Der heutigen Auflage liegt ein Prospekt über den bekannten Kneipp Malzkaffe bei, woraus wir unsere Leser aufmerksam machen.
Standesbuch - Chronik der Stadt Wilddad.
Vom 12. bis 19 Februar 1903.
Geburten:
13. Blumenthal, Albert Gustav Adolf, Gastgeber hier, 1 Sohn.
14. Klaus, Jakob Heinrich, Fabrikarbeiter hier, 1 Tochter.
15. Haag, Johann Friedrich, Holzhauer in Sprollenhaus, 1 Sohn.
Aufgebote:
16. Schwerdtle, Gustav Friedrich, Taglöhner hier und Dürr, Christine Katharine Fried- rike von hier.
Gestorbene:
15. Manz, Marie, 10 Mon. alt, Tochter des Eisenbahnhilfsschaffners Franz Joseph Theodor Manz hier.
Aus Stadt uud Umkebuni.
Wildbad, 16. Febr. Durch Beschluß der bürgerlichen Kollegien wurde die erledigte Stelle eines Stadt- und Spitalarztes Hrn. Dr. Lorenz, kgl. bayr. Stabsarzt a. D. übertragen.
Pforzheim, 17. Febr. Heute vormittag wurde in dem rechtsseitigen Abort des hiesigen Hauptbahnhofes die Leiche eines neugeborenen Kindes gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat sich bereits der Sache angenommen.
. Rund schü u.
Tübingen, 18. Febr. Ein in der sog. Schloßküferei bei Frl. Richard (der bekannten Kinderlehrerin) wohnendes Frl. Majetti feierte heute ihren 90. Geburtstag. Sie wurde durch frühere Angehörige der Richardschen Kinderschule mit einem Morgenständchen erfreut. Wir wünschen der Greisin noch manche freundliche Lebenstage.
Göppingen, 17. Febr. Der 1jährige Sohn des Gipsers Georg Münkle von Schlath spielte mit Bohnen; dabei brachte er einen Kern in die Luftröhre. Das Kind wurde alsbald in das hiesige Krankenhaus zur Operation verbracht, wo es aber, ehe die Enfernung des Kernes gelang, erstickte.
Die rechte Erbin.
Roman von I. Pia.
Nachdruck verboten
„Nicht über die Hecke! — Nicht über die Hecke!" warnte ein Anderer Klementine mit ihrem Pferd.
Klementine aber war taub für guten Rat. — Wie sollte sie das nicht auch können, was der verhaßten Irma so glänzend gelungen war?! Neid und -Eifersucht raubten Klementine fast die Sinne, die letzte Ruhe und Selbstberrschung verließ sie. — In blinder Wut jagte das Pferd mit ihr weiter; da plötzlich erfolgte ein Krach — ein gellender Schrei — ein Sturz in den schmutzigen Graben! — In der nächsten Sekunde richtete sich das Pferd wieder auf und jagte reiterlos davon, Klementine, deren Kleid in dem Steigbügel hängen geblieben war, mit sich forschleppend.
Zu ihrem Glück wandte Irma sich gerade in dem Augenblick um, und ohne auch nur einen Moment zu zögern, riß sie ihr Pferd schnell zur Seite, und dadurch Sonnenstrahl den Weg versperrend, gelang es ihr mit großem Geschick, das Tier am Zügel zu fassen, daß dasselbe an allen Gliedern zitternd, schnaubend und keuchend stehen blieb und Klementine aus ihrer gefährlichen Lage befreit werden konnte.
„Sind Sie verletzt, Klementine? Um Gotteswillen, sagen Sie, sind Sie verletzt?" rief Irma in größter Erregung, sobald sie eines Wor.es fähig war.
Klementine richtete sich langsam zu sitzender Stellung auf und sah sich um. Sie, war von Kopf bis zu Fuß mit Schmutz bedeckt. Ihr Hüt war eingedrückt und ihr Gesicht schmutzig und zerkratzt. Glücklicherweise war der Boden weich, und der Hut hätte ihren Kopf geschützt. -- Dank Irmas schnellem mutigen Eingreifen batte die gefahrvolle Situation auch nur so kurze Zelt gedauert, daß sie keinen ernsteren Schaden gelitten hatte.
Kornthal, 16. Febr Vom Samstag auf Sonntag wurde im Bahnhofstationsgebäude in Kornthal ein Einbruch verübt. Der Einbrecher nahm seinen Weg durch das Gepäckbureau, das er mittels Nachschlüssel öffnete. Er nahm die Tageskasse mit, die er in den beim Bahnhof befindlichen Anlagen öffnete. Dem Einbrecher fielen aber uur 6 Mark zu. Wie verlautet ist man dem Täter auf der Spur.
