Dämon Aold.

Novelle von R. Sturm.

7) (Nachdruck verboten.)

Mit solchen Trostworten und Ermahn­ungen hatte Gronau seine Tochter in ihrer unglücklichen Liebe zu beschwichtigen versucht, und es war ihm dies wenigstens soweit ge­lungen, daß Elisabeth nach einer Stunde bitteren Ringens nach einer anderen Lösung des HerzenSconfiickieS zu dem Entschlüsse kam, daß sie sich dem Wunsche deS VaterS opfern wollte. Mochte der barmherzige Gott geben, daß ihr Lebensweg sich schießlich noch freundlicher an der Seite eines ungeliebten Mannes gestaltete, als sie in ihrer Schwer­mut sürchtete.

Elisabeths Kammermädchen klopfte jetzt an die Thüre und erinnerte daran, daß es höchste Zeit sei, Toilette zum Empfang der erwarteten Gäste zu machen. Diese Mahnung drängte die verzweifelte Stimmung Elisabeths noch mehr zurück. Obwohl mit tiefem Schmerze im Herzen raffte sie sich doch auf und legte mit Hilfe des Mädchens das kost­bare weiße seidene Kleid an, das ihr gestern zu ihrer Ueberraschungaus Geheiß des BaterS die Schneiderin gebracht hatte, nachdem es der Commerzienrat bereits vor acht Tagen bei ihr bestellt hatte.

.Wie gut mein Vater gegen mich ist," dachte Elisabeth als ste das schöne Kleid be­wunderte.Er wollte mich damit über­raschen und mir Freude machen. O, wenn er sich nur nicht in den Kopf gesetzt hätte, daß ich zu seinem und meinem Glücke Le­onhard Randow heiraten müßte I Er wäre dann als einer der besten Väter zu preisen.

Und nun kam der schwere, verhängnis­volle Augenblick, in welchem Elisabeth den ihr vom Vater erwählten Bräutigam em­pfangen mußte.

Bleich und starr wie ein Marmorbild stand ste da, als Leonhard Randow ihr mit einer tiefen Verbeugung die Hand küßte und leise sagte:

»Ich lege Ihnen mein Herz zu Füßen, gnä­diges Fräulein l Sic haben eingewilligt, mit mir durch das Leben zu gehen. Ich werbe immer bemüht sein, Se glücklich zu machen."

Fast kam es Elisabeth vor, als sei ste stumm vor innerer Erregung und Schwer­mut geworden. Sir öffnete die Lippen und sprach nicht. Dann aber enlgegnete ste säst unhörbar x

Ich danke Ihnen, Herr Randow. Ich gehorche dem Willen meine- Vaters und bin entschlossen, Ihnen die Hand jür's Leben zu reichen."

Dann gab der Bräutigam seiner Braut ein prächtiges Bouquet aus roten und weißen Rosen und steckte einen kostbaren Ring an ihre Hand.

Im Hintergründe stehend hatte der Commerzienrat Gronau und Carl Randow mit Spannung dieser Scene betgewohnt, und jetzt sührte Gronau vertraulich am Arme auch diesen Gast herbei und sagte herzlich zu Elisabeth:

Leonhards Vater, Herr Carl Randow."

Sie reichte dem alten Herrn mit einem erzwungenen Lächeln die Hand, die dieser zärtlich küßte und mit frohlockender Stimme rief:

Ich begrüße Sie als meine liebe Schwie­gertochter verehrtes Fräulein und bitte als

einen Beweis meiner Hochachtung dieses Ange­binde entgegenzunehmen-"

Mit diesen Worten überreichte Randow der künftigen Schwiegertochter in einem pracht­vollen Emi einen herrlichen Bcillantschmuck von enormem Werte.

Elisabeth war selbst ganz überrascht von dem sprühenden Feuerglanz dieser Edelsteine. Solchen herrlichen Schmuck hatte ste bisher nur bei Fürstinnen und Gräfinnen gesehen.

ES war wohl kein Zweifel, daß sie, was Glanz und Reichtum anbetraf, «ine der größten Partien machen würde.

Und dann reichte Elisabeth dem Bräutigam den Arm, um den er so bescheiden und herz­lich gebeten hatte, und folgte ihm in den Salon, wo für die Herrschaften das erste in­time Familiendiner serviert wurde.

Der schwere Alp, der auf Elisabeths Herzen gelagert, wich auch allmählig bei den vielen freundlichen Worten, die ihr Bräu­tigam, ihr Vater und ihr Schwiegervater an sie richteten. Es waren nobelc, feine Leute die Randows, das wußte ste schon, und lernte ste in dieser Hinsicht noch immer mehr schätzen. Auch hatte Elisabeth schon öfters im Leben gehört und auch recht anschaulich in vielen Romanen gelesen, daß man auch aus Hochachtung und Pflicht einen Mann heiraten und mit ihm glücklich werden könne. Die meisten Prinzessinnen und reichen ade­ligen Damen sollten ja dieses Los haben.

Mit diesem Gedanken versuchte auch Eli­sabeth sich mit ihrem Schicksal auszusöhncn und wurde allmählig aufgeheitert, fast lustig.

Aber was war denn aus einmal ihr in den Sinn gefahren, als ste vorhin so lange in das herrliche Rosenbouquet blickte! ? Aus jeder der Rosen rief eS ihr entgegen Hell­muth I Hellmuth!

