— Mahlspüren i. P. brannte das Brauereigebäude des Herrn Hirschwirts Schmied nieder. Der Schaden beläuft sich auf circa 5000 Mark.
Berlin, 16. Febr. Der Hilfsweichensteller Veit aus Gauls heim wurde gestern früh von einem von Mainz kommenden Schnellzug erfaßt und zur Seite geschleudert. Der Mann starb bald darauf.
Berlin, 16. Febr. Wie der Lok.-Anz. meldet, wird demnächst ein neuer polnischer Ge- Heimbündelei-Prozeß vor der Strafkammer in Gnesen verhandelt werden. Angeklagt sind 4 Studenten und 15 Gymnasiasten von denen 7 aus der Anstalt entlassen worden sind. Den Angeklagten ist die Anklage bereits zugestellt worden.
— Das kleine Journal meldet aus Paris: Vergangene Nacht wurde bei Ecornal ein Attentat auf einen Personenzug verübt. Der unbekannte Täter hatte die Schienen losgeschraubt, wodurch der Expreßzug Nizza-Paris entgleiste. Glücklicherweise waren nur wenige Personen im Zuge. Der Maschinist wurde getötet und ein Heizer schwer verletzt.
Genf, 14. Febr. Die frühere Kronprinzessin von Sachsen hat sich entschlossen, nunmehr den Namen Luise von Toscana zu führen, da ihre Berechtigung hierzu trotz Verfügung des Kaisers von Oesterreich, gesetzlich unanfechtbar ist.
— Der Berl. Lok.-Anz. meldet aus Salzburg, die Gerüchte von der erfolgten Abreise der Großherzogin von Toskana nach Nyon seien aus der Luft gegriffen. Die Großherzogin bleibt in Salzburg und beabsichtigt keinen Besuch ihrer Tochter in La Metaire.
Nach einer amtlichen Nachricht aus Washington ist das deutsch-venezolanische Protokoll zur Beilegung der Streitigkeiten dort um Mitternacht (Freitag auf Samstag) von dem Gesandten Frhrn. Speck v. Sternburg und von Bowen unterzeichnet worden. Ungefähr gleichzeitig mit dem deutschen wurde auch das englisch- und jtalienisch-venezolanische Prokoll unterzeichnet.
Berlin, 16. Febr. Die N. A. Z. meldet:
Gestern Mittag erhielt Kommodore Scheder Befehl, die Blockade aufzuheben und die weggenommenen venezolanischen Kriegs- u. Handelschiffe einschließlich des Registrators an die venezolanische Regierung zurückzugeben.
Caracas Auf die Mitteilung des amerikanischen Gesandten Bowen, in welcher dieser Castro von der Unterzeichnung des deutschen, englischen und italienischen Protokolls in Kenntnis setzte und seinen Glückwünsch aus diesem Anlaß aussprach, erwiderte Castro mit einem Telegramm, in dem er Bowen in seinem und Venezuelas Namen ewiger Dankbarkeit versichert, für die rasche Entschlossenheit, mit welcher er Sache der Gerechtigkeit diente.
Tanger, 15. Febr. Heute sind 2 Batterien mit bedeutender Munition für den Sultan hier eingetroffen. Bu Hamara befindet sich mit den Beniuaraim-Rebellen im Hiainagebiet, wo er Vorbereitungen für einen neuen Vormarsch nach Fez trifft. Am 8. Februar war ein Kampf, auf beiden Seiten gab es große Verluste. Die Truppen des Sultans mußten weichen. Am gleichen Tage versuchten die Truppen das feindliche Alvazaba zu nehmen, wurden aber abgewiesen. In Fez proklamierte ein Mann einen Bruder des Sultans zum Sultan unter dem Beifall der Menge. Er wurde dafür öffentlich gepeitscht und ins Gefängnis geworfen.
Verschiedenes.
(Eine Dame, die einen Offizier ohrfeigt,) und zwar coram publico, ist eine seltene Erscheinung. Die Tat einer solchen Amazone kam, wie aus Rom berichtet wird, vor dem Gericht von Cuneo zur Aburteilung. Es war am 6. November, als sich unter den Säulengängen der Via Roma ein merkwürdiger Vorgang abspielte. Eine Signora Balsaino, Gattin eines Hospitaldirektors, wandte sich gegen einen sie verfolgenden Leutnant, namens Delfino, und versetzte dem Jüngling kurzweg zwei jener saftigen Leckerbissen, die der Münchener gar charakteristisch mit „Watschen" bezeichnet. Der so schmählich Blamierte, der die Dame belästigt hatte, forderte darauf deren Gemahl, erhielt aber die höhnische
Erwiderung, daß er die Handlungsweise seiner Frau voll und ganz billige. Darauf blieb dem Offizier nichts anderes übrig, als die handfeste Signora zu verklagen, die, da sie gar so tüchtig zugeschlagen, mit der Strafe von 41 Lire belegt wurde.
