* Die „Chronik" ist am Ende ihrer Weisheit angelangt. Sie macht faule Ausflüchte und sucht die Aufmerksamkeit von der Hauptfrage — Aneignung des Titels „Anzeiger" — auf Dinge zu lenken, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Nach Art eines Gassenjungen, der mit einem anderen in Streit geraten ist und schließlich, als er nichts mehr weiß, dem anderen zuruft: „Du hast ja einmal zehn Fehler in einem Aufsatz gemacht!" greift jetzt die „Chronik" in der Verlegenheit dazu, — Druckfehlerbetrachtungen aazustellen! Dazu ist ein Blatt ja aber am besten berufen, das gegen Druckfehler so gefeit ist, daß es, wie wir zu erfahren Gelegenheit hatten, einst einen „Elefanten zu einerLerche statt einer Leiche werden ließ." Da möge die „C h r o n i k" gef. vor ihrer eigenen Tür kehren! Wenn im Uebrigen die „Chronik" so begriffsstutzig ist, daß sie das Ungewöhnliche und Unkulante ihrer Entlehnung unseres Titels nicht einsieht, dann erachtet sie es am Ende auch für ganz korrekt, daß Sie einmal ein Jahr lang im Namen des „Anzeigers" für eine große auswärtige Fabrik inseriert hat?! Mit Leuten, die so wenig Empfindung dafür haben, was sich — auch der Konkurrenz gegenüber — schickt und nicht schickt, sollte man freilich nicht über Dinge debattieren, deren Verständnis ein einigermaßen normales Feingefühl voraussetzt. Das ist unser letztes Wort in dieser genügend geklärten Sache. Weitere alberne und läppische Ausreden und Abschweifungen der „Chronik" werden uns nicht veranlassen, ihr nochmals die Aufmerksamkeit einer Antwort angedeihen zu lassen.
R N A d s s? o «.
Uebertragen wurde das Forstamt Lanzenbrand dem Forstamtmann Dr. Eberhard in Tübingen.
Stuttgart, 7. Dez. Die Nachtglocke. Heute Nacht wurde der Bewohner einer Parterrewohnung durch Läuten der Hausglocke und lautes Stöhnen geweckt. Er fand vor dem Hause einen jungen Mann in seinem Blute liegend. Der herbeigerufene Arzt konnte nur den bereits eingetretenen Tod feststellen. Die Untersuchung ergab keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Der Stich war mit dem eigenen Messer des Toten, das er noch in der Hand hielt, ausgeführt.
Das Enkelkind
Von G. Struder.
(5 N chdruck verboten.
Das Erstaunen des alten Neubert über diesen unerwarteten Besuch hinderte ihn keinen Augenblick am tatkräftigen Handeln. Im Nu hatte er einen Revolver aus einer Ecke seines Schreibpultes hervorgezogen und trat dem Eindringlinge gegenüber, in dem er jetzt zu seiner Ueberraschung denselben verwilderten Kerl erkannte, der gestern das junge Mädchen überfallen hatte.
„Legen Sie nur das Schießeisen ruhig wieder bei Seite, Herr Neubert," sagte der etwa dreißigjährige Mensch mit einem frechen Lachen. „Wenn ich Sie hätte überfallen wollen, so hätte ich mir für meinen Besuch eine Zeit gewählt, in der ich sicherer mit Ihnen fertig werden zu können hoffen durfte. Der ungewöhnliche Weg, den ich für meinen Besuch ausersehen habe, darf Sie nicht weiter erschrecken. Auf den Straßen wimmelt es von Leuten, die mich wegen des gestrigen Abenteuers suchen, und es war mir daher zu gefährlich, an Ihre Haustür anzuklopfen und dort meine Karte abzugeben. Uebrigens erwarte ich heute einen freundlicheren Empfang als gestern, wo Sie mir mit Ihrem Knüppel beinahe den Rücken entzwei geschlagen hätten. Ich habe verzweifelt Hunger und Durst und etwas zu essen und zu trinken werden Sie doch wohl für einen alten Bekannten übrig haben."
„Ich kenne Dich nicht, Kerl," erwiderte Neubert finster, „und wenn Du nicht sofort machst, daß Du aus meinem Hause wieder herauskommst, Überliefere ich Dich der Polizei. Also nur vorwärts, hinaus mit Dir, Schurke, und zwar auf der Stelle."
Der Fremde dachte indessen nicht daran, dieser kategorischen Aufforderung Folge zU leisten.
