eine Stichwahl machen sich die Herren von der sogenannten (!) Dolkspartei, um dann mit Hilfe der Sozialdemokratie das Mandat an sich zu reißen, um auf den Krücken dieser nochröteren Volkspartei" in den Reichstag humpeln. (!! Herr Schrempf würde jetzt recht gerne auf dmKrücken" des Zentrumsin den Reichtstag humpeln!") Seit 20 Jahren ist das ihr Bestreben, bisher stets mit gründlichem Durchfall (der diesmal auf Seite der Schrempfianer sein wird!). Möchten die Wähler auch diesmal die rechte Entscheidung treffen! Das den Schrempfschen Wähl» zetteln bei gelegte Flugblatt ist Punkt für Punkt wahr, frei (!) von Emmdünkel von! Beschönig­ung, von Lüge. (Mehr Eigendünkel gibt es gar nicht, als die Schrempf'sche Agitation pro- duzierte!) Wir fordern jeden billig denkenden Mann auf, den Ton und Inhalt unseres Flug- blattes zu vergleichen mit dem, was die Gegen­partei in Flugblättern und Zeitungsannoncen veröffentlicht hat. Landauf landab gilt unter dem Volk die Regel: Wer schimpft, hat ««recht! Der Schrempf'sche Wahlausschuß."

Herr Schrempf schimpft über den für ihn ungünstigen Wahlausfall in seinerReichs­post" wie folgt:

Die den ganzen Winter hindurch ausgr- streute Drachensaat der Handelsvertragsvereins, redner, die sprupellose Verlogenheit der Volks­partei, der sozialdemokratische Einfluß v. Pforz­heim und die Geislinger Rede die Ministers v. Pischek, welche von den demokratischen und sozialdemokratischen Rednern waidlich ausge­schlachtet wurde, unterstützt durch die Preßtätig- keit einiger GroßindustriellenVerärgerten" hat uns eine Stichwahl gebracht. Schrempf wurde alseiner der Hauptmacher des verhaßten Fleisch­beschaugesetzes", als charakterloser,von den preußischen Junkern bezahlter Agitator", der um höheren Sold auch der Sozialdemokratie dienen würde, als schändlicherBrotwncherer und Lebensmittelverteuerer", alsgeheimer Jesuit, der den Münsinger Vertrag Mit dem Zentrum abschloß", alsFeind der Industrie und ihrer Arbeiter" verleumdet."

Wer schimpft, bat unrecht!" sagt der Schrempf'sche Wahlausschuß. Und Herr Schrempf schimpft, als ob die Wähler des 7. Wahlkreises

die Pflicht hätten!, ihn zu wählen! Soweit ist's aber nicht! Die Wähler können tun, waS sie wollen auch einem schimpfenden bündlerischen Agitator gegenüber!

vttrachtu««ren über die Wahl.

Eine Schlacht ist geschlagen, kein Jubelschrei tönt und kein Aechzen der Verwundeten. Nur heimlich in den innern Gemächern oder im Kreis vertrauter Gesinnungsgenossen mag mancher Aus­druck fallen, der zwar wenig parlamentarisch aber dafür umso mehr derb und kräftig und aufrichtig gemeint ist. In unserem Wahlkreis ist ein ganz energischer Ruck nach links weg vom Bauernbund ganz deutlich fühlbar. Bei­nahe unangreifbar erschien Schrempf, der kon­servative Bauernbündler, in den Oberämtern Calw, Nagold und Herrenberg, und es erschien als ein fast aussichtsloses Beginnen, als die Volkspartci mit einer ernsthaften Gegenkandidatur inS Feld trat. Auf nahezu 6000 Stimmen hat sie es gebracht. Etwa halb soviel hat die So- zialdemokratie, die eine beträchtliche Zunahme erfuhr, aber von Anfang an nicht im Zweifel war, daß durch ihren Kandidaten ein Sieg über Schrempf nicht zu gewinnen war. Nun hat sich die Sachlage für die Stichwahl dahin geklärt, daß die freigesinnten Wähler den Volksparteiler Schweickhardt in den Reichstag zu bringen ver­mögen, sobald sie einig sind. Daß im Enztal Schrempf eine Mehrzeit nicht haben würde, wußte man zum voraus; hier werden viele Blätter gelesen, und es wird für Aufklärung der Wählerschaft gesorgt auf alle mögliche Weise. Aehnlich ist es an der untern Nagold. Man weiß dort, wo man alles kaufen muß, nur zu gut, daß man Schrempf und seinen Freunden keinen Dank schuldet, wenn sie einem das Leben verteuern und die Absicht haben, dies noch in höherem Maß zu tun. Man weiß auch, daß das Fleischschaugesetz von Schrempfs Freunden herrührt, wenn gleich er dagegen gestimmt hat, weil es nicht scharf genug war. JmgOberamt Herrenberg ist eS vielfach noch anders. Das Jcihr Über kömmt kein politischer Agitator; die Bauern lassen sich ohnehin nicht gern aus ihrer Ruhe aufstören und zeigen eher zu religiösen Uebertreibungen eine Neigung als zu politischer