(Meeresgeld.) An der samländischen Küste haben die letzten Stürme den Bernsteinfischern reichen Gewinn gebracht. Wie man der Elb. Ztg. mitteilt, hatte bei dem ersten großen Sturm Neuhäuser eine wahre Goldernte, indem Besitzer aus Waldkrug, Schäferei und Lochstätt Schöpferträgniffe bis über drei Zentner bei einem Verkaufspreis von 700 bis 1000 Mark pro Zentner je nach dem Ausfälle des Bernsteins hatten. Ein einziges Stück Bernstein hatte einen Wert von 300 Mark. Schäferei hatte keinen so großen Ertrag wie Neuhäuser; besser hat Lochstädt abgeschnitten, wo über 7 Zentner Bernstein geschöpft wurden. Von dem Ertrage geht ein Schöpferlohn von einem Drittel ab, den die Leute erhalten. Hunderte von Menschen, meist aus Alt-Pillau, angetan mit einem Leder- anzuge, bis zum Halse zugeknöpft, sind im Wasser mit langen Kätschern beschäftigt, um das Meeresgold zu fangen. Der tägliche Verdienst dieser Leute stellt sich auf 40 bis 50 Mk. Bei dem letzten Sturme zog die ganze Schicht (3- bis 400 Personen) nach Lochstädt und Tennkitten. Am letzten Orte wurden dem Besitzer Schleen beinahe 10 Zentner Bernstein an den Strand geworfen. Er kam stellenweise so reichlich, daß man ihn mit der Hand schöpfen konnte. Der sehr sauer verdiente Lohn ist den Leuten wohl zu gönnen, da jeder andere Erwerb jetzt vollständig fehlt.
Die praktische Hausfrau überflügelt ihre Freundinnen, weil sie Versuche macht und stets das Beste auserwählt. Dieselbe hat schon längst gefunden, daß Gentner's Seifenpulver Schneekönig nicht nur das billigste, sondern auch das beste Waschmittel ist, denn dasselbe ist völlig unschädlich, schont die Wäsche, macht dieselbe blendend weiß und ist außerordentlich bequem zu allen Wäschen. Dieses vorzügliche Waschmittel ist in den meisten Kolonialwarengeschäften erhältlich.
Die Augen der Liebe.
Novelle von P. Herrkorn..
Nachdruck verboten.
Brauchte es außer Bodo noch Jemand zu wissen, wie zwei Herzen scheiden mußten und dennoch durch Liebe verbunden blieben bis hum Tode? Nein; nein, das Grab deckte jetzt Beide, die kleine Mappe mußte ihnen nach sterben. Ich knieetemoL dem Bücherschrank, hatte das Licht auf den Fußboden gesetzt und hielt einen Brief Nach dem andern über das Licht, bis die letzten Spuren jener unglücklichen Liebe vernichtet waren, wie ja auch ihre Liebe den Augen der Welt verborgen gewesen war.
Mein Vater hatte den Verhältnissen Rechnung getragen, den dringenden Wunsch seiner Eltern erfüllt, den Dienst quittiert und Bianka von Sivers geheiratet. Sie war meine Mutter und starb bei meiner Geburt. Ueber alles dieses dachte ich nach, als ich den letzten Brief Über das flackernde Licht hielt. Plötzlich schien es mir, als ob ich vom Fenster her beobachtet würde, ich glaubte, auch Stimmen zu vernehmen, als ich aber nachsah herrschte Stille und Schweigen ringsumher. Ich nahm an, ich hätte mich getäuscht.
In der darauf folgenden Nacht brannte die ganze Besitzung nieder. Wie war es gekommen? Ja, wer mir das hätte sagen können! Die Leute sahen mich mißtrauisch an, frühere Bekannte gingen mir aus dem Wege. Es dauerte nicht lange, da wurde mir alles klar. Man beschuldigte mich der Brandstiftung; ich wurde gefänglich eingezogen, die Sache kam üöt die Ges schworenen. Unser Ruin, oie hohe Versicherung erregten Verdacht. Zwei Zeugen beschworen, gesehen zu haben, wie ich das Feuer im Bücherschrank angezündet habe. Einer der ZeuaeN war Oskar Krüger. — Ueber das Weitere lasten Sie mich schweigen. Ich habe zu tief gelitten, als man mir verkündete^ ich sei zu sechs Jahren
Zuchthaus verurteilt, als daß ich im Stande wäre, es Ihnen zu beschreiben. Man hat mich meinem Wunsche gemäß nach W. gebracht, weil ich so weit wie möglich fort wollte. Man beschäftigte mich mit schriftlichen Arbeiten. — So waren zwei Jahre der Qual vorüber gegangen. Da kam das furchtbare Gewitter. Als ich merkte, daß meine Zelle offen geblieben war, konnte,ich der Versuchung nicht widerstehen, ich entfloh. Das Uebrigs danke ich Ihnen!" schloß Bodo tief bewegt.
