— Der „Frkf. Ztg." geht von beachtenswerter Seite" eine Darstellung zu, der wir u. a. folgende Einzelheiten entnehmen:
Um die Flucht der Kronprinzessin von Sachsen richtig zu würdigen, muß mau sich den Gegensatz in den Charakteren der Ehegatten vor Augen halten, der doch noch wesentlich sich zeigte, wie die bisherigen Mitteilungen angedeutet haben. Am stärksten fiel hiebei ins Gewicht die etwas derbe Form, in welcher gelegentlich nach frohem Gelage die Zuneigung des Galten sich äußerte. Nicht Mißhandlungen sondern Liebkosungen an ungeeigneten Orten schufen bei der Kronprinzessin eine Abneigung. Sie hat nach solchen Vorfällen um Abhilfe und dann auch um Scheidung bei ihren Verwandten ersucht. Als ihr daraufhin mit Irrenanstalt und Kloster gedroht wurde, faßte sie den Entschluß, zu fliehen. Zur Flucht sollte ihr Giron behilflich sein, und wenn ein Briefwechsel stattfand, so behandelte er nur dieses Thema. Darauf weist auch der Umstand hin, daß man bis jetzt nichts Zuverlässiges von den Liebesbriefen der Prinzessin an Giron gehört hat. In Dresden und Salzburg war die Prinzessin namentlich in der letzten Zeit immer von sehr frommen Leuten umgeben. Daß die Flucht dennoch gelang, ist recht auffallend, und man kann die Frage aufwerfen, ob etwa dem fächs. Hofe die aufgefangenen Briefe verschwiegen worden sind oder gar die Flucht absichtlich dadurch begünstigt wurde, daß in Salzburg der freie Verkehr zwischen Erzherzog und Kronprinzessin erleichtert wurde, Fragen, auf die eine sichere Antwort nicht möglich ist. Man sieht aus diesen Punkten, wie viel Widerspruchvolles die früheren Veröffentlichungen enthalten und wie viel berechtigte Zweifel bei Denen auftauchen müssen, welche einen genaueren Einblick in die Sachlage und ein persönliches Urteil gewonnen haben. Man wird mit der Thatsache rechnen müssen, daß sie nur frei seiu wollte, selbst um den Preis einer Unwahrheit und eines Skanduls. Sie hat sich durch die Flucht Freiheit und geistige Gesundheit gerettet, denn unter den am Hofe herrschenden Verhältnissen hätte sie nervenkrank werden müssen. Der Umstand, daß Giron auf den ersten Wink der Kronprinzessin Genf verließ, beweist, daß erste nicht beeinflußt. Wer die Kronprinzessin, diese energische, selbstbewußte oder sehr geschickte Frau kennt, wird dies von Anfang an gewußt
haben. — Die Dinge stehen so: die Erzherzog Leopold-Affäre ist eine Liebes-Asfäre, die Kronprinzessin-Affäre ist eine Tragödie der Abneigung gegen die am Hofe herrschenden Persönlichkeiten und Zustände.
Der Konflikt mit Venezuela.
— Die Antwort Castros ist nach der Köln. Ztg. jetzt in Berlin übergeben worden. Sie enthält die in allgemein zustimmenden Ausdrücken abgefaßte Annahme der Forderungen der Mächte. Es wird nunmehr die Aufgabe der Diplomatie sein, diese Zusage iu durchaus befriedigende Form zu bringen und es werden zu diesem Zweck die Verhandlungen fortgesetzt. Die Zusage Castros beweist, daß die örtliche Blockade nicht wirkungslos geblieben ist, daß Castro die Hoffnung verloren hat, daß die Vereinigten Staaten sich schützend zwischen ihn und die Mächte stellen werden.
Zum Madrider Attentat.
Madrid, 10. Jan. Der König, die Königin- Mutter und Infantin Maria Theresia hatten, wie herkömmlich, der Salve in der Kirche beigewohnt und begaben sich zu Wagen nach dem königlichen Palaste. Hinter ihnen fuhr der Wagen des Oberkammerherrn. Eben war die Plaza Oriente erreicht, als ein Schuß gegen den zweiten Wagen abgegeben wurde. Der Befehlshaber der königl. Eskorde streckte den Verbrecher durch einen Säbelhieb zu Boden. Als der König den Schuß vernahm, beugte er sich ans Wagenfenster, wurde aber von der Königin- Mutter an der Hand aus den Sitz zurückgezogen. Der Verhaftete, der nach nunmehriger Feststellung Feito heißt, erklärt, er habe nicht beabsichtigt, irgend Jemand von der königlichen Familie zu töten, sondern den Oberkammerherrn, gegen den er ernste Beschwerden habe. Er leugnet, Anarchist zu sein und giebt an, er sei mit einer Französin verheiratet, die im Jrrenhause sei. In seinen Taschen fand man eine Reihe Papiere. Feito machte seine Aussagen beim Verhör ruhig, doch geht aus seinen Reden selbst hervor, daß er nicht klaren Geistes ist. Eine Depesche des Ministers des Innern an den Präfekten stellt fest, daß der von Feito verübte Anschlag gegen den Oberkammerherrn und nicht gegen den König gerichtet war.