Tätigkeit. Ueberall hat 'eS Methodisten oder andere religiöse Gemeinschaften,'uno wohl kaum ein Ort ist ohne einenStundenhalter". Dort nun ist der Boden für Schrempf; er gilt ja wohl jfür jene Frommen als einer der ihrigen, nicht bloß darum, weil er dem gesegneten Boden im Gäu entstammt (und der Prophet gilt dies­mal im Vaterland etwas), sondern wohl auch deswegen, weil die Namen Schrempf und Korn­tal (das heilige) unzertrennbar verbunden sind. An und für sich ist der Gäubauer ans Alte anhäng­lich, also behielt man den längst bekannten Schrempf, der so schön zu reden verstand, der auch seine eigene Person inS rechte Licht zu rücken verstand; am Versprechen brauchte er es nicht fehlen zu lassen. Erhielt dann der Bauer nicht die goldenen Berge im Schlaraffenland, so konnten ja die bösen Demokraten schuld sein!! Nun kommt gerade einer von denen und will in dm Reichstag geschickt werden. Die Bauern kennen ihn und seine Familie, sein Geschäft schon lange, lange. Aber er brennt Schnaps huh! lauter Gfft und eine unheilige Sache! Zur Versammlung des Schweickhardt muß man aber doch kommm; er könnte es einen doch fühlen lassen. Denn gar manchmal stand so ein Bäuerlein mit seinen Kornsäcken auf dem Wagen in Tübingen drin und wurde seine Ware nicht los. Zuletzt kam man zu Schweickhardt, der zahlte und marktete nicht einmal am Preis. Aber er versprach den Bauern eben nichts, was er nicht halten konnte, er verschmähte es auch, ihre Begehrlichkeit aufzustacheln, ja sogar er sagte ihnen nicht, daß er ein Offizier sei, bis er in einer Versammlung öffentlich gefragt wurde. Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr so gings dort drüben, u. da bekam Schrempf die ungeheure Mehrheit der Stimmen. Nur kurz ist die Pause bis zur Stichwahl. Mögen alle freiheitlich gesinnten Elemente kräftig zusammen stehen, um den Freund der nord­deutschen Krautjunker zu Fall zu bringen und wenn es möglich wäre aüch etwas Aufklärung tragen hinüber in die fruchtbaren Gefilde der Gäu-Ebene, wo gerade jetzt der Bauer mitten in der Heu-Ernte ist und noch weniger liest als sonst im Jahre. Kaum langts Sonntags zum Amtsblatt!

Die Blüte des Bagno.

Roman von Goron und Emilie Gautier.

22 > Nachdruck vrrbottu

Das Messer setzte den Gegner in Vorteil. Rozen hatte nicht daran gedacht, daß der Gegner bewaffnet sein könne. Ausgebracht durch dos Zurückweichen seines Opfers, drang der Schiffs- arbeiter immer weiter vor.

Dein Geld, wenn ich Dir sage!"

Ich habe keines," ries Nr. 883. Er wollte Zeit gewinnen,

Du hast keines? Mas hast Du mir denn dort drüben erzählt?"

Einen Scherz".

Einen Scherz die sechshundert Francs?"

Ich habe keine!"

Das ist nicht wahr. Du lügst! Ich will sie ..."

Wenn ich Dir doch sage, daß es ein Scherz war, um Dich zu ermutigen, mit mir zu gehen!"

Das will ich sehen, leere Deine Taschen!"

Während dieses Hin und Her war Rozen am Rande des Sumpfes angekommen. Er war wie in eine Sackgasse geraten und konnte nicht mehr zurück. Auf der einen Seite das Messer des Gegners, auf der andern der tückische, tot, bringende Sumpf.

Da plötzlich stieß er einen Triumphschrei aus. Ein dicker Stein rollte ihm zu Füßen. Wie ein Blitz schoß es durch seinen um Hilfs­mittel nie verlegenen Geist.

Komm Dir Dein Geld holen!" schrie er.