Lautlose Stille herrschte in dem kleinen Kreise, endlich begann Werner: „War denn Niemand da, der für Sie eintrat, der das Bubenstück durchschaute?"
„Nein. Wer sollte auch? Man kannte mich so wenig, und außerdem -- der Schein war gegen mich. Vielleicht habe ich wirklich den Brand durch Unvorsichtigkeit veranlaßt, vielleicht war Oskar Krüger im Spiel. Gott weiß es. Ich aber habe zwei Jahre lang Zuchthausbrot gegessen", schloß er bitter. Seine Augen blickten starr, als suchte er etwas in weiter Ferne.
Ein Wagen fuhr vor. „Der Herr Assessor Berg," rapportierte Helene, die von der Erzählung tief ergriffen, am Fenster stand.
„Ein Bekannter von Ihnen?" fragte Bodo Helene.
„Ein großer Verehrer von Helene", berichtete Werner lächelüd, indem er mit Helene ging, während die Hausfrau schon im Hausflur stand und den Gast empfing.
Der Assessor, der sich in den Wernerschen Räumen recht ungezwungen bewegte, war durch seine Erscheinung Nicht berechtigt, Herzen im Sturm zu erobern» aber desto entschiedener war er davon überzeugt» daß ihm alle Mädchenherzen entgegen fliegen müßten. Assessor Berg war groß, schlank und hellblond; die Welt war selten seines vollen Blickes wert, die Augäpfel irrten aus einer Ecke der Augenhöhlen in die anderes klemmte er aber ein Monocle hinein, um etwas
recht genau zu beschauen, so glaubte er sich ein besonderes Air zu geben.
Assessor Berg war sehr aufgeräumt, er machte die fadesten Witze, weil er einsah, daß er heute die Kosten der Unterhaltung trug; zu so glücklicher Stunde war er selten hier gewesen. Schließlich bemerkte er, daß er die Damen nicht zu fesseln vermochte, er wechselte daher endlich das Thema.
„Was sagen die Herrschaften zu dem entsprungenen Sträfling? Frech! Nicht wahr?"
Ueber Helenens Antlitz ergoß sich eine Blutwelle bis dicht hinauf in das blonde Haar; sie schob den Stuhl zurück und verließ hastig das Zimmer. Ihr Herz war zu voll, ihre Pulse flogen, sie mußte hinaus, in andere Luft.
Immer wieder trat Bodo's Gestalt vor ihr inneres Auge, sie hörte seine Stimme so tief, so klangvoll, wie keine sonst an ihr Ohr schlug. Sie hatte sich in eine Laube gesetzt, die Hand über die Augen gelegt und träumte — wie es sich eben nur in der Jugend träumt; da wurde sie durch deu Assessor aus ihrem stillen Sinnen aufgeschreckt.
„Meine Ahnung hat mich nicht betrogen, da sind Sie wirklich, Fräulein Werner. Sie erlauben?" fragte er, indem ein eigentümlicher Zug über sein nichtssagendes Gesicht huschte und sich dicht an ihrer Seite niederließ.
Wie Backfischchen mitunter zu tun pflegen, rückte Helene ein ganzes Stück weiter fort.
„Fürchten Sie sich vor mir, meine Gnädige? Wirklich kein Anlaß dazu. Ich bin ein sehr harmloser Mensch." Der Assessor rückte auch weiter, näher zu Helene hin, seine Augen richteten sich voll auf das junge Mädchen, er-glaubte ein Mittel zu haben, sie liebenswürdiger, entgegenkommender zu machen.
»»Gnädiges Fräulein", begann er, „nächsten Sonnabend ist in W. Erntefest. In der Hoffnung, daß Sie dasselbe verherrlichen werden, möchte ich Sie um den ersten Walzer und Kons tretanz bitten." (Fortsetzung folgt.)
Lu« u- Bnloz »er Bern». HofmstM'fchen Lu-druckerei i« Wldbad. V?r-nr»«ttlich fstr die Redaktion: S. Hofmann daselbst.