Die goldene Schlange.
Novelle von Hans Walter.
2) (Nachdruck verboten.)
Herr Attache von Schalchow blieb vor- erst in Wien, dann ward er versetzt, kam aber knapp ein Jahr später als Vertreter nach Wien zurück zur großen Freude deS BaronS R-ischach.
Doch wir sind den Ereignissen vorgeeilt:
Bella von Markovich und Baron von Heßbach wurden ein Paar.
Die Hochzeit fand mit großem Pomp statt; Bella war überglücklich und entzückend schön.
Nach der Trauung zahlte der Baron von Reischach Alfred von Heßbach 40000 Gulden und Bellas Nadelgeld von 10 000 Gulden für das nächste Jahr aus, während der Rest ihres Vermögens ihm mit der bald folgenden Mündigkeit der jungen Frau zufallen mußte.
Das junge Paar hatte beschlossen, auf Reisen zu gehen; wie der glückliche Gatte milteilte fürerst nach Paris, dann nach Aegypten, wo man den harten deutschen Winter Verbringen wollte.
Man reiste auch wirklich nach Paris, wo man in einem großen Hotel Wohnung nahm und wie die Götter lebte.
Mitten im Taumel der Genüsse, die Bella als sehr sittsam und einfach erzogen, fast den Atem nahmen, bestellte Alfred von Heßbach einen ihm bekannten Generalagenten der größten Lebensversicherung, der das junge Ehepaar scheinbar überreden mußte, — Heßbach war längst dazu entschlossen —, fein Leben zu Gunsten jedes mit 50 000 Fra, cs zu versichern.
Die arglose Bella ging darauf ein, als sie sah, daß ihr Alfred wohl geneigt sei, und die Sache war p rfekt.
„Wir sind ja alle sterblich," plauderte Alfred seiner Bella vor „ich will nicht hoffen daß Dich das Unglück träfe mich zu verlieren, noch viel weniger, daß mich das Unglück schlüge, daß Du mir entrissen würdest ; aber alle Welt lhut eS ja wohl, darum ist es bester, wir machen keine Ausnahme davon!"
„Wie du willst, lieber Mann I"
Uebrigens lebten beide wie die Turteltauben, flogen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, von Konzert zu Konzert von Theater zu Theater, verkehrten in derbesten Gesellschaft , wo sie vermöge ihres Reichtums schnell heimisch wurden und kamen so Paris bald satt, so daß Bella gern einmal zu Hause blieb, und wieder der Musik zu leben.
Mit Rosa und Ada blieb sie stets im brieflichen Verkehr, klagte aber, daß dieses Leben ihre Gesundheit angriffi. Rosa gab ihr gute Ratschläge, Ada antwortete nur spärlich.
Heßbach schrieb dann und wann an Baron von Reischach; daher gelegentlich, wenn Bella seine Gesellschaft nicht entbehre, auch ein kleines Jeu, meistens im Verlust, manch eine kleine Liaison mitnahm, verhehlte er dem Vormunde seiner Gattin ebenso klug, wir seiner nichts ahnenden Frau.
Dann gings nach Riviera, den Bellas zarte Gesundheit mußte gestärkt werden.
Es ist hier noch beizufügen, daß Bellas Vermögen im Falle ihres Todes laut Ehe- kontraktes in HeßbachS Hände überging.
Dieses Leben hatte Geld gekostet!
Man reiste nach Monte Carlo.
Hier wollte Heßbach den Ausfall durch die Roulette wiedergewinrun, oberer —verlor, ohne daß seine Gattin eine Ahnung davon hatte; er war auögepustet wie ein abgebranntes Licht!
Zum Glück konnte Baron von Reischach Bellas Nadelgeld senden; damit reiste das Paar denn nach Kairo ab, wo Alfred von Heßbach im BiSmüya-Hotel Wohnung nahm.
Langsam, aber stetig schärfer ging allgemach der armen Bella ein Licht über den wahren Wert ihres Gatten auf.
Etwa nm diese Z-it hatte Anton Fretscher im Rudolphhotel zu Wien seine Lehrzeit beendet und war zum Kellner aufgerückt.
Anton ein gewandter Mensch, aber etwas engbrüstig und lungenschwach.
Dr. Zeyplin, ein Militärarzt verkehrte viel im Rubolphhotel.
Eines Morgens bediente ihn Anion. Dr. Zeyplin protegierte den Aufmerksamen Anton.
„Sehen heute schlecht au«, Anton I" sagte er. „Hüsteln I Sind allein ! Kommen Sie mal heran, daß ich Ihre Brust untersuche!"
Anton gehorchte.
Der Doktor klopfte.
„Au l" ries Anton.
„Na, sagte ichs nicht? Müssen fort aus Wien zum Winter, Anton!"
„Wohin, Herr Doktor?"
„Nizza, Kairo I"
„Aber das Geld?"
