wichtiger privater und öffentlicher Angelegenheiten der Beratung und Beschlußfassung nicht zugeführt werden konnte. Der Statthalterei- sekrekretär Galatti wurde mit der Durchführung der Neuwahlen und mit der Besorgung der Geschäfte betraut.
Frankreich. Die Drey fus-Affäre. Die im französischen Kriegsministerium vorgenommene Prüfung der Dreyfus-Akten ist abgeschlossen. General Andre hat die Akten an den Justizminister zurückgehen lassen, zugleich mit dem Ergebnis seiner Enyuete und mit Konklusionen, welche auf die Notwendigkeit einer Revision des Prozesses von Rennes lauten. Diese Revision dürfte sofort eröffnet werden.
Paris, 30. Nov. Der „Gaulois" veröffentlicht einen Brief des früheren Kriegsministers Zurlinden, worin dieser sagt, es scheine, als habe die Regierung eigenmächtig Schritte zur Wiederaufnahme der Dreyfus-Affäre ergriffen. Da man die Dokumente nicht kenne, sei es angezeigt, die äußerste Ruhe zu bewahren, aber die Regierung habe bisher Anzeichen gegeben, daß sie sich um die öffentliche Meinung nicht kümmere.
Lyon, 30. Nov. Nach einer Versammlung in der Arbeiterbörse veranstalteten mehrere 1000 Arbeiter und Angestellte abends eine Straßenkundgebung gegen die Stellenvermittler. Ein Gendarmerie-Sergeant wurde verwundet, ein Kleinkohlenhändler wurde von einem Revolverschuß, den ein Polizeibeamter abgab, getroffen und starb alsbald.
New york, 30. Nov. Der Streik der Kohlenbergleute bewirkte eine Schließung aller Werke der Colorado - Flull - Kompagnie. — 6000 Importeure planen eine Vereinigung zur Bekämpfung von Willkürakten der Zollbeamten sowie zur Abstellung von sonstigen Zollmißständen.(Frkf. Ztg.)
Kätzchens Klane.
Mrau, miau! Mein kleines Kätzchen,
Hat Sehnsucht wohl nach seinem Schätzchen, Dem wilden Kater, ja, ja, ja,
Der Böse aber ist nicht da.
Miau, miau! Dein Herr Verehrer,
Ist eines andern Kätzchens Lehrrr,
Und gibt ihr Liebesuntetticht,
Mit fröhlich schmunzelndem« Gesicht.
Miau! miau! Ihn Hab gesehen.
Ich auf dem Dache bei ihr stehen;
Er hat umarmt sie und geküßt.
Sie freut sich des mit arger List.
Miau, miau! Du schlechter Mann,
Das Kätzchen fängt zu jammern an.
Ich habe alles ihm geschenkt,
Und an mich er schon nicht mehr Denkt.
Miau, miau! Welch herbe Pein,
Nun bin ich mutterseel allein.
Mein Herz bricht mir vor stillem Gram, Daß er sich eine and're nahm.
Den d«r Rottum.
Verschiedenes.
Ein wertvoller Bilderfund. Aus London wird berichtet: Ein Künstler aus Cardiff, Parker Hogartx, hat in einem entlegenen Winkel von Süd Wales ein echtes Oel- gemälde von Sir Joshua Reynolds entdeckt. Während einer Studienreise sah er in einem Hause ein Bild hängen, das ihm eine wertvolle Malerei zu sein schien, und er kaufte es. Sachverständige erklärten, daß es ein Reynolds und etwa 70 000 Mark wert ist. Das Werk war einem Vorfahren des früheren Eigentümers von einem Glieds der Familie Meyer gegeben, deren Porträts, wie man weiß, zum Teil von Sir Joshua gemalt worden sind. Das Gemälde ist wahrscheinlich um das 1778 entstanden. Es stellt eine Dame dar, die auf der Mandoline svielt. Es ist eine sehr schöne Frav, im weißen wallenden Gewände und Kopfputz, wie man sie oft auf Reynolds Werken sieht. Das Bild ist in Vorzüglicher Verfassung.
„Es muß ein Jrrtumse in." Postoberoffizial Herr Josef Richter ist vor dem Be- zirksgericht Favoriten wegen Uebertretung des Tierseuchengesetzes angeklagt. Sein Hund ist angeblich ohne Maulkorb in der Laxenburger- straße aufgegriffen worden. „Es muß ein Irrtum sein!" sagte der Angeklagte. — Richter: „Marke Nummer 19 753." — Angekl.: „Das stimmt." — Richter: „Na also?" — Angekl.: „Vielleicht war es eine Marke vom vorigen
Jahr." — Der Wachmann bestätigt, daß die Marke die Jahreszahl 1903 trug. —- Richter: „Na sehen Sie." — Angekl.: „Dann ist es vielleicht eine Marke von einem anderen Orte."
