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Paris, 4. Dez. Wie hiesige Blätter Mitteilen, wird in sämtlichen Gemeinden Frankreichs ein von den vier nationalistischen Vereinigungen, der Patriotenliga Deroulödes, der Vaterlandsliga Lemaitres und dem antisemitischen Verbände Drumonts unterzeichnetes Plakat angeschlagen, in dem gegen die Wiederaufnahme der Drepfusangelegenheit in heftigen Worten Verwahrung eingelegt wird. Die Revision des Prozesses wird ein gerichtlicher Staatsstreich genannt. Sodann werden Erklärungen der früheren Kriegsminister Mercier, Chanoine, Cavaig- nac und Zurlinden wiedergegeben, die die Ueber- zeugung von der Schuld des Dreyfus ausgesprochen haben. Zum Schluß heißt es: Man kann jetzt Prozeßakten fälschen, Zeugen bestechen und sich des Gehorsams verschiedener Gerichtsbeamten versichern, das Volk wird sich nicht täuschen lassen, und die Anstrengungen der geheimen Sekte der internationalen und Geldmächte zu Nichte machen.
Ministerkrise in Spanien.
Madrid, 3. Dez. Heute fand ein Ministerrat statt. Nach Beendigung desselben begab sich Villawerde in das Palais und überreichte dem König das Entlassungsgesuch der Regierung. Der Grund des Rücktritts ist der Widerstand der Minderheitsparteien, namentlich der monarchistischen Minderheit, gegen den Antrag Do- minguez-Pascal, der die Genehmigung des Budgets erleichtern soll.
Verschiedenes.
Die neuesten Briketts- Ein ganz nettes, die an Zeit der Bankbrüche anklingendes Scherzwort wird in der „Halleschen Zeitung" erzählt. Die Grube Hercynia hatte eine Zeit lang der Anfertigung ihrer Briketts eingestellt. Der Betrieb soll jetzt wieder eröffnet werden, und zwar, wie der Volkswitz behauptet, mit der Herstellung einer neuen Brikettsorte mit dem Ausdruck „Bankdirektor". Der neuen Kohle wird nachgerühmt, daß sie „gut durchbrennt, ohne Asche zu hinterlaffen."
Konkurrenz-Blüte. Ein neu etablierter Bäckermeister in einem Nachbarorte Wies
badens empfahl sich auf angelegentlichste bei einer neu zu erwerbenden Kundin; dieselbe lehnte ab, was ihr aber nichts half, da der Bäckermeister nicht locker ließ. Darauf entgeg- nete die Frau: „Ich kann keine Ware von Ihnen nehmen, da ich meinem seitherigen Lieferanten noch Schulden zu zahlen habe." — „Nun wie groß ist der Betrag?" — „So und so viel," entgegnete die Frau. — „Gut, hier hawe se des Geld, bezahle Sie den und ich liefre von jetzt ab die Ware." — Was kann man mehr verlangen?
— „E rst G eld , dann d i e Ware"! Aus Neuwyork wird berichtet: Adelina Patti war von Weber und Fields engagiert worden, in einem Konzert im „West End Theatre" am 27 November für 20000 Mark zu singen. Eine Stunde vor dem Konzert erfuhr sie, daß nur 12 000 Mk. im Haufe wären. Darauf weigerte sie sich zu singen, bevor sie im Voraus den vollen Betrag erhalten hatte. Infolgedessen mußten Weber und Fields die 8000 Mk. aufzutreiben suchen, und nunmehr sang Madame Patti vier Lieder. Man schätzt, daß diese vier Lieder Weber und Fields, wenn man alle Ausgaben zusammenrechnet, 26000 Mark in zwei Stunden oder 800 Mk. in der Minute kosteten.
Daß die deutschen Frauen immermehr die Bedeutung des Kampfes gegen die Trinkanschauungen der Gegenwart erkennen, ist ein besonders erfreuliches Zeichen; sind doch u. a. von den etwa 25 000 Mitgliedern der Deutschen Großloge ll des Guttemplerordens, bei dem Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben, mehr als ein Drittel Frauen aus allen Berufskreisen. Auch der dentsche Bund abstinenter Frauen zeigt ein stetiges, gesundes Anwachsen, das vor allem der unermüdlichen Tätigkeit seiner Vorsitzenden, Frl. Ottilie Hoff- mann-Bremen zuzuschreiben ist. Die Frauen Oesterreichs beginnen ebenfalls in ähnlicher Weise zu wirken. So hat der Verein abstinenter Frauen Wiens (Adr.: Frau Prof. Kosso- witz) jetzt den Anfang damit gemacht, Handwagen mit heißen alkoholfreien Getränken in den äußeren Bezirken Wiens in der Nähe der Märkte Fabriken und Bauplätze herumfahren zu lassen.
