Die goldene Schlange.
Novelle von HanS Walter.
1) (Nachdruck verboten.)
Baron von Reischach gehörte zum ältesten Adel des Landes.
Früher in diplomatischer Stellung, hatte er sich aus dem Staatsdienst wegen Kränklichkeit zurückgezogen und lebte, da er großes Privatvermögen besaß, von seiner Pension und seinen Renten in einem großen Hause an der Ringstraße, in dessen Salons sich die beste Gesellschaft Wiens traf.
Leider hatte er seine Gattin schon vor zwei Jahren durch den Tod verloren. DcS- halb stand aber sein Hauswesen keineswegs verwaist da, den er besaß nicht nur eine heiratsfähige Tochter, Baronesse Rosa, sondern auch zwei Nichten, die Töchter seiner beiden Schwestern, Bella von Markovich und Ada von Jrach, deren Eltern vor kurzer Zeit schnell hinter einander einer damals in Wien herrschenden tückischen Seuche erlegen waren.
Die beiden Damen waren beide noch minderjährig, aber schwer reich; der Baron von Reischach war nicht nur beider Onkel, sondern auch ihr Bormund.
Im Rcischachschen Hause herrschte ein sehr feiner und doch gemütlicher Ton und ein Einvernehmen, von dem viele hätten lernen können.
Die drei Cousinen waren alle gleich schön, wenn auch im Habitus und Charakter sehr verschieden.
Rosa artete entschieden auf ihren Papa; sie war brünett und besaß dunkle Sammetaugen von einem wunderbaren Feuer; ihr Gesicht besaß klastsche Schönheit und ein echt griechisches Oval.
Am ähnlichsten war ihr nach den Gesichtszügen Baronesse Bella von Markovich obwohl sie hellblond war und große mandelförmige blaue Augen besaß. Ebenso ernst wie Rosa, war sie dabei heiter und harmlos, in der Gutmütigkeit waren sie sich ganz gleich.
Baronesse Ada von Jrack war mit rabenschwarzen Locken begabt, besaß Blauaugen aber ein fcharsgeschnittenes Gesicht, denn ihr Vater war ein Damatiner gewesen. Sie war gutmütig, aber scharfsinnig und berechnend, vor allem sehr ehrgeizig, wie cS die beiden andern Damen kaum ahnten.
Uebrigens herrschte unter den drei Cousinen eine Herzlichkeit, eine Neidlosigkeit und ein allerliebstes Verhältnis, wie man eS selten unter drei jungen Damen in solchen Kreisen findet.
Wem aber von den drei Cousinen die Krone der Schönheit gebühre, das wäre schwer zu entscheiden gewesen, hier hätte auch ein Paris klastschen Andenkens gewiß nicht ent- entscheiden können!
Man nannte das Reischachsche Palais am Ringe nur das „Haus der drei Grazien".
Wie gesagt, die elegante Welt von Wien traf sich hier oft.
Was die drei jungen Damen angeht, so zeichneten sich alle drei auch durch besondere Talente aus:
Baronesse Rosa wareine brillante Sängerin, die einer großen Bühne zur höchsten Zierde hätte dienen können; Baronesse Bella war eine phänominiale Klavierspielerin, die ihren Landsmann Thopien zu interpretieren
verstand, wie selten sonst jemand; Baronesse Ada galt als eine der größten Schachspielerinnen der Gegenwart; schon mancher Kavalier der diplomatischen Kreise, der sich etwas auf seinen Scharfsinn zu gute that, hatten sich von dieser eigenartigen Schönheit besiegt gesehen.
Zur Zelt, da unsere Geschichte beginnt, war auch ein junger Attachö einer fremden Gesandschaft im Hause Reischach eingeführi worden. Baron Julian von Scholchow,cin stattlicher und reicher Herr von untadelhaften Allüren und edler Bildung.
Er verliebte sich Knall und Fall in Baronesse Rosa. Bald war eS in ollen hier verkehrenden Kreisen bekannt, daß dieser untadelige und reiche Bewerber um Baronesse Rosas Hand die größten Hoffnungen besaß, bei der jungen Hand zu reüssieren; anscheinend widmete sie auch ihm eine ausgesprochene Neigung.
Die beiden mustcierten vielfach zusammen, und Julian von Scholchow begleitete meistens ihren sprühenden Gesang.
Zu den Bekannten deS Attachö gehörte der elegante Baron Alfred von Heßbach, ein auf der Grenze der Mannheit stehender Herr, der angeblich von einer Orientreisc zurückge- kchrt war, wie man sich aber ins Ohr zischelte, von Paris, wo er sehr wüst gelebt haben sollte, und von Monte Carlo, wo er den Rest seines einst großen Vermögens verspielt habe; jetzt wollte man wissen, fische er nach der Hand einer reichen Erbin, um seine Verhältnisse wieder zu arrangieren.
Man konnte jedoch nicht leugnen, daß er ein schöner Mann war, ein Mensch von bezaubernden Umgangsformen, der dazu eine geistsprühende Conversation zu führen verstand, ein Mann des Wortes zu ,jeder Zeit und unter allen Umständen.
