Ein Waterherz.
Roman in Ortginalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
88) (Nachdruck verboten.)
„Ah, sehr wahrscheinlich/ murmelte Helene zerstreut. Von diesem Tage an verlor sie die Fremde nicht mehr aus dem Auge. Frau Kelsey blieb in Barstoft und lieferte den Beweis, daß sie ehrlich und arbeitsam war. Gegen eine bestimmte Summe, welche Helene an Frau Green zahlte, ließ diese sich bewegen, die Fremde als Teilhaberin in ihr Geschäft aufzunehmen und vermochte sie für sich und ihr Kind eine bescheidene Existenz zu gründen. Aber trotzdem Helene die guten Eigenschaften Frau Kelsey's nicht unterschätzte, so konnte sie sich mit deren Charakter nicht befreunden, Sie war sehr launisch und veränderlich, nicht undankbar für empfangene Wohlthaten, hatte aber eine eigentümliche Art ihre Dankbarkeit zu zeigen. Mit ihrer Geschäftsteilhaberin kam sie nicht immer gut überein, aber ihre Heftigkeit war bald vorüber, wie Frau Green versicherte und der Anblick ihres Kindes konnte sic zu Thränen rühren und sanft machen, wie ein Lamm.
Diese Frau Kelsey nun war eS, welche an einem schönen Sommerabende Helene De- ring abermals auf ihrer Villa überraschte. Helene saß zur Dämmerstunde an dem offenen Fenster nnd blickte träumerisch in die dunkle See hinaus. Es war sehr still da draußen; die Musik war verstummt, dir meisten Badegäste hatten bereits ihre Wohnungen ausgesucht; die Laternen aus den Straßen und an den Masten der vor Anker liegenden Schisse waren sämtlich angezündet und droben am Firmamente schimmerten friedlich die Sterne.
Da näherte sich Frau Kelsey eiligen Schrittrs über Rasen und Blumenbeete hinaus, dem Hause und stand dicht neben dem Fenster, ehe die Träumerin ihrer Ansichtig wurde. Helene stieß einen Schrei aus und rief: „Guter Gott — wer ist dies?"
„Erschrecken Sie nicht, Fräulein/ beruhigte Frau Kelsey, „ich gehe von hier und wollte Ihnen noch Lebewohl sagen und Sie vor etwas warnen."
„Sie gehen weg! Wohin denn?"
„Ich weiß es nicht — Niemand weiß eS. Darf ich einen Augenblick hinein kommen?"
„Ja, kommen Sie."
Frau Kelsey trat durch die Glasthüre ein, und Helene schloß das Fenster, ohne die Blenden herabzulassen. Dann klingelte sie nach Licht, und als die Lampe gebracht wurde, bemerkte sie, daß Frau Kelsey eine Hutschachtel vermittelst einer Kordel an ihrem Finger befestigt trug und ihr Kind, warm eingehüllt, auf den Armen hielt.
„Was soll dies plötzliche Weggehen bedeuten?" fragte Helene.
„O, ich fürchte mich hier zu bleiben; ich Halle in der letzten Zeit viel Angst und Sorge auszustchen, und eS kommt näher und näher jeden Tag,'
„Haben Sie wieder Streitigkeiten mit Frau Green gehabt?"
„Bewahre; Frau Green ist keine so üble Person, und sie wird erst morg-n erfahren, daß ich mich weggeschlichen habe. Sie kann schlafen, tief und ruhig, und ich kann es nicht.'
„Und Sie wissen selbst nicht, wohin Sie gehen?"
„Nein, nur fort von meinem Gatten, der auSgebrochcn ist; ich habe keinen Mut, dem gräßlichen Menschen noch einmal vor die Augen zu kommen."
„Ausgebrochen! Was meinen Sie damit?"
„Ich war schon eine halbe Meile von der Stadt entfernt, als ich dachte, ich wollte doch umkehren und Ihnen nach meiner Weise noch einmal für alles danken, was Sie an mir gethan/ fuhr Kelsey fort.
„Aber wo war Ihr Gatte seither?"
„Im Gefängnis, Fräulein. Schon vor einem Monate ist er durchgebrannt, und ich erfuhr es durch einen sonderbaren Zufall, wie ich Ihnen erzählen will, wenn es Sie interessiert."
Frau Kelsey erzählte weiter: „Nun hat mein Gatte sich aber heimlich bis nachWol- ston durchgebracht, gerade als ob er wüßte, daß ich hier sei."
»J°, ja," sagte Helene mit begreiflicher Ungeduld; „doch was geht mich dieser Mann an? Warum sollten Sie vor ihm mich warnen müssen?"
„Wenn Sie erlauben, Fräulein, sein Name ist Baretti — Paulo Baretti — der Mann — der Elste Nord wegbrachte und
— wie die französischen Blätter schreiben — mehr ein Teufel als ein Mensch geworden ist; obschon er das auch früher schon war", fügte die Frau nachdenklich bei. „Ja, er war ein Teufel, Fräulein."