hier bereits einige Zeit unter dem Namen Zuller aufhielt, wird den deutschen Behörden ausgeliefert werden.
New-Aork, 7. Jan. In der Newqorker Vorstadt Mont Vernon hatte der hochangesehene Arzt und Stadtrat Dr. House seinen Kutscher, einen Schweden, Namens King, wegen fortwährender Trunkenheit entlassen müssen. Als dieser aber nach seiner Entlassung wiederholt noch ins Haus kam, um seine Geliebte, eines der Dienstmädchen, zu sehen, wurde der Mann schließlich mit Gewalt aus der Wohnung entfernt, wobei er furchtbare Rache schwor. Am nächsten Tage drang er wieder ins Haus ein, zu einer Zeit, wo der Doktor und seine Gattin abwesend waren, verlangte von dem Mädchen, daß sie mit ihm davonginge, und als dies rundweg abgeschlagen wurde, stürzte der wütende Mensch sich auf das im Zimmer schlafende einzige vierjährige Töchterchen des Dr. House und schnitt ihm mit einem Rasiermesser den Kopf fast vollständig vom Rumpfe. Dann riß er einen Revolver äus der Tasche und zerschmetterte sich mit einem Schuß den Schädel. Der Mörder- Hat die grauenhafte That wahrscheinlich in einem Anfall von Säuferwahnsinn verübt.
Die Affaire der sächs. Kronprinzessin.
Es wird immer schwieriger, einen Ueberblick über die Entwicklung der Affaire zu gewinnen; so sehr widersprechen sich die Nachrichten der beiden beteiligten Teile; wer ehrlich ist, wird gut daran thun, nicht gleich mit Steinen zu werfen, wo ein Ziel noch gar nicht sicher ist. Insbesondere sollte das Beginnen endlich aufhören, die Angelegenheit gar politisch oder konfessionell auszuschlachten; wir haben von Anfang an davor gewarnt und versucht, dis ganze Geschichte rein menschlich zu nehmen. Auch so bleibt, wie bei allen menschlichen Irrungen und Wirrungen, noch genug des Rätselhaften, das ein schnellfertiges Urteil immer unmöglich macht, umsomehr als die Thätigkeit Monsieurs Girons selbst nicht über alle Zweifel klar erscheint. Wenigstens wird beispielsweise mit Bestimmtheit aus Genf versichert, daß weder die Kronprinzessin noch Giron über die Legitimität oder Illegitimität des zu erwartenden Kindes etwas geäußert habe.
Z)er Kemeindecrr'Zt.
Roman von M. Els born
41) Nachdruck verboten
Frau Mathilde hämmerte mehrmals mit der Faust auf den Tisch — „Du weißt davon?" das fragte sie immer eindringlicher, bis Gisela nickte — ganz wie im Tauniel, in Wirklichkeit war's ihr ein so großes Wunder, daß er geschrieben — sie hätt's ja nimmer gedacht, daß ein Mensch so viel Mut haben könne.
„Also sie weiß davon!" rief Frau Mathilde ihren Gatten an, „sie ist im Einverständnis hörst Du, Julius, sie hat das mit ihm abgekartet!"
Da sprang Herr von Heidenbruck auf. Er hatte Gisela in seinem Leben noch kein schiefes Wort gesagt, aber jetzt — jetzt — wenn das Mädel sich denn so weit weggeworsen hatte. —
Er hob ihr Gesicht am Kinn in die Höhe. „Gisela, schau mich an, hast Du das mit dem," er deutete mit dem Daumen nach rückwärts, „hast Du den Brief mit dem abgekartet?"
Giselas Augen standen voller Thränen. „Nein, Vater, aus freien Stücken hat er ihn geschrieben."
„Und Du hast's auch nicht gewußt, Giselerl, geh'. Du hättest Dich nicht mit ihm eingelassen; aber schau, ich will Dir etwas zeigen." Er bastelte in seiner Brusttasche herum — in der Aufregung konnte er gar nicht das Rechte finden endlich zog er Graf Fluens Brief hervor.
