Dämon Ao^ö.
Novelle von R Sturm.
9) (Nachdruck verboten.)
Die meisten Mitglieder des Clubs „Con- cordia" hatten beschlossen, morgen die Abschiedsvorstellung Lona Wildts zu besuchen. Leonhard Randow war mit seinem Entschlüsse in dieser Hinsicht im Zweifel, Verstand und Herz stritten sich um den Sieg. Sein kühler Verstand sagte ihm, daß er dieser Abschiedsvorstellung fern bleiben müsse und keine allen, kaum geheilten Wunden des Herzens aufzureißen Gefahr laufen dürfe. Aber wie mit Zaubergewall entstand auch immer und immer wieder der Wunsch in seinem Herzen, Lona in dieser berühmten Rolle einmal zu sehen und zu hören, denn Leonhard hatte teils wegen seiner R-ise, teils wegen kühler Vorsicht schon längerer Zeit das Theater in D. nicht besucht. So saß er denn, als der Abend herankam, auf einem halbversteckten Platze einer Parterre-Loge und lauschte gespannt auf die Vorstellung des „Fliegenden Holländers."
Mächtig regten die Musik unv noch mehr der wunderbare Slosf der Oper L'vnhards Seele an, und er schien wie von einem elektrischen Schlage getroffen, als Lona als Senta wie eine taufrische Rose auf der Bühne erschien und ihre glockenreine Stimme in früher nie gekannter Fülle und Schönheit in sein Ohr klang. Höher und höher wuchs Leonhards Teilnahme am Spiel und Gesang der ihm einst so nahestehenden Künstlerin und höher und höher schlug auch sein Herz und schlug pötzlich neu und stärker als je für Lona. Heiß schoß Leonhard das Blut nach dem Kopf, es flimmerte ihm vor den Augen, es bäuchte ihm wie höchstes Glück und packle ihn wie furchtbares Unheil. Seine vernünftigen Sinne schwanden.
Es kam ihm vor, als sei er in einem großen goldenen Käfig mit starken festen Gittern unbarmherzig eingekerkert und dürfte nicht hinaus in die lachende Frühlingswcli, wo eine Nachtigall ganz allein für ihn sang. Er hüllte sein brennendes Angesicht in sein kühles Taschentuch, er sah und hörte auf diese Werse einige Zeit nichts mehr von seiner Umgebung und von der Oper, und dies war Leonhards Rettung von einem wahnwitzigen Anfalle. Er erhielt seine Besinnung wieder und starrte in das erleuchtete Theater, wo eben der Vorhang gefallen war und die Besucher davon gingen. Zu seinem Glück hatte Leonhard in seiner seelilchen Ex- tafe auch nichts von den begeisterten Zurufen am Schlüsse der Oper gehört: Lona Wtldi heraus ! Lona Wildt hier bleiben l — Wer weiß, welchen Ruf da Leonhard in feiner extremen Stimmung auSgestoßen hätte und welcher That er fähig gewesen wäre! Wie vom Blitzstrahl getroffen, nicht tot aber halb betäubt saß er noch einige Sekunden aus seinem Platze, dann erhob er sich schwerfällig und ging seltsam schwankend hinaus.
Die frische Luft that Leonhard wohl, feine von »er gewaltigen Erregung erschlafften Nerven begannen sich wieder zu beleben und er wurde seiner Kräfte mächtig. Aber wie e n rötlicher Pfeil saß es in seinem Herzen. Die Stelle wo sein Herz schlug, that ihm ordentlich weh, und ängstlich beobachtete er jede Bewegung m feinem Gemüt.
Den Club Concorbia, nach dem zu kommen er sich »cch dem Theater mit den Freunden versprochen hatte, vermied Leonhard heute abend auch geflissentlich, und er machte einen weiten Umweg durch den Osten der Stadt, um ja keinem der Freunde oder Bekannten, die auch im Theater gewesen waren zu begegnen. Leonhard suchte nach Ruhe und innerer Sammlung. Er hoffte, daß dann auch die Selbstbeherrschung und der kühle Verstand mit seinen schlauen Berechnungen, die ja bei den RandowS eine große Rolle spielten, wieder bei ihm einkchren würden. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht ganz. Leonhard blieb still und verschlossen. die Erwägungen deS nur berech nenden Verstandes beruhigten ihn nickt, aber sein Herz empörte sich gegen eine ihm jetzt unerträglich erscheinende Situation, daß er nun Lona Wildt leidenschaftlich tief und innig liebte, während er mit kallem Verstände eine Andere heiraten sollte.
Leonhard war darüber in seinem ganzen Wesen verstört und wollte in dieser Gemüts Verfassung auch noch nicht nach Hause ghen. Er begab sich daher in eine von ihm sehr selten besuchte Weinstube um dort einsam seinen Kummer bei einer Flasche Rotwein zu mildern. Der berühmte Sorgenbrecher Wein linderte Leonhards Kummer wohl, aber er beseitigte ihn nicht. Vor allen Dingen quälte ihn das Problem, wie er es anstelle» sollte, um fein Verlöbnis mit Elisabeth Gronau, die er hoch schätzte und der er deshalb keine Kränkung zufügen wollte, wieder zu lösen, und wie er eS ar.fangen sollte, um Lonas Liebe zu gewinnen. Morgen reiste sie nach der Residenz. Sollie er versuchen, sie erst noch einmal zu sehen und zu sprechen? Konnte er das wagen, ohne ein großes AcrgerniS zwischen seinem Vater und sich herbeizuführen. Aus ein heimliches Stelldichein mit Lona war sicher nicht zu rechnen, dazu stand sie ihm jetzt fern, und offen ihr noch einen osficiellen Abschiedsbesuch zu machen, das würde seinem Vater n'cht verborgen bleiben. Auch konnte dieser Besuch zu allerlei mißliebigen und häßlichen Auslegungen Anlaß geben, und schließlich konnte Lona ja auch die Annahme dieses Besuches verweigern.