„Sparen l Die nächtliche Heerschau hält hier wohl ziemlich bis in den Morgen hinein an? Was? — Ja, sehen Sie, Anlon, sind zu jung! Wie all? Achtzehn? — Hm, junge Leute müssen ordentlich Schlaf haben! Sie vor allem, sonst gehen Sie hops, Anton !"
„Ich bin also krank, Herr Doktor?"
„Ja, ernstlich I"
„Ich fühlte es schon I"
„Will mit Herr Strichl, dem Hotelier reden! Hat vielleicht Bekannte in Nizza, Freunde in Kairo."
Seitdem sparte Anton Fretscher, ging zum Winter als Kellner auf Empfehlung Strichle gen N'zza und von dort nach Monte Carlo.
Hier lernte er von Heßbach und die junge Frau kennen.
Dann fuhr er auf gut Glück nach Kairo.
Eben suchte Herr Allois Letdach-r, ein Wiener, einen Wiener Kellner.
Er bewirtschaftete nähmlich das BiSmüy- Hotel in Kairo unv hatte von Europäern viel Zuspruch.
Zu seinem größten Erstaunen fand er hier abermals Baron von Heßbach mit der schönen gnädigen Frau wieder.
Er kannte beide sofort wieder, die pikante, blonde Schönheit mit dem griechischen Pofil und den lebhsten Blauaugen, jetzt etwas trübe und leidend aussehend, den etwas zur Beleibtheit neigenden eleganten Baron mit dem spärlichen dunklen Haar, dem eleganten SchnurrwichS und den unruhigen stechenden Blicken.
Das Paar bewohnte Zimmer Nr. 18, und Anton Fretscher war besonders zu seiner Bedienung verpflichtet.
Eines Tages hörte Anton die beiden von einem AuSfluge nach Gizeh und den Pyramidengruppen sprechen.
Herr Alois Lridacher hatte da die Gegend
nicht ganz sicher, den arabischen Scheich Sirra el Mudi, einen finsteren Menschen, mit zwei Budinnen aus der Vorstadt Bullach zur Begleitung engagiert, Anton mußte die Fou- rage begleiten, die ein Esel in zwei Körben links und rechts trug.
Er, nämlich Anton, sollte servieren, wenn die Herrschaften essen wollten.
Die Araber bekamen nur Geld.
Herr Baron und Frau ritten auf Maultieren, die Araber auf Pferden.
Aus dieser Tour bemerkte Anton zweierlei; erstlich, die Baronin befand sich in gesegnetem Zustande, der baldige Mutterfreuden verheißt; zweitens, sie trug am linken Arme einen köstlichen Armreif; er stellte eine gol- dene Schlange dar, die sich in Schwanz beißt.
Auf dem Kopfe trug die Schlange einen Diamant in Gestalt eines Krönchens, die funkelnden Augen waren zwei Rubinen.
Baron Heßbach war wenig verbindlich gegen seine Gemahlin, im Gegenteil, er sah finster aus; die Baronin hörte er mehrere- mals seufzen.
Fühlte sie sich unglücklich?
Er hatte Mitleid mit der schönen blassen blonden, Frau.
Die Tour bis zu den großen Pyramiden war ziemlich anstrengend.
Heßbach erklärte im Schatten an der Nordwand der Pyramide, der höchsten, der des Cekorps, seiner Gattin, dieser Riesenbau sei von Vielen tausend Menschen durch Jahrzehnte aufgebaut und dann mit Granitplatten, die teilweise fehlen, bedeckt worden; diese seien vom roten Meere hergcschletft worden.
In der Pyramide sei der König bestattet worden, in den kleinen Pyramiden ringS herum seien Verwandten und Staatsbeamten.
Die Baronin hatte geseufzt.
Sie sprachen französisch und wußten nicht, daß Anton jedes Wort verstand.
Die Beduinen lagerten abseits; Anton hatte hier servieren müssen.
Dann sagte der Baron:
„Bella, Du seufztest? Fühlst Du Dich krank?"
„Nein, krank nicht, aber unglücklich l"
"Bella, Du? Und warum?"
„Weil Du mich nicht liebst! Weil Du spielst und Alpeuturen nachgehst, statt Dich mir zu widmen!"
„Marotten, Wciberlaunen I"
„Ach selig, die dort ruhen, wie Du sagst!"
„Ridicul!" höhnte der Baron.
„O, wäre ich doch auch tot! Was würde mein Onkel sagen, wenn er uns hörte?"
„Der Pedant? Ich danke!"
Das hatte Anlon auf den Baron aufmerksam gemacht, er haßte den Maun, der diese Frau peinigte, daß sie weinte.
Keine Miene veriel aber sein-Verständ- nis der ganzen Lage.
Man war dann wieder später ohne Unfall im Bismüholel angekommen.
Von jetzt an bemerkte Anton oft Scencn zwischen den beiden.
Einmal hatte Anton Fretscher einen freien Nachmittag. Er hatte viel von den türkischen Kaffeehäusern gehört; er wollte einmal eins sehen.
(Fortsetzung folgt.)
»ebgkti-eu, Druck und Berkg von Serutz. Loswarru irr Mltbat.