„Ich sehe, Sie erkennen mich wirklich nicht
Stuttgart, 4. Dez. Der Volksverein nahm das Kompromiß mit der Sozialdemokratie für die Stuttgarter Gemeinderatswahlen an. Vier demokratische und fünf sozialdemokratische Kandidaten wurden aufgestellt.
Die Feuerbestattungsfrage in Württemberg.
Auf Anregung des Vereins für Feuerbestattung in Heilbronn hatte der Verein für fakulattve Feuerbestattung in Stuttgart die Vertreter aller Württembergisch en Feuerbestattungsvereine zu einer Versammlung in das obere Museum in Stuttgart eingeladen, um über den vom Heilbronner Verein gestellten Antrag Beschluß zu fassen. Der Antrag lautet: „Der zu Stuttgart versammelten württem- bergischen Vereine für Feuerbestattung mögen die Regierung ersuchen, die Feuerbestattung durch einen Ministerialerlaß zu regeln."
Die Strafkammer Heilbronn verurteilte wegen Verletztung der Wehrpflicht 96 abwesende junge Leute, welche sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres aus der Flotte entzogen haben, je zu der Geldstrafe von 400 Mk. eoent. je eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten verurteilt.
Ulm, 6. Dez. Der hier abgehaltene Oberschwäbische Volksparteitag war aus allen Teilen Oberschwabens und auch der Alb zahlreich besucht. Näheres über den Verlauf desselben werden wir in nächster Nummer bringen.
Ulm, 6. Dez. Ein schwerer Unglücksfall hat sich gestern Abend auf dem Bahnhose zugetragen. Ein Güterbodenarbeiter, der Verwandte in den Wagen begleitet hatte, verließ den Waggon zu spät und kam unter die Räder, welche ihm über das linke Bein und die linke Hand gingen. Im Krankenhaus, wohin der Mann verbracht wurde, mußte sofort eine Amputation der Gliedmaßen vorgenommen werden. Der Verunglückte ist 33 Jahre alt und verheiratet.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 6. Dez. Nach der „Germania" brachte das Zentrum im Reichstage einen Gesetzentwurf ein, nach dem die Mitglieder des Hauses, so lange dieses versammelt ist, acht Tage vor der Eröffnung und nach Schluß freie
mehr wieder," meinte er höhnisch, „und ich muß
daher schon Ihrem Gedächtnisse ein wenig zu Hilfe kommen, um mir eine freundlichere Aufnahme zu sichern. Erinnern Sie sich nicht vielleicht eines gewissen Carl Thomas aus Newport, der einen Sohn namens Richard Thomas hatte? Nun, dieser Richard Thomas steht in leibhaftiger Person hier vor Ihnen."
„Sie sind der Richard Thomas, der Sohn meines langjährigen Prokuristen!" erwiderte Neubert, der vor Erstauuen die Hand mit dem noch immer schußbereit gehaltenen Revolver sinken ließ. „Ja, jetzt erkenne ich Sie wieder. Sie sind derselbe Richard Thomas, dessen leichtsinnige Streiche Ihren Vater vor der Zeit unter die Erde gebracht haben. Aber, daß es so weit jemals mit Ihnen kommen konnte, und daß ich Sie einmal als Straßenräuber Wiedersehen müßte, das hätte ich mir doch niemals gedacht."
„Was wollen Sie?" versetzte Thomas leichtfertig. „Der Hunger tut mir weh, und in der Not frißt der Teufel Fliegen. Seit zwei Tagen hatte ich sozusagen nichts mehr gegessen, und als mir nun jenes hübsche Kind zu Gesicht kam, da dachte ich, es wäre gar nicht übel, wenn mir dasselbe für einen Kuß, den ich ihm zu geben gedachte, seine Barschaft als Belohnung aushändigen würde."
„Ich will Ihnen auf diese freche Redensart weiter keine Antwort geben. Sagen Sie mir nur, was Sie in diese Gegend geführt hat und was Sie hier wollten, dann werde ich sehen, ob ich mit Rücksicht auf Ihren Vater nicht doch noch etwas für Sie tun kann."
„Ich kam hierher, um Sie zu suchen und zu sprechen."
„Und was wollten Sie von nur?"
„Ich wollte Ihnen eine sehr wichtige Mit- teilung machen."
„Und wie lautet dieselbe?"
„Ich habe die Spür Ihrer Tochter entdeckt."
