Aus Stadt und Umgebung.
—* Wie wir erfahren haben, soll Musgangs dieser Woche der letzte Floß die Enz passieren, welcher Herrn Lustnauer in Hofen gehört. Es wird mit diesem wohl manchem ein Teil der Unterhaltung genommen werden, wenn z. B. jemand aus eurer Gegend ist, wo die Flößerei nicht betrieben wird, ist es ein schöner Genuß für das Auge, wenn man sehen kann, wie 4 bis 'S Männer die Massen von Holz auf dem Wasser mit Leichtigkeit dirigieren. Aber das Gegenteil wird es fern vor: den Werkbesitzern aus, mit Freude werden sie zusehen, wenn die Wehrsalle zum letzenmale hinter eurem Floße fällt; denn wie manches Werk mußte seine Kraft oft stundenlang einschränken, wenn ein Floß rn der Nähe war. Wir wollen uns mit dem Wort zufrieden geben: „Freude muß Leid vertreiben," oder das Gegenteil.
—* Mit 20-Pfennigstücken aus Nickel kann vom kommenden Neujahr ab nicht mehr bezahlt werden. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 16. Okt. welche besagt: Der Bundesrat. bestimmt, daß die 20-Pfennigstücke aus Nickel vom 1. Januar 1903 ab nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel gelten und daß außer den mit der Einlösung öearrstragten Kaffen niemand verpflichtet sei, dreselben iu Zahlung zu nehrneru_
NttuvjHKU.
Stuttgart, 24. Okt. Die Oberamtspfleger hielten am Sonntag den 19. Oktober in Stuttgart eine gutbesuchte Landesversammlung ab, in welcher der Entwurf einer Bezirksordnung besprochen und eine Eingabe an die Ständekanuner um Abänderung einiger Bestimmungen derselben gutgeheißen wurde. Zum Vorstand wurde Ober- amtspsleger Müller-Stuttgart, zum Schriftführer Furch-Backnang, zu weiteren Ausschußmitgliedern Kolb-Schorndorf, Schult-Gmünd und Maurer- Gaildorf gewählt.
Stuttgart, 24. Okt. Auf dem Nordbahnhof Stuttgart standen heute 103 Waggons. Hiervon waren 74 Waggons neu zugeführr, welche in der Hauptsache zu folgenden Preisen per 10,000 Kilogramm verkauft wurden und im übrigen den angeführten Preiswert besaßen: 1 Waggon aus Sachsen zu 1050 Mt., 7 Waggons aus Oestereich und Böhmen zu 1020 Mt. bis 1060 Mk., 2 Waggons aus Belgien zu 1040 Mk., 43 Waggons aus der Schweiz zu 102(chMk. bis 1040 Mt. 21 Waggons aus Italien zu 960 Mc. bis 1060 Mc., zusammen 74 Waggonladungen zu ca. 10,000 Kilogramm Mostapsel. Kleinverkaus 5MNk. 20 Psg. wis^5 Mc. 60,Psg. Nach auswärts wurdenHeute 23 Waggons versandt.
-s Tübingen, 25. Okt. (Korresp.) Auf dem heutigen Obstmarkt betrug die Zufuhr 80 Säcke. Aepsel kosteten der Zentner 6 Mk. 50 Psg. bis 7 Mk., Birnen 6 Mk. 60 Pfg. bis 7 Mk. 20 Psg. — Aus dem Güterbahnhosstanden heute 5 Wagen Schweizer Obstäpsel zum Verkauf. Preis per Zentner 5 Mk. 30 Pfg. bis 5 Mk. 80 Psg.
Dornhan, 24. Okt. Gestern abend nach 10 Uhr brach im Henstvck des Bauern Matth. Haug auf der Brette hier Feuer aus, welches das Wohn- und Oekonomiegebände in kurzer Zeit zerstörte. Reiche Frucht- und Futtervorräte wurden ein Raub der Flammen, während das Vieh und das Mobiliar, letzteres seinem größeren Teil nach gerettet werden konnten. Der Betroffene ist versichert. Der rasch herbeigeeilten Feuerwehr gelang es, das schwer bedrohte Hans des I. G. Frick zu reiteu, der bisher nicht versichert war.
Ulm, 24. Okt. Auf dem Ostbahnhof standen heute 16 Waggons meist schweizerisches (Thurgauer), österreichisches und italienisches Mvstovst. Der Absatz war ein ziemlich lebhafter nnd bewegten sich die Preise zwischen 5 Mk. 50 Pfg. und 5 Mk. 80 Psg. pro Zentner. Waggonweise wurde 1020 bis 1040 Mk. pro Waggon je 200 Zentner erlangt, Schönes Oberländer Mostobst aus der Bodenseegegend galt 6.. Mk. pro Zentner.
