Am Jahreswechsel.

i.

Nun wieder ist ein Jahr dahingeschwunden,

Ein Jahr voll Lieben, Hasten, Freud und Leid* Mit seinen heiter'n seinen ernsten Stunden Versank eS in dos Meer der Ewigkeit.

3.

Dann «ar'S ein volles Jahr und nicht vergebens Für jene Welt, wohin ein jeder geht,

Dann dürfen froh wir in die Zukunft schauen, Und auf das alte Jahr das neue bauen.

i2.

Jetzt wendet sich ein Blatt im Buch deS Lebens, Wohl uns, wenn Gutes d'raus verzeichnet steht, Wenn wir gelebt als Christen aus dem Glauben, Dann kann die Zeit uns dieses Blatt nie rauben!

4.

Wir hoffen wohl, eS mög' nur Glück uns spenden, »Herr, segne uns". Das Herz voll Inbrunst steht; Ist Gott mit uns, wird stch's zum besten wenden, Mit Gott begonnen, für uns glücklich enden.

Dämon Ool'ü

Novelle von R Sturm.

16) (Nachdruck verboten.)

Tante Dora und auch Elisabeth dankten Gronau gerührt und fühlten mit ihm, daß eine große innere Wandlung bet ihm vorge» gangen war. Der schwermütige und schmerz­liche Ausdruck war auö GronauS Gesichte verschwunden, frei und fröhlich blickte er umher, und man konnte die doppelte Wahr­heit der göttlichen Verheißung an ihn beob- bachren, daß Golt den Trübseligen noch Trost zu spenden und den Barmherzigen das Selig- kcitSgefühl zu schenken vermag.

Am andern Morgen verkündete Gronau seinen im größten Fabriksaale versammelten Arbeitern, daß er hundert Tausend Mark zur Gründung eines Allersheims für sie spenden werde, daß alle altersschwachen Arbeiter, die mindestens zehn Jahre in seinen Fabriken gearbeitet hätten, sowie auch solche Arbeiter, die durch frühzeitiges Siechtum oder Unfall erwerbsunfähig würden, an der AlterSver- versorgung teilhaben sollten. Das Kapital sollte in sichere Verwaltung gelegt, auch ein Haus mit Garten zur Uebcrbringung be­tagter und invalider Arbeiter gebaut werden.

Mil brausendem Beifall nahmen die Arbeiter diese Botschaft entgegen und alle wollten Gronau umringen und ihm die Hand drücken. Dieser entzog sich aber durch eine Nebenthürc den Huldigungen der Ar­beiter und überließ eS seinen Beamten, den Arbeitern noch nähere Mitteiluvgen- über die Stiftung und deren Ver­waltung und Verwendung zu machen. Da zur Zeit nur drei betagte und arbeitsunfähige Personen vorhanden waren, die sofort An­spruch auf die Versorgung durch das Alters­heim machen konnten, so war man auch in der Lage, die Zinsen der hundert Tausend zum größten Teile noch manches Jahr für die bessere Ausgestaltung deS Allersheims sparen zu können.

Nach der Verkündigung dieser hochherzigen Stiftung bekamen die Arbeiter der Gronau- schen Fabriken bis Nachmittag 2 Uhr ohne Lohnverkürzung frei, und zu Hunderten strömten sie davon, um in der Stadl und zu Hause ihren Angehörigen die edle Thal ihres Fadrikhcrrn melden.

Diese Mitteilung erweckte fast überall Staunen und Freude bet solchen, die den Commerzirnrat Gronau seit den Vorgängen mit Randow häntsch, schadenfroh und ver­ächtlich behandelt hatten, erzeugte diese Kunde aber geradezu Verblüffung. Diese Bieder­männer konnten es gar nicht fassen, daß

Gronau nach seinem enormen Verlust und moralischen Demütigungen auch noch zu einer solchen fast olle auf ihr Geld pochenden Leute beschämt und in den Schatten gestellt batte. War er vielleicht viel reicher, als man geglaubt und wollte er nun der hänischen Welt ein Schnippchen mit seiner Freigebig­keit schlagen? Oder hatte Gronau vielleicht gar an seinem Verstände gelitten?

Solche und ähnliche Fragen stellten sich die offenen und heimlichen Feinde und Neider GronauS, aber auf den wahren inneren Be­weggrund zu seiner edlen That kam keiner.

Als dann aber am anderen Tage in den Zeitungen vcrkündet wurde, daß der Com- merzienrat Gronau ein ganz humanes Werk für die Versorgung seiner Arbeiter vollbracht hatte und eS auch bekannt wurde, daß der König und die Minister sich sehr anner» kennend Über die meoschensreundliche Thal Gronaus ausgesprochen, so mußte alle hämschc Nachrede über »den geprüften Mann ver­stummen und er stand größer und geachteter als früher in den Augen seiner Mitmenschen da.

