furchtbbareS Gewitter über das Nagoldthal und unsere Markung herein. Der orkanartige Sturm schien alles wegzufegen. Die Hagelkörner fielen so dicht, daß ihr Niederprasseln ein Getöse erzeugte, daß selbst die fürchterlichen Blitzschläge nicht mehr beachtet wurden und der entsetzliche Donner nicht mehr gehört werden konnte. Unzählige Fensterscheiben wurden zertrümmert und die ganze noch auSstehende Ernte vernichtet. Gerste, Haber rc. ist so zusammengehagelt, daß selbst das Stroh wertlos ist. Das OehmdgraS kann an vielen Stellen nicht mehr abgemäht werden. Kraut, Bohnen, Futterkräuter rc- sind zerfetzt. Von vielen Kartoffeläckern wurde der Boden weggeschwemmt, sodaß die noch unreifen Früchte heute zusammengelesen werden mußten. Der Schaden im Gemeindewald beträgt Tausende von Mark. Die stärksten Tannen wurden entweder umgerissev oder in einer Höhe von 3—4 Meter abgerissen wie Strohhalme. Viele Obstbäume find ganz zerbrochen, viele auf Jahre ruiniert. Auch an Straßen und Feldwegen wurden von den Wassermaffen große Verheerungen angerichtet. Der Schaden, der durch dieses Gewitter angerichlet wurde, ist sowohl für die ganze Gemeinde, als für die Einzelnen besonders empfindlich, weil dieser Wctterschlag dieses Jahr schon der zweite ist. ES ist dies Wieder für jeden eine ernste Mahnung seine Feldgewächse und zwar alle gegen Hagel zu versichern. Obwohl die gewährte Entschädigung den wirklichen Wert nicht deckt, so steht der Landmann doch nicht ganz mittellos da, wenn ihm durch höhere Gewalt der Fleiß eines ganzen Jahres vernicht't ist.
Friedrichshasen, 13. Aug. In letzter Zeit wurde das so viel besprochene Zeppelin- sche Luftschiff vollständig auseinander genommen und auch die große schwimmende Ballon- Halle ist nunmehr vom See verschwunden. Ein Haufen Bretter und Balken am Ufer find der vorläufige Abschluß eines Unternehmens, von dem mau vielfach große Erwartungen gehegt und von dem man seiner Zeit eine ruhmreiche Laufbahn gewünscht hat. Ob ein verbesserter Wiederaufbau stattfinden wird, wie es schon verlautete, dürfte fraglich erscheinen.
Berlin, 14. Aug. (Ein neuer Krach.) Der Bankier Max Opitz wurde wegen Unterschlagungen und Veruntreuungen verhaftet. Die Kunden sollen um Millionen geschädigt sein.
Wildpark, 13. Aug. Der Bahnhof, ist mit Gewinden geschmückt, von denen lange Florschleier herabhängen. In umflorten Kandelabern brennen Flammen. Zwischen 8 und 9 Uhr läuteteten die Glocken sämtlicher Kirchen Potsdams. Gegen 8 Uhr besetzt die Schloßgarde die Station Wildpark, darauf bringt ein Zug eine Anzahl höh-rer Offiziere und das Pagenkorps. Prachtvolle Kranzspenden werden aus dem Zuge gebracht. Gegen 10'/« Uhr beginnt die Auffahrt der Fürstlichkeiten. Der Kaiser traf mit dem König von England ein; unmittelbar darauf dir Kaiserin mit der Königin von England. Um 10'/, Uhr lief derSon- Verzug mit der Leiche der Kaiserin Friedrich von Kconberg in die Station ein und hielt vor der Kaijcrhalle. 20 Unteroffiziere vom 2. Leib-Husarenregiment hoben unter Vorantritt von Kammerherren, unter Begleitung von Stabsoffizieren und Hauptleuten den Sarg aus dem Wagen und trugen ihn zum