Böbling'en, 25. Okt. Der König übernahm bei dem 7. Sohn von Adoss Götz hier die Patenstelle und übersandte das übliche Geldgeschenk.
Gmünd, 24. Okt. Der Eisenbahnarbeiter Seng kam heute unter den 10 Uhr-Zug. Es wurde ihm dabei der rechte Arm abgefahren. Auch erlitt der Bedauernswerte sonst noch schwere Verletzungen.
Lages-Nachrichteu.
Dünkirchen, 24. Okt. Die Dockarbeiter haben mit 1711 gegen 481 Stimmen beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Petersburg, 25. Okc. 'Nach einer Meldung aus Wladiwoftock lüberfielen die Eisenbahnarbeiter östlich von Chaibin eine dorr stehende Abteilung der Eisenbahnschutztruppe. Fünf russische Soldaten wurden von den Arbeirern teils erschossen, teils mit Schaufeln erschlagen oder durch Steinwürfe getötet. Es wurde eure neue 10 Mann starke Abteilung sau den That- ort geschickt. Allein auch diese rwurde in der folgenden 'Nacht angegriffen. Daraus ^wurde eine größere..Tcuppenavtettung abgesandt.
Paris, 24. Okt. Die Regierung.verhängte über den Generalvikar der Diöcese^Besangon.
La Ligant, der bei den Erzbischöfen u. Bischöfen Unterschriften für die an das Parlament gerichtete Petition gesammelt hatte, die Gehaltssperre,
Haag, 25. Okt. Die Königin und Prinz Heinrich der Niederlande beabsichtigen, sich am 31. Okt. nach Mecklenburg zu begeben und dort einige Zeit zu verweilen.
Newyork, 25. Okt. Nach einem Telegr. aus St. Domingo nahmen die Negierungstruppen Montecristi nach heftigem Kampfe wieder, in dem beide Teile schwere Verluste erlitten. Der frühere Gouverneur Navarre, der den Ansstand leitete und sich der Stadt Montecristi bemächtigte wurde gefaugen genommen. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Jetzt herrscht in der Dominikanerrepublik Ruhe.
Buenos Ayres, 24. Okt. Bei neuem orkanartigen Sturm sind in der Stadt Diamante (Provinz Entre Rios) etwa 100 Gebäude zerstört worden, wobei ungefähr 15 Personen getötet und viele andere verletzt wurden. Mehrere Fahrzeuge auf dem Paeanaslusse sind gesunken. Auch das aus Nogoyja und anderen Orten wird gemeldet, daß der Sturm Schaden angerichtet hat.
Brest, 25. Okt. Das Zuchtpolizeigericht sprach gestern das Urteil über die Ruhestörer bei den Kundgebungen zu St. Meen und Plougou- velin. Abbs Salane wurde wegen Gewalt- thätigkeiten gegen die Regieruugskommissare zu 4 Monaten Gefängnis und mehrere Frauen zu je 3 Monaten Gefängnis verurteilt.
Verschiedenes.
Mangel an Dienstboten. Die leidige Dienstbotennot ist auch in Newyork und anderen amerikanischen Städten der Union in ein so akutes Staoium getreten, daß sie bereits eine umfassende Aenderung der Lebensgewohnheiten zahlreicher reicher Bevölkernngsklassen unserer Metropole herbeigesührt hat. Mädchen aller Art sind immer mehr zu einem raren Artikel geworden; eine Herrschaft muß oft wochenlang aus ein neues Mädchen warten, das dann gewöhnlich (obgleich bessere Mädchen, leicht 80 bis 120 Mc. per Monat erhalten), die notwendigsten Dienstleistungen (von Waschen ist natürlich keine Rede) als entwürdigend znrückweist und sich am liebsten als Zimmerschmuck verwenden lassen möchte. Die Einwanderung an Mädchen, von denen die tüchtigsten aus Irland, Schottland nnd Skandinavien in Scharen kamen, hat gewaltig abgenvmmen, ebenso der Zuzug an verläßlichen Mädchen der sarbcgen Klassen aus dem Süden und die stets anwachsende Zahl uyd Bedeutung der großen Lüden veranlaßt viele Mädchen, diese .schlechtbezahlte Arbeit vorzuziehen, da sie
Der chernernde^rzr.
Noma» von M. Eisborn.
13) (Nachdruck verdolcu)
Sie waren am Schloß.
Frau Mathilde stand in der Hausthür. Die Thränen rannen ihr über die Wangen; sie unterdrückte das Schluchzen — Rudolf tag an ihrer Brust, und eineic Schritt hinter ihr stand Gertrud. Sie war kreidebleich geworden, und Gisela fühlte, daß sie zitterte.