Diese Schenkung an die Arbeiter und mancher damit verbundene Anordnungen hatten eS mit sich gebracht, daß Gronau und seine Schwägerin ihren Besuch bei Apotheker JensenS, den sie dort eigentlich schon am anderen Tage machen wollten, fast um eine Woche verschoben hatten. Diese Verzöger­ung hatte nun zur Folge, daß inzwischen Doktor Hellmuth Jensen im Elternhause zu Besuch eingetroffen war, um mit seinen Eltern zu beraten, ob er sich als praktischer Arzt m der Heimat niederlaffen oder das Ange­bot .deS Geheimrats Professor Hellmann an- nehmen und besten Assistent »erden sollte, aus welcher Stellung sich dann für Hell­muth selbst gute Aussichten auf kme er>oig- reiche akademische Laufbahn tarboten.

Die Tante Dora halte Hellmuths An­kunft im Elternhause bald erfahren und knüpfte nun an ihren und GronauS beab­sichtigten Besuch bei Jensen natürlich noch eine andere Absicht. Sie wollte auch Ge­legenheit nehmen, zugleich Hellmuths Ab­sichten und GemütSstimmung zu sondieren und ihn mit Gronau versöhnen.

So jung Hellmuth Jensen noch war, so hatte er sich doch durch eisernen Fleiß und gründliche Forschungen schon den Ruf eines tüchtigen Arztes erworben. Dieser Ruf folgte ihm auch in die Heimat und mochte seinen Namen angesehen und darauf baute die kluge Schwägerin des CommerzienratcS Gronau ihren Plan.

Am dritten Tage nach seiner Rückkehr in das Vaterhaus saß Hellmuth Vormittags

grübelnd und über wissenschaftliche Problem in seinem Sludirzlmmer.

In solchen Stunden wurde er von allen anderen Dingen und Interessen abgezogen und am wenigsten dachte er an die benach­barte Familie Gronau.

Da erschien plötzlich Hellmuths Mutter in einer unverkennbaren Erregung und mit leicht geröteten Wangen in bissen Zimmer und rief dem Sohne zu:

Hellmuth, entschuldige, daß ich Dich störe, aber ich muß Dir eine große Neuig­keit verkündigen. Der Herr Cvmmerzienrat Gronau nebst Schwägerin machen eben unten bei uns Besuch. Er scheint eine Wieberan- nährung zu suchen und seinen damaligen Schritt wieder gutmachen zu wollen. Willst Du nicht einige Minuten herunterkommen. Er fragte bereits nach Dir*.

Hellmuth war diese Mitteilung so über­raschend gekommen, daß er einige Augen­blicke verlegen auf seinem Stuhle hin- und herrückte und seltsam die Stirn runzelte.

Verdient hat er es gerade nicht, der Herr Cvmmerzienrat, daß ich ihn jetzt freund­lich begrüße," sagte Hellmuth dann kühl, denn er hat mir voriges Jahr sehr deutlich den Stuhl vor die Thüre gesetzt.*

»Ja, ja, Du hast schon Recht, Hell­muth," entgegnele dessen Mutter,aber wenn der Herr Gronau eine Gelegenheit sucht, um lein Unrecht wieder gut zu machen, so darfst Du dies doch nicht ablchnen, ausgenommen wenn den Fall, daß Du vielleicht Dich in­zwischen im Herzen nach einer Anderen um- gesehcn unv für immer auf Elisabeth Gro- nau'S Hand verzichten willst."

Da schoß Hellmuth das Blut jäh noch dem Kopf, er sprang erregt auf und ries:

Mutter, Mutter, rede mir von keiner Anderen. Nach dem Unglücke mit meiner Werbung um Elisabeth hatte ich die Hei­ratsgedanken überhaupt ausgegebcn."

Nun, da «st jetzt eine GchicksalSstunbe für Dich gekommen, Hellmuth," erwiderte dessen Mutter.Du hast eS in der Hand, Dich mit Herrn Gronau auszusöhnrn und Elisabeth zu gewinnen oder Du mußt ver­zichten."

Verzicht«»! Nein! Nein I wehrte Hell­muth ab.Verzichten ist in diesem Falle ein schweres Schicksal. Sage dem Herrn Cvmmerzienrat dag ich gleich komme, ich werde mich mit ihm versöhnen."

Wenige Minuten später standen sich die beiden Männer, Cvmmerzienrat Gronau und Doktor Hellmuth Jensen erhobenen Hauptes entgegen.

(Fortsetzung folgt.)

Ktbakitoa, vmck m»b vsrlag »»« vernh. Hofmallu irr Wittta»,