Taues-Nachririiteu.
Freiburg, 18. Febr. Abermals durcheilt die Kunde eines Lustmordes an einem 6jähr. Mädchen unsere Stadt. Gestern nachmittag begab sich genanntes Kind zu seinen Gespielinnen auf den vor dem Eingang des Friedhofes unweit der elterlichen Wohnung gelegenen Spi'l- platz. Da das Kind sich abends nicht einstellte, wurde Nachfrage und Nachschau gehalten, erst heute früh gelang es dem Vater, sein Kind etwa 50 Schritte links des Einganges zwischen der Kirchhofmauer und den dort gepflanzten jungen Tannen als Leiche in einem geradezu entsetzlichen Zustande zu finden. Halb entkleidet trägt das Kind eine tiefe Schnittwunde an der linken Wange, einen tiefen Schnitt unter dem Kinn, die Gedärme sind herausgequollen, die Genitalportion ist ausgeschnitten. Ueber der Leiche finden sich noch der Kamm und der Geißelstock (zum Tanzknopsschlagen) des armen Geschöpfes, sowie ein Stück einer italienischen Zeitung. Als der Tat verdächtig wurde ein schon mit Zuchthaus und Gefängnis, darunter wegen Sittlichkeitsverbrechen vorbestraftes Individuum namens Heinr. Pfister von Ebnet festgenommen.
Säckingen. Ein vielbewegtes Leben hat der ins Amtsgefängnis hier eingelieferte geisteskranke Deserteur Waizmann aus Wasseralfingen hinter sich. Mit 20 Jahren ging er nach der Musterung nach Algier, wo er 6 Jahre diente dabei eine größere Zuchthausstrafe verbüßte. Von dort zurückgekehrt, wurde er in Metz verhaftet, nach Ellwangen gebracht und hier zu 3 Mon. Gefängns verurteilt. Nach der Strafverbüßung wurde er ins Grenadierregiment in Ulm eingestellt. Hier desertierte er und wurde in die Heilanstalt Schussenried gebracht, von wo er mit Hemd und Unterhose bekleidet, entwich und von der Schweiz, wo er sich Herumgetrieben,
Dützen war sofort an Klementinens Seite, doch waren seine ersten Worte nicht an sie, sondern an Irma gerichtet.
„Sie haben ihr das Leben gerettet!" rief er „Das war eine Heldentat von Ihnen! — Hast Du Dir Schaden getan, Klementine?" sagte er dann und er reichte ihr aus einer silbernen Feldflasche ein paar Tropfen Weins.
Dieselben belebten sie wieder.
Mit Dülzens Hilfe richtete sie sich nun vollends auf.
„Ich . . . ich glaube — ich habe nichts gebrochen", stammelte sie, „bitte, Alfons — bringe mich nach Hause — ich bin so furchtbar erschüttert worden — aber nicht auf diesem Tiere will ich nach Hause — laß mich Dein Pferd reiten."
Dülzen machte sich daran, die Sättel zu wechseln; inzwischen war auch der Oberst herbeigekommen und bot hilfreiche Hand. Während .dem allen aber hatte Klementine kein Wort des Dankes oder der Anerkennung für Irma, die ihr mit ihrem Mute und ihrer Entschlossenheit das Leben und die gesunden Glieder (gerettet hatte.
„Gott sei Dank, daß die Sache noch so leidlich abgelaufen ist," meinte Dülzen zu den Umstehenden. Meine Braut ist nur heftig erschüttert. Wenn sie sich ein wenig erholt hat, begleite ich sie heim. Ich möchte Sie aber nicht zurückhalten, es wäre schade, Fräulein Irma wenn Sie das Ende der Jagd noch versäumten. Nehmen Sie alle meinen herzlichsten, verbindlichsten Dank."
Sein Gesicht war bleich, der Ton seiner Stimme herb, fast rauh; es schmerzte ihn bitter, daß Klementine auch nicht ein Wort des Dankes für ihre Retterin hatte.
„Kommen Sie, Fräulein Irma,^ wandie der Oberst sich zu dieser, „wir wollen uns eilen, um die übrige Gesellschaft einzuholen.
Und fort galoppierten sie über die Wiesen. Gleich einem Lauffeuer verbreitete sich unter der
über die Grenze geschoben wurde. Er wurde wieder der Heilanstalt Schussenried übergeben.