— Zündholzfabrikation. Der „Berl. Korresp." zufolge hat der Reichskanzler nunmehr denjenigen deutschen Züdholzfabrikanten, welche beantragt haben, ihnen ein vom Reiche erworbenes Verfahren zur Herstellung weißphosphorfreier Zündmaffe zur Verfügung zu stellen, die Zusetzung der Zündmasse und eine eingehende Beschreibung des Verfahrens zur Herstellung der Masse mitgeteilt. Die Mitteilung erhält der Zündholzfadrikant ausschließlich zur eigenen Benutzung. Auf Wunsch werden die Fabrikanten nach Maßgabe der bei dem Reichsamte des Innern eingehenden Meldungen auf Reichskosten in Herstellung der Zündmaffe praktisch unterrichtet.
Ein „Rächer an der Gesellschaft" Ein Arbeiter, welcher sich Baumann nennt und ungefähr 50 Jahre alt ist, stellte sich der Pa» riser Polizei und gab an, daß er vor 6 Wochen den Geistlichen Level durch Revolverschüsse getötet habe. Er habe seine Tat begangen, um sich an der Gesellschaft zu rächen. Den Geistlichen Level habe er früher nicht gekannt.
Die Stürme.
Draußen stürmt und tost es.
Wie in meinem Herzen;
Der Natur entfesselt.
Gleichen meine Schmerzen.
Wie des Aufruhrs Reigen.
Durch die Flur sich windet.
Also meine Seele,
Sturmbewegt sich findet.
Doch der Sturm da draußen.
Wird sich wieder legen.
Aber meinem Innern,
Winkt nicht Ruhesegen.
Nie kann ich gesunden Von den bösen Tagen,
Was ich wahr empfunden Hat sie tot geschlagen.
Don der Rottum.
Der beste Brusttee ist und bleibt der echte russische Knöterich L 50 Pfg., zu haben bei Anton Heinen, Drogerie.
Von G. Struder.
(4 Nachdruck verboten.
„Freuen Sie sich also," fuhr Neubert erregten Tones fort, „aber danken Sie mir nicht weiter, denn ich hatte wahrlich keine Ahnung davon, daß das betreffende Kind das Ihrige war. Was geschehen ist, verdanken Sie dem gefälligen Umstande, daß ich mich gerade in der Nähe befand, und ich denke, hiermit ist die Sache erledigt. Kann ich Ihnen sonst noch mit etwas dienen?"
Neubert, der sich unverkennbar in großer Aufregung befunden hatte, war wieder vollständig ruhig geworden. Kalt und gleichgiltig blickte er den Baron an, der nach einer kurzen, verlegenen Pause erwiderte:
„Meine Mission ist vorläufig beendigt, Herr Neubert. Nur möchte ich Sie dringend bitten, wenn Ihr Weg Sie an meiner Villa vorbeiführen sollte, mir die Ehre Ihres Besuches zu schenken. Ich glaube bestimmt — nehmen Sie mir meide Offenherzigkeit nicht übel — daß Ihre Anwesenheit unter fröhlichen und glücklichen Menschen auch Sie etwas fröhlicher stimmen und Sie vielleicht veranlassen würde, sich mit manchem, was doch nun einmal in der Vergangenheit begraben liegt, wieder auszusöhnen."
„Ihre Absicht mag ja gut gemeint sein, Herr Baron," erwiderte Neubert etwas freundlicher als bisher, „ob indessen die Annahme Ihrer Einladung den beabsichtigten Erfolg haben wird, bezweifle ich. Es gibt eben Ereignisse im Leben, mit denen man sich niemals aussöhnen kann und die man erst dann vergißt, wenn man für immer die Augen schließt. Ich jehöre nicht in den Kreis von fröhlichen Meuchen — doch lassen wir das," unterbrach er ich plötzlich in bitterem Tönö. „Was würden >ie wackeren Bauern von Rübenheim mit ihrem ntelliaenten Bürgermeister an der Spitze wohl
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sagen, wenn sie hören würden, daß der alte Grobian sentimental geworden wäre?"