— Richter: „Wo gibt es wohl sonst 19 753 Hunde als in Wien?" Der Hund, ein minimales Exemplar, wird in den Saal geführt und bellt den Richter vergnügt an. Der Wachmann erkennt ihn sofort als den „beanstandeten" Nebel- täter. — Angekl.: „Es ist doch unmöglich. Wie kommt er aus der Neubaugaffe in die Laxenburgerstraße?" — Richter: „Sie verkennen die Hundenatur. Er ist halt spazieren gegangen. In der Anzeige steht „Weibchen." Ist Ihr Hund ein Weibchen?" — Angekl.: „Ja." — Richter: „Na, sehen Sie, er ist einfach auf Abenteuer ausgegangen." — Angekl.: „Wann soll es denn gewesen sein, Herr Richter?"
— Richter: „Um 7 Uhr früh." — Angekl.: „Ganz unmöglich." — Richter: „Er hat halt „gedraht." — Angekl.: „Bei mir muß alles 10 Uhr abends im Bett sein." — Der Richter verurteilte den Angeklagten zu 4 Kronen Geldstrafe. — Der Verurteilte: „Ich berufe! Mein Hund tut so was nicht. Es muß ein Irrtum sein!"
— Der „böse Blick". Den „bösen Blick" soll der italienische Premierminister Giolitti haben, wie seine Feinde in Süditalien schon immer behaupten. Während seiner ersten Ministerpräsidentschaft im Jahre 1892 starben sechs seiner Kollegen und Unterstaatssekretäre. Als Minister des Innern wurde, starb sein Vorgänger Signor Nicotera, ganz plötzlich. Jetzt hat Giolitti kaum die Ziegel der Regierung wieder ergriffen, und schon hat der Finanz- minister Rosana Selbstmord begangen. Ein anderer Umstand, den man für ein böses Omen hält, ist, daß die Kabinettsbildung am 8. Nov. dem Allerseelenlage vor sich ging.
daß der Bürgermeister denselben wohl nicht mißverstehen konnte. Blas; vor Zorn ergriff er seinen Hut und verließ mit einem kurzem Gruß das Zimmer.
Herr Neubert aber rief nun Frau Reiz herbei und fragte dieselbe, wie sie dazu gekommen wäre, von seinen Kassenschränken allerlei unsinniges Zeug zu erzählen.
Zwar beteuerte die gute Frau mit einem ungeheuren Wortschwalle ihre Unschuld, aber ihr Herr schien nun einmal sehr unglaublicher Natur zu sein.
„Nur von Ihnen kann das einfältige Geschwätz herrühren," sagte er barsch, „und höre ich noch einmal etwas derartiges, so verlassen Sie auf der Stelle meinen Dienst. Ich erzähle doch auch niemandem von Ihnen, also reden Sie auch nichts über mich oder meine Angelegenheiten."
Etwa eine Viertelstunde später rüstete sich Herr Neubert zu seinem alltäglichen Spaziergangs. Er setzte seinen alten, verwitterten Schlapphut auf, ergriff einen mächtigen Knotenstock und so wanderte er rüstigen Schrittes dem nahen Walde zu, in dem er nach seiner Gewohnheit die einsamsten Wege aufsuchte.
Das Gehen schien ihm wohl zu bekommen. Eine leichte Röte zeigte sich auf seinem bräunlich-gelben Gesichte und der Ausdruck in seinen Augen wurde weniger hart und streng, und als er sich zuletzt auf einem am Wege liegenden Baumstamme niederließ und seine kurze Pfeife in Brand setzte, sah er beinahe so aus, als ob er sich in diesem Augenblicke ganz wohl und zufrieden fühlte.
Aber ganz plötzlich erschien wieder der gewöhnliche herbe Zug auf seinem Gesichte. Er hatte in der Nähe eine menschliche Stimme gehört, und finster schaute er nach der Richtung, von der aus jene Töne zu ihm gedrungen waren.