Ter andere stürzte voran, sicher der Tat mit erhobenem Messer. Doch so schnell wie sein Vorspringen war, Rozen war noch schneller. Er bückte sich- faßte den Stein und warf ihn Mit in der Verzweiflung übermenschlich ge­wordener Kraft dem Feinde mitten wider die Brust. Ein dumpfer Schlag, rinO" des Schmerzes- und der Mann fiel wie eine tote Masse zurück. Rozen stürzte auf ihn und wollte

sich des Messers bemächtigen. Ader der Wurf hatte den Verbannten nur betäubt, und er ver­teidigte sich energisch. Doch in dem Ringen Körper an Körper war er nicht einem Gegner wie Rozen gewachsen. Dieser hielt die mit dem Messer bewaffnete Hand wie mit eiserner Klam­mer umspannt; mit der anderen freien Hand würgte er ihn am Halse.

Der Relegierte ließ, am Ende seiner Kräfte, das Messer loS. Gaston riß die Waffe an sich und stürzte sich damit in wahnsinniger Wut auf den Unterliegenden. Endlich hielt er er­schöpft inne. Schnell machte er sich daran, die Leiche ihrer Kleider zu berauben und ihr, noch ehe sie erkaltete, so gut wie möglich die eigene Hose und die vorschriftsmäßig auf dem Krügen mit dem Zeichen 1'. 883 gezeichnete Sträf- ligSblouse anzuziehen. Dann zertrümmerte er Mtt einem großen Stein den Kopf des Toten.

So werden Sie Dich nicht wiederkennen! Die Ratten, Krabben und Ameisen werden das Uebrige besorgen; Gaston Rozen, der Galeeren- flräfling ist tot. Uv prokunclis!"

12. Kapitel.

Drei Wochen waren seit Rozens Flucht aus der Strafkolonie verstrichen. Infolge der Ent­behrungen und der Urbermüdung während des Marsches durch den Urwald hatte sein Hirn die Gedankenfrische eingebüßt; eine Art Betäubung lähmte seine Glieder. In Paramaribo ange fangt, hatte er Mit einem amerikanischen Steamer die Ueberfahrt nach Valencia gemacht. Kaum hatte er den Fuß in dieseStadt Venezuelas ge­setzt, als er von jeder Furcht frei ward. Nichs- destvweniger war er unruhig über die Zukunft, da er nahezu ohne Geld war und sich fragte, wie er die ersten Schwierigkeiten seiner neuen Exislenz überwinden und auf Bastien warten könnte- von dessen Hilfe er sich viel versprach.

Ein glückliches Ereignis war Nötig, um ihn aus seiner Erstarrung zu erwecken, die ihn vollends dem Verderben zuführen konnte. Plötzlich stieß er auf einen Männ, der aus

einem Geschäftshaus trat, auf dessen Mauern in großen Buchstaben zu lesen war:

Lavardens,

Roher Kautschuk. Kommissions- und Export- Geschäft."

Ein doppelter Ausruf folgte dem Zusam- menstoß der beiden Personen.

Rozen!"

Lavardens!"

In dem Aufschrei Rozens lag Freude Verwirrung und selbst Schrecken in dem La­vardens.

Nochmals führte der Zufall die beiden Männer zusammen. Sie hatten sich nie wiedergesprochen, seit sie London verlassen, wo beide ihre ersten Handelsstudien zurückgelegt. Lavardens hatte Rozen freilich inzwischen wiedergesehen, als letzterer die Zwangsjacke der Galeere trug und er selbst in Cayenne Unteroffizier der Marine-Infanterie gewesen. Die ganze Irrfahrt des Jugendge­nossen war ihm bekanut, seine Verbrechen, seine Verurteilung. Im Lager statte er ihn scheinbar nicht wiedererkannt, aus Mitleid für den, den er reich und lebenslustig gesehen und den die Schande der Sträflingskleidung drückte. Soweit es ihm möglich gewesen, hatte er dazu beige­tragen, das Schicksal Rozens zu mildern.

Als er das Regiment verlassen, hatte sich Lavardens verheiratet. Dann hatte er sich als Kautschukhändler und Direktor einer Filiale seines Handelshauses in Valencia niedergelassen. Jedes Jahr zur Erntezeit kam er herüber, um die Einkäufe zu überwachen.

Lavardens!" rief Rozen von neuemund hielt dem Kaufmann die Hand hin-Welche Freude, Dich hier wiederzusehen."

Doch der ehemalige Unteroffizier schien die dargebotene Hand des Landmannes, mit dein ihn das Schicksal Hier zusammenführte, und dessen Bekanntschaft keine Ehre war, nicht zu sehen.

(Fortsetzung folgt.)

MW

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