Die goldene Schlange.
Novelle von Hans Walter.
8) (Nachdruck verboten.)
Er ging deshalb nachmittags in die enge, gewundene Blumenstraße und trat in eine hohe gewölbte Kaffeehalle, die mit wenigen Fenstern versehen, in Dämmerlicht gehüllt war.
An der Sette stand ein Eisenherd, an dem der weißgekleidete Koch den Trank Ara» bienS kochte und in flache, kleine Taffen goß, die dann weißgekleidete Neger zu den Gästen trugen, welche auf niedrigen Kanapee» saßen und kleine niedrigen Tischchen vor sich halten.
Anton setzte sich in einen Winkel, von dem aus er die ganze Halle übersehen konnte.
Die Gäste rauchten fast alle zu dem schwarzen Kaffee ohne Zucker die Wasserpfeife.
Antonio probierte eS auch.
An der Mitte des Gelasses befand sich ein kleines Emporium, aus welchem jetzt ein Greis mit langem Barte Platz nahm.
Es war der Märchenerzähler.
Was er arabisch vortrug, verstand Anton leider nicht, doch lauschten alle andächtig.
Während der nächsten Pause traten zwei Personen ein, der erste war Baron von Hrß- bach, die andere Scheich Sirra el Mudt, den Anton sofort wiedererkannte.
Die beiden sahen Anion Fleischer nicht, sie nahmen ober im Winkel in einer Box, neben derjenigen FretscherS Platz und bestellten sich Kaffee und Pfeifen.
Beides war ihnen. Sie sprachen französ-
stsch.
,Man hat mir gesagt," begann Hebbach „daß der Scheich ein Gift kennt, welches langsam lötet, aber nie zu finden ist!"
Der Scheich lachte und zeigte die weißen Zähne, dann entgegnete er:
„Ja Sirra el Mudi kennt es und besitzt es!"
„Wird er mir ein Fläschchen überlassen ?" gegen hundert Francs I"
„Und Ihr führt mich nicht an der Nase?"
„Scheich Sirra hat noch nie gelogen I"
„Gut, er komme ins Bismü-Hotel und frage nach dem Frcngi I Gegen das Glas das Gelb.
„Wohl!"
Bald daraus verschwanden beide.
„Wozu er wohl das Gift gebrauchen will?" fragte sich Fretscher selbst.
Dann sann er nach und sagte sich:
„Getraut habe ich ihm nie! Na wir werden ja sehen!"
Er gab am anderen Tage obacht, traf aber den Scheich nicht, al» er jedoch in den Garten hinabsah, erblickte er ihn, wie er öligst auS dem Hotel kommend zur Stadt hinabschritt.
Fretscher gab auf alles wohl acht, bemerkte aber nicht».
Inzwischen ging ein französischer Arzt bei der Frau Baronin aus und ein ; es hieß die junge Frau sei krank.
Fretscher hegte Verdacht.
Er sollte die Bestätigung desselben erhalten ; eines TagcS deckte er in einem der drei Zimmer, die Barons bewohnten, den Tisch, als er durch den Spiegel im Nebenzimmer sah, wie der Baron Heßbach aus einem Fläschchen einen Tropfen von einer wasser- hellen Flüssigkeit in ein GlaS fallen ließ,
welches mit einer Mixtur gefüllt war. Der Baron ging damit in das Krankenzimmer hinein, und Fretscher hörte nun folgendes Gespräch auf deutsch:
„Schon wieder Mixtur ? Diese tötet mich, ich werde jedesmal krank, wenn ich sie nehme I"
Fretscher starrte die Thür an wie ein Gespenst und flüsterte dann:
„Ha, das Gift!"
Weiter sah und hörte er nichts.
Aber am achten Tage konstatierte der Arzt, die Baronin von Heßbach sei am Herzschlag gestorben.
Fretscher dachte:
„Tod und Teufel, daß man einen solchen Schurken nicht fassen kann!"
Er erzählte sein Abenteuer Herrn Alois Leibacher, der aber sagte:
„Um GotteSwillen, wollen Sie schwelgen, Sie Unglücksrabe ? Was würde aus meinem Hotel, wenn es bekannt würde? Zudem, was sind Sie gegen den Baron?"
Anton sah es ein und — schwieg.
Der Heuchler ließ sich den amtlichen Totenschein ausstcllen.
Fretscher überlegte noch, ob er nicht dem österreichischen Konsul Anzeige machen solle, da war die Leiche schon beerdigt und Baron von Heßbach abgereist.
Fretscher seufzte.
Baron von Heßbach halte schleunigst Briese an Baron von Reischach, von Scholchow, anS ErbschaftSaml in Wien geschrieben, dann war er noch Paris adgereist, die Verstcher- ungsumme auf Grund der Totenscheine zu erheben, was ihm leider auch gelang.
Aber, wie gewonnen, so zerronnen!