Die kalte Ruhe uttd Selbstbeherrschung»
Fahrt auf den Eisenbahnen und für die Dauer ihrer Anwesenheit in Berlin Anwesenheitsgelder von 20 Mk. für den Tag erhalten sollen. Der Anwesenheit in Berlin ist gleich, wenn der Abgeordnete durch Arbeiten für den Reichstag verhindert ist, in Berlin anwesend zu sein. Eventuelle Landtagsdiäten werden davon abgerechnet.
Berlin, 5. Dez. Das neue Miluärpmsions- gesetz ist nunmehr im Preußischen Staatsministerium durchberaten worden und hat die Unterschrift des Kaisers erhalten. Die Einbringung steht unmittelbar bevor.
Tages-Nachrichten.
Köln, 7. Dez. Der frühere Fähnrich Hüffener wurde, wie die „Köln. Volksztg." meldet, am Samstag Abend von Magdeburg nach Ehrenbreitstein zur Verbüßung des Restes seiner Strafe gebracht.
Kiel, 8. Dez. Schiffsumbauten. Die in Reserve liegenden Kreuzer „Kaiser" und „Deutschland" sollen mit zusammen 1 Million 400000 Mark Kosten umgebaut und in die Küstenpan- zerklafse eingereiht werden.
„Aus einer kleinen Garnison."
Forbach, 7. Dez. Der Adjutant des Trainbataillons Nr. 16, Leutnant Schmidt, hat den schlichten Abschied erhalten.
München, 6. Dez. Der Südexpreßzug, welcher heute von Süden kommend, abends 10 Uhr in München und morgen früh um 8 Uhr in Berlin eintreffen sollte, wurde durch einen Lawinensturz auf der Brennerbahn an der Weiterfahrt behindert. Der abends 9 Uhr 50 Minuten von München nach Verona abgehende Schnellzug kann nur bis Innsbruck fahren.
München, 5. Dez. Hier wurde das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts München verkündigt, durch welches die ehemalige Stists- vorsteherin Heußler zu 3000 Mk. Entschädigung an das Dienstmädchen Mina Wagner verurteilt wurde, weil sie deren Gesundheit durch die seinerzeitige Beibringung von Salzsäure in dem Abendkaffee dauernd geschädigt hat. Die Heußler ist bekanntlich im Frühjahr wegen dieses Giftmordversuchs von der Strafkammer verurteilt
welche Neubert sonst in so hohem Maße besaß,
verließen ihn in diesem Augenblicke vollständig. Eine gewaltige Aufregung prägte sich in seinem Gesichte aus, und den Arm des anderen erfassend, sagte er mit vor Erregung zitternder Stimme:
„Reden Sie, Thomas, und wenn ich sie durch Ihre Hilfe finde, dann sollen Sie mit Ihrer Reise zu mir das beste Geschäft Ihres Lebens gemacht haben."
„Erst geben Sie mir etwas zu essen und zu trinken," versetzte Thomas kaltblütig, „denn ich falle beinahe um vor Hunger und Durst. Nachher werde ich Ihnen alles ausführlich erzählen."
So gespannt auch Neubert auf weitere Mitteilungen war, so mußte er sich doch diesem Verlangen fügen. Er ersuchte Thomas, sich so lange im Nebenzimmer zu verbergen, bis seine Haushälterin das Gewünschte aufgetragen hätte, und nachdem das letztere geschehen war und Thomas seinen kaum glaublichen Appetit und Durst endlich gestillt hatte, begann derselbe folgendermaßen:
„Sie müssen wissen, Herr Neubert, daß meine vor einem halben Jahre verstorbene Mutter mir Ihre Familienangelegenheiten vor ihrem Tode ausführlich mitgeteilt hat. Ich weiß alles, ich weiß, daß Ihre Tochter mit einem Herrn von Degenfeld durchbrannte und ich weiß, daß Sie dieselbe zuerst verfluchten, ihr dann aber verziehen und alles aufboten, um sie wiederzufinden und ihr Ihre väterliche Unterstützung zu teil werden zu lassen."
„Nun ja, das weiß ich selbst bereits alles," unterbrach ihn Neubert, der sich mit dem Taschentuch über die feucht gewordene Stirn fuhr. „Erzählen Sie mir endlich einmal etwas Neues."
„Nur Geduld» verehrter Herr, das Neue wird auch Noch kommen. Herr von Degenfeld, der schöne» elegante Kavalier und frühere deutsche Offizier, war wirklich ernst verliebt in Ihre