„Paulo Baretti — Ihr Gatte I" rief Helene. „Parum haben Sie mich die ganze Zeit her zu täuschen gesucht?"
„Sogleich will ich es, erzählen, Fräulein. Ich bin ganz außer Atem; das Kind wird eben, Gott sei Dank, so dick und schwer. Ich nannte sie Elste nach dem Mädchen das mich gerettet hat. Nun wissen Sic alles."
„Sie gerettet!"
„Ja; lassen Sie sich das von ihr selbst erzählen," sagte Frau Baretti, sich tief über ihr Kind herabnetgend; „für mich wäre es zu hart. Haben Sie nicht gehört, daß ich tagte, er sei bereits in Wolston? Wollen Sie nicht Elftes Vater warnen, wie ich Sie gewarnt habe? Er ist nicht sehr für Frank Nord — er war es nie."
„Ja; ich werde schreiben, sobald ich wieder von Oberst Nord oder seiner Tochter Nachricht erhalte. Doch Sie regen sich unnötig auf. Ihr Gatte wird vielleicht gar nicht nach Barstoft kommen."
„Vielleicht nicht; doch — ja!" kreischte sie so plötzlich auf, daß Helene das Blut in den Adern «starren fühlte, „sehen Sie dort
— an dem Fenster — da ist er schon l"
49. Kapitel.
Obschon Flau Baretti dem Fenster den Rücken gekehrt hatte, so war doch sie es, welche zuerst das wilde, gräßliche Gesicht erblickte, das fest gegen die Scheiben gepreßt war, um das Zimmer besser überschauen zu können. Seit jenem Tage, da sie daS Haus ihres Gatten verlassen hatte, war eS eine nervöse Gewohnheit Fanny'S geworden, über die Schulter zu blicken. Wenn Paulo durch Elste erfahren, was sie zu thun beabsichtigt hatte, so würde er sie umbringen, sobald er sie zu Gesicht bekam. Dies war ihre feste Ueber- zeugung und ihre sie beständig quälende Angst, die mit der Zeit eher ärger wurde, anstatt
abzunehmen; daher war sie beständig auf ihrer Hut, um nicht hinterlistig überfallen zu werden. Fanny Baretti bereute die Vergangenheit, und ihr früheres Leben an Pau- lo's Seite schien ihr wie ein Traum. Als sie den Gefürchteten jedoch so plötzlich vor sich sah, fühlte sie sich sofort schaudernd in jene düstere Zeit zurückversetzt.
Helene hatte das Gesicht am Fenster ebenfalls ganz deutlich gesehen, ehe es verschwunden war, und wenn sie sich auch geneigt fühlte vieles der nervösen Angst ihrer Besucherin zuzuschreiben, so blieb doch kaum ein Zweifel an dem wirklichen Sachverhalte. So wild und grimmig wie das Paulo's, gab eS nur wenige Gesichter in der Welt. Helene halte die abschreckenden Züge nur ein einziges Mal in dem Salon zu WolstonhauS gesehen, aber sie waren deutlich in Ihrer Erinnerung eingegraben. Die kleinen, funkelnden Augen, der halbgeöffnete Mund mit den glitzernden Zähnen, die gelbgrüne Gesichtsfarbe, der unverkennbare wilde Ausdruck — alles war erkenntlich und verkündete irgend ein neues Verhängnis, welches dieses Unglückgeschöpf stets im Gefolge hatte. Mit der Vergangenheit stand er in schrecklicher Verbindung. Helene wußte längst, wer in jener Nacht die Wolstoner Brücke geöffnet hatte, und auf wessen Leben cs abgesehen war, und von jenem Tage an war Panlo Baretti ihr ein furchtbares Wesen. Trotz ihres natürlichen Mutes zitterte sie also bei dieser unerwarteten Ueberaschung.
„Es war Paulo — nicht wahr. Sie haben ihn auch gesehen?" fragte Frau Baretti eifrig.
„Ja, ich glaube, er war eS. Aber was thut er in Barstost?" fügte sie sehr aufgeregt bei; „und was kann er Ihnen oder mir anhaben?"
„O ich weiß eS nicht. Aber Unheil wird er sicher anrichlen, bis er wieder ein- geschlossen ist. Er kann nicht anders, Fräulein, eS liegt in seiner Natur."
Helene hatte nun ihre Fassung wieder- erlangt.. „Ich fürchte ihn nicht," sagte sie ruhig.
„Das ist ganz gut," bemerkte die Andere; „doch was soll aus mir werden? Heute abend wage ich mich keinen Schritt mehr vpr die Thüre. Er weiß, daß ich hier bin — er hat mich beobachtet."
(Fortsetzung folgt.)
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