In sehr trüber und ärgerlicher Stimmung ging Leonhard in dieser Nacht nach Hause und schlief so schlecht, wie es sein Lebtag noch nicht der Fall gewesen war. Aber am frühen Morgen kam ihm eine glückliche Idee. Er ging schon um neun Uhr zu dem größten Blumengärtner und suchte dort selbst hundert der prachtvollsten roten Rosen heraus, die er zu einem herrlichen Strauße winden ließ und diesen Strauß sandle er an Lona mit einem kleinesBtllet auf welches er nur die Worte mit verstellter Handschrift schrieb: „Auf Wiedersehen!"
Das Zimmer Lonas prangte bereits von Blumen und Lorbeerkränzen, als der herre liche Strauß von Leonhards Boten gebracht mit der anonymen Widmung eintraf. Lona erbrach das Billet und schüttelte nachdenklich das schöne Haupt, als sie die ihr bekannt erscheinenden und doch auch wieder unbekannt vorkommenden Schristzüge ' in den Worten las: Auf Wiedersehen! Aberdas Rosenbooquet war so groß, so auSgewählt schön und herrlich, wie ste sonst keins erhalten hatte.
,ES ist gewiß von einem vornehmen Kunstfreund, dem ich nicht vorgestellt bin, nnd der eS deshalb auch verschmäht, seinen Nomen zu nennen," dachte Lona. Das Bouquet gefiel ihr aber so gut und war so frisch und schön, daß ste eS sorgfältig in ein Ktst» chen packen und mit noch der Bahn bringen ließ, damit eS am Abend bei ihrer Ankunft in der Residenz noch in ihrer neuen Wohnung prangen und ihr Freude bereiten sollte. «, *
In den Familien Gronau und Randow sprach man in der folgenden Zeit nicht fiel von der Hochzeit des verlobten Paares, denn diese Hochzeit schienen Braut und Bräutgam im stillen Einverständnis noch einige Monate länger htnausschieben zu wollen, als es zwischen den Familienoberhäuptern verabredet worden war. Es fand aber trotzdem zwischen dem Evmmerzienrate Gronau und Carl Randow ein sehr reger persönlicher Verkehr statt, denn der Letztere hatte dem Elfteren für die Gründung einer neuen Ak- tien-Gesellschaft zur Zusammenlegung und visieren Ausbeutung einiger Berg- und Hüttenwerke gewonnen, und Gronau war von dem Projekte Randows, der als gewiegter und stets glücklich speculierender Geschäftsmann weit nnd breit berühmt war, ganz entzückt. Ohne weiteres beteiligte sich deshalb Gronau auch mit einer sehr hohen Summe an der Gründung, und was für Carl Randow die Haup'.sache war, Gronau war während der Schilderung der verlok- kenden Aussichten des Gründungsplanes auch sür den Gedanken gewonnen worden, feine eigenen großen industriellen Unternehmungen in eine Aktien-Gisellschast umwandeln zu lassen.
Da hatte nun Carl Randow vollauf zu Ihun und seine schöne dämonische Sucht, im Golde zu wühlen, beherrschte ihn derartig, vaß er bei der AuSjührung der beiden großen Grüntungspläne beinahe die Hochzeit zwischen seinem Sohne und Gronaus Tochter als Nebensache behandelt hätte. Aber als Krönung jenes ganzen Werkes mußte diese Hochzeit schließlich doch stallfinden, zumal ste eine beschlossene Sache war, an der nichts geändert werden könnt-, wenn eS auch die eigenartigen Umstände und die Launen der Braut und des Bräutigams zu wollen schienen, daß die Hochzeit immer mehr hinausgeschoben wurde.
(Fortsetzung folgt.)
Kumoristisches.
(Gegeben ) Geck: „Akh, meine Gnädigste, Sie lrrnken keinen Wein? Da be» daure ich Sie, Heuer soll das beste Weinjahr sein, welches wir seit Menschengedenken gehabt haben." — Junge Dame: „I wo l Das beste Wetnjahr war entschieden das, in dem Sie geboren wurden." —Geck: „Wieso?" — Junge Dame: „Weil da die ganze Welt einen Affen bekam!"
.-. (Aus der Schule). Lehrer. „Woher hat denn das Porzellan den Namen?" — Der kleine Hans: „Weil eS so leicht zerbricht, wenn es hinporzelt!"
. (Anzüglich). Gattin: „Ich habe heute in der Zeitung gelesen, wenn man ein Stück Fleisch in flüssige Luft wirft, fo wird eS hart wie Stein!" — Gatte (auf sein Beef- steack deutend): „Ach, da hast du wohl gleich mit flüssiger Luft gekocht?"
Skiuckito», Druck «ud Verlag oou veruh. Hof« auntu WMad.