Gin WaterHerz.
Roman in Ortginalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
86) (Nachdruck verboten.)
„Mein Vater — denken Sie an ihn, und schonen Sie ihn wie mich," rief Elste flehend.
Es war ihres Vaters Wunsch, daß keine Trennung zwischen uns stattfinden solle, wenn noch ein Rest der alten Zuneigung in unseren Herzen lebe! O, Elste, sagen Sie, daß :S so sei, denn darin liegt für uns alle Glückseligkeit. Ihr Vater wird auch der meine sein, und wir werden unS vereint bemühen, ihn glücklich zu machen."
„Bitte, stehen Sie auf," sagte Elste; „Sie haben sich und mich vergessen, ich möchte nicht länger auf Sie hören."
Antonio erhob sich und stand mit bekümmerter Miene vor ihr. „Ja, ich hatte vergessen," sagte er mit leiser Stimme; „vergeben Sie mir, denn wir sehen einander heute zum letzten Male. Ich habe Ihnen wehe gethan und hätte mehr Rücksicht für sic haben haben sollen."
„Ich danke Ihnen," sagte Elste hastig.
Er wandte sich zum Gehen, als eine rasche Handbewegung Eiste's ihn zurückhielt. Sie halte noch etwas zu erwiedern, war aber im Augenblick ihrer Stimme nicht mächtig. Einige Minuten vergingen, ehe sic im Stande war, zu sprechen. „Halten Sie mich nicht für unfreundlich, Antonio," sagte sie, ihm fest ins Auge blickend, „wenn ich Ihre Liebe nicht mehr zu erwidern mag. Der Rest meines Lebens — denn ich glaubte nicht, daß mir noch viele Jahre vergönnt sind — gehört meinem Vater, sür den es ohne mich kein Glück aus Erden gicbt. Ich sehe jetzt, mit welch hochherziger Selbstverleugnung er Sie hergesandt, um gegen seine Interessen zu handeln, ober ich werde mich nicht mehr mehr von ihm trennen. Mein Vater ist sein ganzes Leben hindurch entsetzlich verkannt worden; aber ich, seine Tochter habe ihn lieben gelernt, wie ich nie einbn andern Menschen lieben werde. Scheiden wir- also von einander, Antonio; Sie werden eine bessere Lebensgefährtin finden, als ich Ihnen hätte sein können."
„Unmöglich I" rief Antonio und fügte unentschlossen bei: „Ihr Vater erwartet mich auf den Boulevards — ich werde jetzt gehen müssen."
„So will ich Sic begleiten," sagte Elste , und eilte weg, um sich rasch zum Ausgeben umzukleiden. Antonio hätte es vorgezogen, allein zu dem Obersten zurückzu- kehren, doch Elste fürchtete die Pein eines zweiten Abschiednehmens. In den geräuschvollen Straßen von Paris plauderten sie nur von gleichgültigen Dingen, die ihrem Interesse am fernsten lagen, bis Antonio schließlich sagte: „Dort ist Ihr Vater."
Elste bemerkte ihn sogleich und mäßigte ihre Schritte, als ob sie ihrem Begleiter unter vier Augen noch etwas zu sagen hätte. Frank Nord rauchte seine große Pfeife und und blickte träumerisch vor sich hin.
„Ich weiß nicht, ob sie je der Meinung waren, Sie seien Schuld an meiner Geistesstörung gewesen," begann Elfte; „bitte, glauben Sie dies ja nicht, Antonio. Ich war bereits schwach und krank, grämte mich über den Tod meines Onkels, über die Gefahr, in der
mein Vater schwebte, Über seine letzten, herben Vorwürfe und wartete mich im Geheimen mit dem Gedanken, daß ich sehr grausam und undankbar gegen ihn gehandelt habe."
„Und dann betrog ich sie, Elste; aber nicht so herzlos, als Sie bis zum heutigen Tage glaubten. Doch warum sprechen Sie noch einmal hiervon und zu dieser Stunde?"
„Ich wollte Ihnen womöglich jede Sorge, jedes Bedauern abnehmen," versetzte Elste weich.
„Gott segne Sie dafür I" Antonio drückte ihr voll warmer Dankbarkeit die Hand, und in diesen letzten Augenblicken machte Elste keinen Versuch, sie ihm zu entziehen.
„Es wird am besten sein, wenn wir uns jetzt trennen, Elste; ich kann Ihnen nicht mehr ruhig gegenübertreten, kann nicht mehr in Ihres Vaters Haus zurückkehren — dies ist mein letztes Lebewohl."
„ES ist besser so," murmelte Elste kaum vernehmbar.
„Bitten Sie ihren Vater, mir zuweilen zu schreiben — sich nicht ganz von mir los- zusagen — ich muß von Ihnen Beiden hören."
„Er soll schreiben."