Wir brauchen dem Spieler und — Mörder Alfred von Heßbach auf seinen Maulwurssgängen in Paris, dem Seine- Babel, nicht zu folgen; cS genügt, daß wir hier konstatieren, wie es dem aalglatten Baron von Heßbach unbeanstandet gelang, seiner verstorbenen Gattin Erbe durch den geschicktesten Anwalt in Wien zu erlangen und ausgezahlt zu erhalten; es genügt, festzu- stellen, daß er fast mit allem zwei Jahre nach dem Begräbnisse der reizendsten Frau sozusagen fertig war, mit anderen Worten, daß die 50000 Francs Assekuranzgelder und das Vermögen Bellas von Markovich — verspielt waren, knapp gelang ihm noch glücklich nach Wien zurückzukommen.
Hier habe ich noch etwas Wichtiges nach« zutragen.
Als die Baronin zu Kairo nach europäischer Weise beerdigt war — die Araber halten das ganz anders als wir — mußte Anton Fretscher die Zimmer des Baron von Heßbach wieder ordnen.
Bei dieser Gelegenheit zieht er einen Waschtisch auf, der in dem Zimmer stand, worin Bella gestorben war, und findet hinten darin liegen — die ihm wohlbekannte goldene Schlange, die er zum erstenmale bet Gelegenheit des Ausfluges nach den Pyramiden am Arm der Baronin, dann später öfter hatte glänzen sehen.
Er stand betroffen.
„Was thue ich?" fragte er sich. „Liefere ichS Herrn Laidacher ab ? Wer weiß wohin es da gerät? Nein ich behalts vorläufig heimlich, bis ich wieder nach Wien komme! Den Baron von Reischach, an den die schöne Frau stets schrieb, will ich schon finden; ich glaube, daß sie ihn gegen den falschen Kerl,
den Heßbach, Onkel nannte!
Das Armband ist wertvoll! Nein ich willS nicht stehlen, aber Fremde sollen eS nicht erhalten ! Teufel, ich glaube die Steine sind echt! Wie sie funkeln I Wie schwer eS ist! — Arme Frau!"
Er steckte eS in die Brusttasche.
Anton Fretscher blieb in Kairo noch ein ganzes Jahr, ging dann nach Rom, wurde aber von dem Heimweh derartig ergriffen, daß er direkt noch Wien zurückkehrte.
Um jene Zeit war auch Herr von Schel- chow nach Wien zurückgekehrt und suchte, da er repräsentieren mußte, einen gewandten Kammerdiener, der auch zu servieren verstände. Die Posten als Oberkellner waren dazumal gerade selten, und so kam eS, daß der gewandte Anton Fretscher sich nun um die von Herrn Schclchow ausgeschriebene Stellung bewarb. Er mußte sich vorstellen und — wurde engagiert.
Mit dem 1. Oktober trat er seine neue Stellung an.
Nach dem Baron von Reischach erkundigte er sich sogleich, erfuhr aber, der Baron sei auf seinem Gute in Ungarn, daS Palais
Reischach am Ringe stehe leer.
* *
Anton Fretscher fühlte sich beim Gesandt- schastSvertreter, Julian von Schelchow, sehr wohl, besonders da er zum erstenmale als Mann, er war nunmehr zwanzig Jahre alt — mit einer Dame in Berührung kam, die ihm sehr gefiel. Das war Fräulein Alma Zterling, der Frau Baronin Zofe. Anton Fretscher hatte im linken Flügel der Villa nichts zu schaffen, traf mit Alma Zierltng deshalb nur selten, ohcr stets gern zusammen; Fräulein Zterling schien den hübschen, feschen Menschen auch gern zu haben. Er war nur zu Bedienung des BaronS da, bei Diners, Soirsn und Soupers hatte er anzuordnen und das Arrangement der Tafel zu leiten und za beaufsichtigen.
Mitte Oktober verreisten Baron Julian von Schelchow nebst Gemahlin allein ohne Dienerschaft.
Die Bonne mit dem Baby, welches ein- einviertel Jahr alt war, einen kleinen Mädchen namens Bella, die Zofe, der Kammer« diener Fretscher blieben zurück.
An diesem Tage hatte Anton ausnahmsweise im linken Flügel der Villa zu thun und traf hier Fräulein Zterling.
„Ah, steh da, Fräulein Alma," rief der Kammerdiener erfreut.
„Ihre Dienerin, Herr Anton."
Er verstand den Stich.
„Wenn ich nicht immer so ganz salon- mäßig bin," sagte er, „Fräulein Zterling, so müssen Sie entschuldigen, ich war ein Jahr bei den Wilden in Kairo und dann ein Jahr in Rom, na, das ist auch nicht bester als in der Kalmücken
Sie lachte:
„Wie kamen Sie dahin?"
„War krank!"
„Und hatten Sehnsuch nach unserer schönen Kaiserstadt?"
„Na natürlich. Wenn ich gewußt hätte, daß cS chort halt so schöne Mädchen giebt, wie ein gewisses Fräulein Alma, ich wäre noch eher gekommen."
(Fortsetzung folgt.)
Medaktwn. Druck und Verla» von Beruh, hosmann in Wldhad.