Worten der Krankheit und Heilung des Kaisers gedachte. Dann kam die Kritik des Etats. Gegen das Finanzgesetz äußerte er die schwersten Bedenken. Die Clausula Franckenstcin sei jetzt nötiger denn je. Die günstige Situation des ersten Redners, durch Voraus­nehmen sensationeller Materien seinen Nachfolgern den Wind aus den Segeln zu nehmen, nützte Herr Schädler reichlich aus. Er besprach ein­gehend den Prozeß Bilse und die neuerlich be­kannt gewordenen Soldatenmißhandlungen, je­doch ohne sonderliches Temparament. Er hielt sich stark an sein Manuskript. Die Aufmerksam­keit des Hauses, selbst im Zentrum, war recht geteilt. In Sachen der auswärtigen Politik gab Schädler der Sorge Ausdruck, Deutschland möchte am Ende zum Mauerblümchen werden. Er em­pfahl die Aufhebung des Jesuitengesetzes und machte einen scharfen Angriff gegen das Ver­halten des Staatsanwalts Dr. Müller im Pro­zeß Kwilecki. Ein Gerücht, Graf Bülow wolle