Lange brauchte er aus das Erscheinen des Störenfriedes Nicht zu warten. In einiger Ent- fernung tauchte ein kleiner Junge auf, der laut
sprechend und rufend einem hübschen Schmetterling nachjagte, und einige Schritte hinter ihm kam ein junges Mädchen von zirka 20 Jahren zum Vorschein, welches allem Anscheine nach die Gvuvernante des Knaben war. Das Mädchen war eine prächtig gewachsene Erscheinung mit einem schönen, von tiefschwarzem Haar umrahmten Gesichte, aber der Anblick dieses schönen Geschöpfes schien bei Herrn Neubert nur Aerger und Unwillen hervorzurufen. Verdrießlich erhob er sich, und ohne den beiden Personen nur eines weiteren Blickes zu würdigen, setzte er seinen Weg wieder fort.
Er hatte indessen kaum 200 Schritte zUrück- gelegt, als er hinter sich gellende Hilferuse vernahm und nunmehr blieb er sofort stehen und horchte. Kein Zweifel, die Rufe kamen aus dem Dickicht des Waldes und ohne sich einen Augenblick zu besinnen, packte Neubert seinen seinen Stock fester und drang mit gewaltigen Schritten in den Wald ein.
Bald sah er auch, was die Ursache jenes verzweifelten Rufens um Hilfe war. Ein verkommen aussehender Kerl in total zerlumpter Kleidung hatte das oben erwähnte Mädchen am Handgelenk erfaßt und suchte dasselbe, wie es schien, durch Drohungen zur Herausgabe irgend eines Gegenstandes zu veranlassen, aber das Mädchen wehrte sich tapfer. Es machte sehr energische, wenn auch vergebliche Versuche, um sich aus den Händen des Unholdes zu befreien, und dabei stieß es fortwährend jene Hilferufe aus, die der Knabe mit stillem Weinen begleitete.
Kanm hatte der alte Neubert diese Szene bemerkt, als er mit einer Rüstigkeit, die man ihm nicht hätte zutrauen sollen, herbeisprang, und im nächsten Moment erhielt der Strolch von hinten mit dem wuchtigen Spazierstocke Neuberts einen so gewaltigen Schlag über den Rücken, daß er den Arm des Mädchens unter einem lauten Schmerzensschrei losließ. Wüteüd drehte er sich hieraus um, aber so wie er den
großen Mann vor sich erblickte, der eben zü einem zweiten Schlage ausholen zu wollen schien, stieß er einen zweiten Ruf aus, in dem sich diesmal offenbar auch Erstaunen ausdrückte, und dann ergriff er schleunigst die Flucht. Gleich darauf war er zwischen den Bäumen verschwunden.
Jetzt, wo die Gefahr beseitigt war, machte sich die Erregung des jungen Mädchens in einem heftigen Tränenstrome Luft, der indessen ohne jeden Eindruck auf Neubert blieb,
„Der Kerl wird Sie nun nicht mehr belästigen, Sie können ruhig nach Hause marschieren," sagte er gleichgiltig, wobei er sich rasch zum Gehen wandte, da jedoch eilte das Mädchen mit einer raschen Bewegung auf ihn zu und erfaßte mit beiden Händen feine nicht mit dem Stocke bewaffnete Linke.
„Sie dürfen sich nicht entfernen," sprach sie tief bewegt, „bevor Sie aus meinem Mustde gehört haben, wie außerordentlich dankbar ich Ihnen für Ihre großmütige Hilfe bin. Der Mensch wollte von mir Geld haben, aber ich konnte ihm keines geben, denn ich bin selbst nur eine arme Gouvernante, und was wäre ohne Ihr Dazwischentreten aus mir und vielleicht auch aus diesem unglücklichen Knaben geworden? Er hätte uns vielleicht beide ermordet, und daß dies nicht geschehen ist, das haben wir allein Ihnen zu verdanken. Lassen Sie mich Ihnen daher nochmals meinen tiefgefühlten Dank aussprechen, ich werde ewig Ihre Schuldnerin bleiben und jeden Tag beten, daß Gott Sie für Ihre edle Tat belohnen und Ihnen noch ein recht langes Leben gewähren möge."
„Sie machen zu viel Aufhebens von der Geschichte," meinte Neubert, indem er ihr sein« Hand entzog. „Es freut mich selbst, daß ich dem Lumpen noch einen kleinen Denkzettel ge» geben habe, Und mit dieser Freude bin ich auch vollständig belohnt. Einen Dank begehre ich nicht, denn ich weiß, was es mit dem Danks der Menschen auf sich hat, (Fortsetzung folgt.)
Mid ^ri'aH »ei Bernh. Hosmann'schen Bnchdrucktret in Wildbad. Hör dir Redaktion verantwortlich: i. B. E. Reinhardt dasrlbst.