Sie waren jetzt dem Obersten ganz nahe gekommen, und dieser blickte auf, legte seine Pfeife aus die Seile und forschte mit eifrigem Interesse ihren Zügen. „Zusammen", murmelte er; „und sie kommen, um mir die Mitteilung zu machen". Dennoch blickte er nicht strenge auf die Beiden; er war auf alles vorbereitet und mochte vielleicht mit der Zeit sich an ihrem Glücke erfreuen. „Elste — Antonio I" sagte er, sich halb erhebend, aber ein Etwas in dem Gesichte des jungen Mannes, der ihm fast ein Sohn gewesen, hielt die Glückwünsche zurück, die ihm auf den Lippen schwebten.
Bei dem Vater bis zum Ende!" sagte Antonio heiser; „es ist nur billig und gerecht. Gott segne Sie, Frank Nord, vergessen Sie mich nicht — erhalten Sie mich in Ihrem AndenkenI"
Ehe der Oberst nur eine Silbe zu erwidern vermochte, hatte Antonio seine beiden Hände ergriffen, sie herzlich gedrückt, und war von dannen geeilt. Er war eine plötzliche unerwartete Trennung, und Frank Nord bemühte sich vergeblich, seinen jungen Freund noch einmal aufzufinben, ehe er mit Elste die Stadt verließ. Antonio schien spurlos von Paris verschwunden, bis die Zimmer auf dem Boulevard der Italiener wieder zu vermieten standen und Frank Nord und seine Tochter viele hundert Meilen von Paris entfernt waren. Dann erst kehrte Antonio au! seinen Posten am Theater zurück, und Alles war sehr still und friedlich in der düsteren grauen Welt, in der er lebte, und der seine beiden besten Freunde für immer den Rücken gekehrt hatten.
Die Saison in Barstost hatte ihren Höhepunkt erreicht, und der schöne heiße Sommer dieses Jahres brachte eine Unzahl von Vergnügen- uud Erholungssuchenden nach dem beliebten Badeorte. Die Hotels und Logier- häuser waren bis auf den letzten Winkel be. jetzt, und zahlreiche Fremde mußten mit langen Mienen wieder abziehen, weil sie keine Unterkunft mehr fanden. Ein reges Leben und Treiben herschte überall, wohin man blickte; Musikkapellen ließen ihre heiteren Weisen ertönen, auf der eisernen Brücke am
Strande, auf der Esplande, allenthalben tummelten sich fröhliche, geputzte Menschen, die keine Sorge zu kennen schienen. ES war alles noch gerade, wie an jenem Tage, da Frank Nord an seinem Geburtstage zurückkehrte, nichts schien verändert in dem weiten Bilde, das sich den Blicken des Beschauers darbot.
Und dennoch — Eine war verändert, Eine fühlte es schmerzlich, daß zwei lange ereignißschwere Jahre seit jener traurigen Nacht vergangen waren, da man ihren einzigen Bruder sterbend nach Hause gebracht hatte.
Helene Dering hatte Wolston für immer verlassen. Dos große weiße Haus war in andere Hände übergegangen, und Helene hatte kein Bedauern darüber empfunden. Es war ihr nicht teuer; es knüpften sich nicht viele freundliche Erinnerungen daran, und die letzten Tage, die sie darin verlebt, waren unbeschreiblich öde und düster gewesen. Helene Dering bewohnte jetzt eine hübsche Villa, die etwas entfernt von Barstoft auf einer kleinen Anhöhe erbaut war. Jung, schön, reich und feingebildet, stand Helene doch vollständig allein in der Welt, ober sie fühlte sich nicht unglücklich trotz des ernsten gedankenvollen Ausdrucks ihrer Züge. Von all' ihren Freunden getrennt, halte sie sich in ihre Einsamkeit ergeben, wußte sie doch, daß sie allein die Schuld daran trug. Ihr Leben hatte seinen Werl noch nicht verloren, denn sie hatte neue Pflichten übernommen, neue Aufgaben sich gestellt und war trotz ihres Reichtums eine arbeitsame Dame von seltener Energie, der eS nicht in den Sinn kam, sich willenlos dem Schmerz über vergangene Hoffnungen und Täuschungen hinzugeben. Nur wenn sie abcnde nach gethaner Arbeit in ihre reizende blumenumrankte Heimstätte zurückkehrte, saß sie wohl noch stundenlang am ge, öffneten Fenster und blickte sehnsüchtig hinaus auf die weit: See, als ob diese ihr die Freunde wiederbringen müßte, die sie sosehr geliebt hatte. Die Badegäste von Barstoft wußten nur wenig von ihr, obschon sie manchmal in der Abendkühle, von ihrem Mädchen begleitet, am Strande spazierte, aber den ständigen Bewohnern des OrteS war sie wohl bekannt.
(Fortsetzung folgt.)
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Auf Erden lebt kein Menschenkind,
An dem man keinen Mangel find't.
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