Singen, 15. Febr. Gestern nacht entfernte sich nur mit einem Hemd bekleidet die Frau des Bahnwarts Springhard. Bisher konnte dieselbe nicht aufgefunden werden und man nimmt an, daß sie sich in einem Anfall von Geistesgestörtheit ein Leid angetan hat.
Konstanz. Desertiert ist hier ein Soldat der 4. Kompagnie des hiesigen Regiments. Seine Uniform hatte er in der Wiesenstraße niedergelegt.
Leipzig. Prinzessin Luise wird in der Metarie solange verbleiben, bis die dortigen Aerzte im stände sein werden, ein Gutachten über ihren Geisteszustand abzugeben. Das körperliche Befinden der Prinzessin ist zufriedenstellend. Ihr zukünftiger Aufenthalt ist im Einverständnis niit ihren Rechtsanwälten festgestellt worden, doch kann vorläufig nur soviel gesagt werden, daß derselbe nicht innerhalb Deutschlands oder Oesterreichs liegt.
— Eine furchtbare Familientragödie hat sich in Halle a. d. S. abgespielt. Der Arbeiter Bernhardt, ein notorischer Trunkenbold, riß seine Frau, als er schwer bezecht nach Hause kam, an den Haaren aus dem Bette, würgte sie und hätte sie totgeschlagen, wenn ihn nicht der 6jähr. Sohn weggeriffen hätte. Nun wandte sich die Wut des Betrunkenen gegen das Kind, das er zu erwirken suchte. In der Notwehr erwischte der Knabe eine gefüllte Oelkanne und schlug sie seinem Vater auf den Kopf mit dem Erfolge, daß der Betrunkene tot liegen blieb.
Berlin, 17. Febr. Als der Buchhalter Arndt und seine Geliebte auf ein Telegramm der Magdeburger Polizei wegen Unterschlagung von 17 000 Mk. festgenommen werden sollten, erschoß Arndt seine Geliebte und sich.
Berlin. In einem hies. Variete-Theater wurden bei der Fahrt im Todesring drei Radfahrer aus dem Ring herausgeschleudert; einer blieb tot, die anderen wurden schwer verletzt.
— Im Kurpfuscherprozeß Nardenkötter zu Berlin wurde das Urteil verkündet. Närden- kötter wurde wegen Betrugs und unlauteren Wettbewerbs zu 3 Jahren Gefängnis, 3000 M. Geldstrafe 5 Jahren Ehrverlust, sowie wegen Uebertretung betr. den Verkehr mit Giften zu 600 Mk. Geldstrafe ev. 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Apotheker Klepfer wurde frei
Jagdgesellschaft die Kunde, in welch' mutiger, heldenhafter Weise Irma Fräulein von Maltitz Pferd zum Stehen gebracht hatte, und von allen Seiten wurden ihr so viel Komplimente darüber zu teil, daß sie vollständig zur Heldin des Tages ward.
Sie ritt an des Obersten Seite heim, froh daß Mertens sie nur von Weitem gegrüßt und nicht gewagt hatte, sie anzureden. Der Oberst aber schaute mit bewunderndem Blick auf seine Begleiterin, die vorübergehende Leidenschaft, die er vor drei Jahren für sie empfunden hatte, wurde durch die Ereignisse des heutigen Tages nur noch gestärkt.
„Er ist so gut und freundlich, viel netter als er mir in Erinnerung vorschwebte," dachte Irma, „fast glaube ich, daß er nie an meine Verbindung zwischen uns gedacht und das Heiratsprojekt nur ein loser Plan meiner Stiefmutter war.
Der Oberst machte sich ihr so angenehm wie möglich, daß sie trotz seines mephistoartigen Aeußeren ganz munter mit ihm plauderte, und das Ende der Jagd sie so gut befriedigte, wie dies ohne Dülzen möglich war.
Wie aber wäre ihr wohl zu. Mut gewesen, wenn sie geahnt hätte, daß Mertens ihnen ungesehen folgte — bis nach dem Schloß, das Herz voll wilder böser Eifersucht und blinder Wut?! —
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Außer dem kleinen Triumph, welchen Irma noch während der Jagd für ihren Mut und ihre Tapferkeit geerntet hatte, fanden dieselben wenig Anerkennung. Hatte Klementine sie bisher schon nicht geliebt, so haßte sie Irma jetzt geradezu, und wollte durchaus nicht zugeben, daß sie Ir- ma überhaupt zu Danke verpflichtet sei. Soweit gingen die Verirrungen des Haffes und der Eifersucht bei der ebenso stolzen und eitlen Klementine.
(Fortsetzung folgt.)