Daß er dabei einen stechenden Blick, eine wirre Hast deS Gebahrens besaß, wollten nur einige Herren behaupten, die Damen schwärmten alle für ihn, der zugleich Dichter und Schöngeist war.
Baron Alfred von Hcßbach, im allgemeinen kein Freund von Musik, schien sich, nachdem er Baronesse Bella von Markovich hatte Chopin interpretieren hören, plötzlich bekehrt zu haben, denn er gehorchte der blon« den Schönheit mit einer Andacht u. Ausdauer, daß nicht daran zu zweifeln war, er empfinde entweder für die blonde Virtuosen oder für Chopin eine tiefe Leidenschaft.
Keiner ahnte es, daß die stolze Ada den umschwärmten Poeten und brillanten Redner gern für sich besessen hätte, oberste war viel zu stolz, dieses irgend einem Menschen zu gestehen.
Es fiel auch nicht auf, daß Attachö von Scholchow nach einiger Zeit bei Baron von Reischach häufiger kam, vaß er eines Tages um die Hand der Baronesse Rosa anhielt und daß die Verlobung bald darauf als ein kalt kvoompli die Gesellschaft überraschte.
Die BerlobungSfestlichkeit war eine sehr solenn'; sie bol dem eleganten Baren Alfred von Heßbach auch Gelegenheit, der Baronesse Bella von Markovich näher zu treten und sich der Neigung der jungen Dame zu versichern.
ES kam ihm zu gut, daß der Attachö ver Schwiegersohn von Reischachs wurde, daß derselbe als sein guter Freund, die ungünstige Meinung, die der Baron nach und nach aus
den satyrischen Bonmots der Gesellschaft ge» gen den Baron in sich groß gezogen, be» ruhigrnd zerstören konnte.
Er sagte:
„Alfred von Heßlach hat sich bis jetzt als eia ehrenhafter Kavalier erwiesen ; Satin, er hat gespielt und sein Leben genoffen ! Wer hätte daS nicht? Vor In tont!"
„Man sagt ihm ekelhafte Dinge, wenn auch nicht offen, so doch verblümt nach l"
„Das ist das Gebühren der Mcdisance und die Kunst der indirekten Verleumdung, daß sie sich schlauerweise versteckt hält I Ich gebe nichts darauf, ich halte mich an das Feste und Greifbare!„
„Sie haben ja recht, lieber Julian aber eine so gefaßte Meinung, wenn auch aus Vorurteil, läßt sich doch nicht so schnell überwinden !"
Allerdings, Papa! Aber Sie sollten nur einmal Bella fragen, sie würde meine Meinung enthusiastisch unterschreiben!"
„So glauben Sie, daß sie Alfred von Hcßbach gern hat?"
„Ja, das glaube ich."
„Und was sagt Rosa dazu?*
Julian wurde verlegen:
„Sic mag H.'ßbach nicht!"
„Warum nicht?"
„Er ist ihr zu sehr Mann des Wortes !"
„DaS wäre nun kein Grund zur Ablehnung, wenn'jer um mein Mündel anhält, sobald Bella ihn leiden mag!"
„Nur höchstens ein Grund zur Abneigung I"
„Ganz richtig, denn die vielsprechenden Männer sind gewöhnlich nicht die worthal- teaden I"
„Mag sein, Papa! Ich würde von Heßbach nicht zu meinem Umgänge zählen, wenn sonst irgendetwas nicht in Ordnung wäre!"
Daraufhin nahm der Umgang von Heßbachs mit Bella von Markovich stets intimere Formen und Bedeutung an, zum großen Kummer Adas; ja, an der Hochzeitstafel, als hier von Scholchow und Rosa als junges Ehepaar paradierte, war die Sache so weit gediehen, vaß Baron von Reischach selbst die Verlobung von Heßbach mit Bella von Markovich verkündete.
Rosa hatte bis zum letzten Augenblicke abgeredet, Ada finster geschwiegen; Baron von Reischach aber, ein durchaus ehrlicher Mann, hatte nunmehr allen Widerstand aufgegeben und vertraute von Heßbach ganz und gar.
Es war auch, als wenn das ganze Glück, welches dem Herrn lachte, ihn edler, feiner, idealer machte, denn Herr Alfred von Hebbach schwamm auf einem Strom von Glück, und Bella von Markovich verglich ihr Dasein mit einem Zustande, wie man ihn von den Seligen der andern Welt stch gern aus« malt.
Es muß allerdings hier gesagt werden, daß Julian von Scholchow nach seiner Verlobung genauen Bericht über Bellas Ver- mögenSverhältnisse abzustatten nicht unterlassen hatte, worauf sich denn Alfred von Heßbach ordentlich in die Flügel geworfen und die Verlobung wirklich erreicht HUte.
(Fortsetzung folgt.)
Merk's.
Nur im Willen ist Rat, sonst nirgend.
Rrdakitost, Druck und «erlag von «ernh. Hofman » in Wllbbad.