„Aber Sie denken doch nicht, Herr Neubert, daß ich so indiskret sein könnte, um von dem Inhalte unserer Unterredung irgend jemand Mitteilung zu machen! Ich wollte und wünschte. Sie schenkten mir Ihr ganzes Vertrauen, denn ich nehme aufrichtigen Anteil an Ihnen, und ich bin sicher, daß es Sie sehr erleichtern und eine lebensfrohe Stimmung in Ihnen Hervorrufen würde, wenn Sie mir gegenüber einmal offen Ihr ganzes Herz ausschütten wollten. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, welche außerordentlich wohltuende Wirkung es auf das Gemüt des Maschen ausübt, wenn derselbe seinen Kummer einem Freunde mitteilen und denselben gewissermaßen mit diesem teilen kann."
„Aber ein Aristokrat wie Sie, ein vollkommener Edelmann wird sich doch nicht etwa den Freund eines Mannes aus dem Bürgerstande, dem keinerlei besondere Vorzüge zur Seite stehen, nennen wollen?"
„Und weshalb sollte ich das nicht?" erwiderte der Baron offenherzig. „Unter der rauhen Außenseite, die anzunehmen Sie nun einmal für gut befunden haben, verbirgt sich ein wackeres und braves Gemüt, wie mir dies allein der gestrige Vorfall hinreichend bewiesen hat, und ich wüßte nicht, wer mehr Anspruch auf meine dankbare Achtung haben könnte als derjenige, dem mein einziger Sohn von gestern an vielleicht sein Leben verdankt."
„Nochmals bitte ich Sie, lassen wir diese Geschichte endlich bei Seite," versetzte Neubert rauh, „denn die Erwähnung derselben berührt mich unangenehm. Im übrigen aber danke ich Ihnen für Ihre wohlwollenden Worte. So hat seit sehr langer Zeit niemand mehr zu mir gesprochen» und ich werde das so leicht nicht vergessen."
Seine Stimme klang bet den letzten Worten beinahe herzlich, und als ihm der Baron zum Abschiede abermals die Hand reichte, da berührte er dieselbe nicht wie das erste Mal nur eben
mit den Fingern, sondern er faßte sie und drückte sie ziemlich kräftig.
Nachdem sich der Baron entfernt hatte, unternahm Neubert seinen gewohnten Spaziergang, von dem er heute ausnahmsweise spät zurückkehrte. Der Frau Reiz befahl er, ihm sofort das Essen zu servieren, und sowie er mit demselben fertig war, begab er sich nach seinem sogenannten Arbeits- und Studierzimmer, einem im ersten Stocke gelegenen, ganz behaglich eingerichteten Raume, von dem aus man eine direkte Aussicht auf den hinter dem Hause gelegenen Garten hatte. Behindert würde diese Aussicht allerdings einigermaßen durch 'einen stattlichen Kastanienbaum, der kaum sechs Fuß von dem nach dem Garten zu gelegenen Fenster entfernt stand und dessen Aeste sich teilweise, als sie bei ihrem Wachstum an der Rückwand des Hauses auf Widerstand stießen, an dieser steil in die Höhe gebogen hatten.
Herr Neubert wartete bis es dunkel geworden war, und dann zündete er sich eine Lampe an und begann eifrig einen am Nach- mittag eingetroffenen Pack Zeitungen zu durchlesen.
Etwa eine halbe Stunde lang mochte er in diese Arbeit vertieft gewesen sein, als er plötzlich aufhorchte. Es war ihm, als hätte er auf dem Kastanienbaum ein Geräusch gehört, und mit gespannter Aufmerksamkeit schaute er eine Weile in das Dunkel der Nacht hinaus; da jedoch das Geräusch nicht wiederkehrte, so beruhigte er sich schließlich und beugte sich wieder über seine Zeitungen.
Da mit einem Male kehrte das Geräusch noch stärker und deutlicher wieder und fast gleichzeitig bemerkte Neubert einen dunklen Schatten, der sich über einen der Aeste rasch in der Richtung nach dem Fenster zu bewegte. Im nächsten Moment war der Schatten an dem Fenster üngelangt und gleich darauf schwang sich die Gestalt eines untersetzten Mannes mtt einem kräftigen Satze ins Zimmer.
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag der Bernh. Hofmann'schelt Buchdruckerei in Äjltdvad. Für die Redaktion verantwortlich: i. D. E. Reinhardt daselbst.