Onkel Joachim mit seinem Käfig schaute der Wiedersehensscene zwischen Mutter und Sohn zu, und weil es ihn ergriff, fing er an mit dem Papagei zu sprechen — ganz leise — „Cocv?"
Da fing der Vogel laut zu schreien an: „Canaille! Canaille!"
Frau Mathilde fuhr aus der Umarmung mit Rudolf auf; — es war ihr durch alle Nerven gefahren, wie der Vogel heiser schrie, und über Gertrud hinweg warf sie Onkel Joachim eineil strengen Blick zu.
So war all' diese erwachte Mutterliebe durch einen rohen Naturlaut aus ihren edelsten Regungen gerissen. Gerade wollte das Erbarmen über ihr Herz kommen, als der Papagei so häßlich schrie, und deshalb, weil das Erbarmen nur an ihrem Herzen vorübergehuscht war, fiel ihr ein, daß Gertrud ein Fräuleiu Knopp sei, und daß die Heirat für Rudolf ein großes Unglück bedeute.
Sie reichte Gertrud die große breite Hand sprechen konnte sie nicht, die Stimme wäre ihr gebrochen.
Das erste Wort, welches sie hervorbrachte, svar an Onkel Joachim gerichtet: „Was machst
Du denn Mlt dem Vieh, das hättest Du doch zu Hause lassen können."
„Es gehört den Kindern; Schwägerin — grüß' Dich Gott!"
Onkel Joachim holte mit der Hand weit aus um Frau Mathilde nach der modernen Art guten Tag zu wünschen. „Ich konnt's mir nicht versagen, Schwägerin, die Kinder hierherzu- bringen — dle Wiedersehnsfreude muß ich mit Euch teilen!"
Frau von Heidenbruck streifte den Papagei mit einem mißtnlligendeu Blick, aber vorläufig ignorierte sie die Kreatur — Rudolfs Aussehen beschäftigte ihre Gedanken: „Er hat gealtert, und eine Glatze hat er bekommen! Mit acht- undzwanzig Jahren eine Glatze! — Ja, das ist unsere junge, genußsüchtige Generation, diese sich selbst zerstörende Menschheit, die an kein Haushalten mit den Kräften denkt!"
Der Dienstmann trabte mit seinem beladenen Karren ins Thor — ein ganzer Haufen Handgepäck.
Frau Mathilde rief mit lanter Stimme nach einem Mädchen und es kam sofort eine junge, sehr hübsche Person mit weißer Schürze angelaufen, die dem Dienstmann half, das Gepäck in die Zimmer des jungen Ehepaares zu bringen.
Onkel Joachim folgte ihr mit seinem Käsig und zwickte sie ins Kinn, denn die Andern näherten sich nur langsam und sahen es nicht. Er stellte sich gleich immer mit jedermann auf den richtigen Fuß; einer gebrechlichen alten Holzsammlerin hat er am Höserstein das Resigbündel abgenommen und es ihr bis an den Ausgang des Waldes getragen und einen Knecht, der mtt
einem beladenen Bierwageu in einem Hohlweg stecken blieb, und auf die armen Gäule loshieb, daß ihnen das Blut über die Schenkel lies,packteer mit der Faust vor die Brust und drohte mit der Anzeige, wenn er sich nicht sofort aus den Weg mache, um Vorspann zu holen.
Onkel Joachim wußte, was jedem wohl- thuend oder dienlich ist, und so hielt er es auch für angemessen, sich für eine Zeit im Hause des Bruders zu installieren, denn das junge Ding, das Rudolf zur Frau genommen, kam ihm so erbarmungswürdig und unselbstständig vor, daß er's seiner Schwägerin nicht auf gut Glück unter die Finger kommen lassen wollte. In seinem Innern schalt er Rudolf einen „Tölpel", daß er überhaupt sich eine Frau aus Amerika mitgebracht, denn er hielt ihn für einen zerfahrenen Menschen, dem der Sinn für den Ernst des Lebens und somit das Verständnis für die verantwortungsvollsten Pflichten abgeht. Er dachte sich, daß Rudolf die Frau aus 'Narrheit geheiratet habe, und daß Gertrud ihn genommen, um armen Verhältnissen zu entfliehen, denn auf den ersten Blick schien es ihm klar, daß zwischen diesen beiden unfertigen Menschen keine richtige Liebe der Grund der Heirat gewesen sei. So war das Ganze ein dummer, gedankenloser Streich von Rudolf.
Frau Mathilde mahnte die Reisenden, sich zum Essen bereit zu machen, und lud Gras Fluen ein, über Mittag zu bteiben.
(Fortsetzung folgt.)