Und dann sah ste ein schönes bleiches Antlitz vvn Verzweiflung erfüllt und von Sorgen und Gram zerwühlt. Jetzt, wo ste sich im fündigen Wahne dem Glücke nahe zu sein für möglich hielt, wurde Hellmuth ohne Zweifel vom Unglück zu Boden ge­drückt.

Finstere Schwermut fiel auf Elisabeths Geist und sie starrte mit einem seltsamen Blicke immer und immer wieder auf das Rosenbouquet, hörte nicht auf das Gespräch ihres Bräutigams und ihres Vaters, die un­mittelbar neben ihr saßen, und eine unheim­liche Angst bemächtigte sich ihrer.

Ihr Vater merkte zuerst die seltsame Umwandlung, die Mit Elisabeth vorgegangen war und beobachtete ste mit besorgten Blicken. Auch Leonhard und dessen Baier konnte dieses eigentümliche W-sen nicht entgehen und ste srugen teilnehmend, ob ste sich vielleicht un­wohl fühle.

»Ja sehr," hauchte sie kaum hörbar und griff mit der kleinen weißen Hand nach der heißen fiebernden Stirn.

Es war eine ungewohnte Aufregung für Elisabeth", sagte jetzt Gronau.Sre hat schwache Nerven und muß in diesem Jahre eine große Erholungsreise machen dann wird ste ganz gesund werden. Heute werden der Herr Bräutigam und Herr Schwieger­vater entschuldigen, daß Elisabeth uns so zeitig verläßt. Komm mein Kind, ich bringe Dich in Dein Zimmer, Du brauchst Ruhe."

Mit den letzten Worten bot der Com- merzienrat seiner Tochter den Arm und ge­leitete dieselbe in ihre Gemächer.

Im stilltn ahnte Gronau wohl, daß der wahre Grund von Elisabeths tiefer trauriger Erregung kein Unwohlsein oder etwa eine Folge der Tafelfreuden war, aber er lies Niemanden davon etwas merken, auch Elisabeth selbst sagte er nichts, denn er hoffte, daß die Zeit und die neuen Verhältnisse auch ihre HerzenS- wunde heilen würden.

Mit freundlicher, heiterer Miene kehrte daher Gronau bald zu seinen Gästen zurück und bewirtete ste noch weiter mit den besten Weinen und feinsten Havannocigarren zum Schluffe des Festmahles.

Am andern Tage hatte sich Elisabeth so weit gesammelt, daß sie im Stande war, ihrem Verlobten und dessen Vater ein freund­liches Gesicht zu zeigen, höflich mit ihnen zu plaudern und den fatalen Zwischenfall von gestern vergessen zu machen. Mehr ver­langten die RandowS Vater und Sohn gar nicht, und waren beide ganz vergnügt, als ste in Begleitung Elisabeths und des Com» merzienratS in besten Landauer einen Aus­flug machen konnten. Darüber waren aber sowohl die Väter des verlobten Paares als auch dieses selbst einig geworden, daß die Hoch­zeit Elisabeths mit Leonhard erst im nächsten Jahre staitstnden sollte, damit die Braut durch einen langen Aufenthalt in der Schweiz und dann an der Ostsee erst ihre schwachen Nerven kräftigen könne.

» »

*

Die Frage, die der einzige Schwärmer im ClubConcordta" in D. bei dem Be- kanniwcrden von Leonhard RandowS Ver­lobung mit Elisabeth Gronau gestellt hatte: WaS wird denn nun aus der lieben kleinen Sängerin Lona Wild werden, wurde von mancher teilnehmenden Seele wiederholt, als nun Leonhard Randows Verlöbnis in D. offiziell bekannt gemacht wurde, aber Nie­mand stellte sich diese Frage wohl ernster und ösler als Lona Wildt selbst. Ost wollte ihr dabei allerdings das Herz zerspringen, wenn ste es so rief schmerzlich empfand, daß ste wie ein Spielzeug oder wie eine abge- thane Sache bei Seite geschoben war und wenn der Gram und Schmerz dann Brust und Herz Tage lang erfüllten, wenn die Heiterkeit ihrer Seele für immer verloren zu sein schien, wenn ihre Pulse hämmerten, ihre Schläse glühten, und Verzweiflung oder Wahnsinn die Unglückliche zu packen schien, dann kam ihr wohl auch der düstere unselige Gedanke dieses so schrecklich gewordene Leben auszulöschen. Abc die göttliche Kraft, die in der Menschensecle wohnt, sandte io den dunkel­sten Augenblicken der unglücklichen Lona doch auch wie so manchem schwer bedrücktem Menschen wunderbaren Trost. Ihre tief traurige GemülSstimmung, und ihre Hoff­nungslosigkeit schlug aus rätselhaften, inneren seelischen Gründen doch zuweilen wunderbar in eine erhabene Harmonie um, aus der sich eine seltsame unerklärliche Zuversicht ent­wickelte. Auch war Lona doch auch nicht so ganz der düsteren Gemütsstimmung verfallen, daß ste nicht an ihre Pflichten gegen ihre alternde, schlecht versorgte Mutter und an die großen und schönen Ausgaben ihres Künstlerberufes dachte.

(Fortsetzung folgt.)

»«»attiou. Druck wrb Berta« von De roh. Hss»,»n h, MMad.