„Lies das, Giselerl," und er sah über ihre Schulter mit hinein.
„Nun?" Es ging wie Triumph über sein Gesicht — „Giselerl, was sagen wir nun?"
Frau Mathilde tippte sich währenddessen öfter mit dem Zeigefinger gegen die Stirn, wie sie's immer that, wenn ihr Mann eins Dummheit Machte.
„Es ist umsonst, Vater, ich mag ihn nicht."
„Wen? — den Grafen?"
„O du Einfaltspinsel!" dachte sich Frau
Mathilde.
Herr von Heidenbruck aber begriff's jetzt, daß Gisela den Grafen meinte. Vor ihrer Erregung überwältigt, fiel sie ihm um den Hals. — „Ich liebe Eugen Jellinek — lange, lange, so lange ich denken kann!" Ihre Thränen brachen unaufhaltsam hervor — sie konnte ihr Gesicht nicht von des Vaters Schulter heben, und Herrn von Heidenbruck war's, als habe der Blitz in sein Hans geschlagen; alles, alles vernichtend — seine Ahnenreihe, sein Wappenschild und die ganze künftige Herrlichkeit, für die er sein Vermögen in den Wind geschlagen.
Frau Mathilde hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Sie brachte kein Wörtchen hervor. Starr war alles in ihr — starr und tot.
Spät, spät in der Nacht hatte Gisela Eugens Brief, den er an Herrn von Heidenbruck geschrieben beantwortet, und gleichzeitig ihre Liebe und Zuneigung zu ihm kundgegeben — oben in ihrem Zimmerl.
Draußen funkelten die Sterne, und im Doktorgärtchen ging ein lauer Wind durch die Rosen. Das alte Mütterlein fühlte ihn bis in ihr Zimmer wehen, denn sie lag schlaflos im Bett und dachte an Eugens Glück, und früh, als unter dem Dachfirst die Schwalben fangen, kam er ins Haus geflogen — hell und wonnig — das Dirndel! das Dirndel war seine Braut!
Gisela und Eugen waren nun ein glückliches Brautpaar nnd verlebten noch manche glücklichen Jahre miteinander.
— Ende.—
Die rechte Erbin.
Roman von I. Pia.
Nachdruck verboten
Arme kleine Irma! Wie wenig kannte sie noch die große, böse Welt und die Menschen! Als der Wagen vor dem Portal des Schlosses
hielt, schaute sie lebhaft nach dem Baron aus, halb erwartend, derselbe werde mit seiner Gattin Pben auf den Stufen stehen, um sie in ihrem Heim und an ihren Herzen willkommen zu heißen.
Aber — von dem Schloßherrn und seiner Gemahlin war nichts zu sehen. Nur ein Diener kam die steinernen Stufen herab, um den Wagenschlag zu öffnen und ihr beim Aussteigen behilflich zu sein, während ein zweiter Diener ihr Gepäck in Empfang nahm.
Schüchtern, kaum im Stande, die hervorquellenden Thränen zurückzudrängen, blickte sie im Eingang des Schlosses den Diener an.
„Soll ich die Jungfer rufen, damit diese gnädiges Fräulein gleich in Ihre Zimmer führt," fragte derselbe ehrerbietig.
„Kann ich nicht erst meinen Vater sehen?" wandte Irma etwas zaghaft ein.
„Heute wohl kaum mehr", ward ihr zur Antwort, der gnädige Herr hat einen heftigen Gichtanfall und muß das Zimmer hüten."
„O, das thut mir leid! — und Frau von Steinfels?"
Der Diener machte ein etwas verlegenes Gesicht und meinte dann: „Vielleicht begeben das gnädige Fräulein sich in das Wohnzimmer, möglich, daß die gnädige Frau dort ist, wenn sie sich nicht im Garten irgendwo befindet."
Schweren Herzens folgte Irma dem ihr voranschreitenden Diener.
Mit der Meldung: „Fräulein von Steinfels" riß er diensteifrig die Flügelthüren zu einem großen, hoch elegant ausgestatteten Zimmer auf.
Im ersten Augenblick glaubte Irma, dasselbe sei leer, doch, nachdem sie ein paar Schritte vorwärts gethan, bemerkte sie ihren Irrtum. Von einem niedrigen Schemel, halb hinter einem kostbaren Wandschirm verborgen, sprang ein Herr aus, während eine Dame, die in einem bequemen Stuhl nachlässig zurücklehnte, sich auf den Ellbogen stützend, nur ein wenig aufrichtete und die