Leichenwagen. Die anwesenden Truppen präsentierten und die zur Begleitng des Wagens befohlenen hohen Würdenträger übernahmen ihre Funktionen. Dumpf erdöhnte der Trommelwirbel von den im Parke von Sansouci ausgestellten Truppen herüber. Die Musik spielte einen Trauermarsch. Der feierliche Leichenzug, welcher sich inzwischen geordnet hatte, setzte sich unter dem Läuten aller Glocken in Bewegung. Die Kaiserin und die Königin von England sowie die übrigen fürstlichen Damen fahren in den Wagen zum Mausoleum. Zwischen den» wandelnden Spalier der Schloßgardekompagnie eröffnet die Geistlichkeit beider Konfessionen in ihren Tataren den eigentlichen Trauerzug. Die Pagen, die Leibärzte der vestorbenen Kaiserin, die Kammerjunker, die Kammcrherren, die Offizier» korps- und Mannschaftsabordnungen sämtlicher Leibregimenter der verstorbenen Kaiserin folgen. Es kommt die Generalität von Berlin und Potsdam. Generaladjutant v.Mischke trägt die auswärtigen OrdenSinstgnten, General der Kavallerie Edler v. d. Planitz die Insignien des Luisenordens und Verdienstordens für Frauen, hinter ihnen die bekannten Gestalten des Generalobersten Frhrn. v. Los und des Generalfcldmarschalls Grafen Waldersee. Jener trägt auf einem Kiffen den Stern und die Kette des Schwarzen Ad- lerordenS, dieser die Krone der verblichenen Kaiserin. In dem Spalier von Stabsoffizieren und Hauptleuten erscheint nunmehr der Leichenwagen. Hoch ragt der Sarg empor, geschmückt mit der goldenen Krone und bedeckt mit Standartentuch. Dicht hinter dem Leichenwagen reiten die obersten Hofchargen, der Obersttruchseß, der Oberstmundschenk, der Oberstjägermeister und der Oberstkämmerer. Unmittelbar nach ihnen folgen der Kaiser und der König von England, beide in der Uniform deS Gardedragonerrcgtments, der Kronprinz und die anwesenden fürstlichen Leidtragenden. Vor der Friedenskirche langte der Zug gegen 11'i« Uhr an. Der Sarg wurde vom Leichenwagen gehoben und in die Kirche getragen. Beim Ueberschreiten der Schwelle erklang ein Choral, vorgetragen vom Berliner Domchor, die Monarchen, der Kronprinz und die Prinzen und Prinzessinnen, die allerhöchsten und höchsten Herrschaften folgten dem Sarge in das Mausoleum. Als der Choral verklungen war, sprach Pfarrer PerstuS kurze GcbetcSworte und schloß mit einem Vaterunser. Abermals setzte der Domchor ein. Dann verließen nach einem stillen Gebet die Monarchen und Fürstlichkeiten das Mausoleum und begaben sich zu Wagen nach dem neuen Palais. Der Zug löste sich auf. Die Kaiserin Friedrich hatte ihre letzte Ruhestätte gefunden.
— Aus Amsterdam wird gemeldet, daß die Proklamation von Kttchener eine allgemeine Entrüstung hervorgerufen habe. Die holländische Presse hofft, daß die europäischen Regierungen durch die öffentliche Meinung veranlaßt würden, gegen diese unerhörte Maßregel Einspruch zu erheben. Nach einer Mitteilung aus Kapstadt herrscht unter den Afrikandern aus demselben Grunde große Erregung. Man glaubt, daß der Kampf nun von seiten der Buren noch erbitterter und mit noch thatkräftigerer Unterstützung der Kap- Holländer weitergesührt werden wird. Ueb- rigenS soll Lord Kilchener, der in diesem F U seine viel gerühmte Selbständigkeit aufgib!, um sich als gefügiges Werkzeug von einem
Zivilbeamten tn London leiten zu lassen, durchaus nicht krank oder verwundet, sondern ganz gesund sein.
Die »Daily News" nennen die Proklamation Mr. ChamberlainS Werk und eine Verletzung der anerkannten Kriegsregeln; denn wenn ein Recht von den Bestimmungen der Haager Konvention einer Nation gesichert sei, so sei es das, sich bis zum Aeußersten zu verteidigen. Die Proklamation scheine vom Schatzamt und aus finanziellen Erwägungen aufgesetzt worden zu sein. Lächerlich sei die Annahme, daß die Männer, die dem Tod in jeder Weise ins Auge gesehen, deren Farmen zerstört und deren Familien „konzentriert" seien, die nur das Bestreben hätten, auf eigenem Boden als freie Männer zu leben, die Verbannung scheuen würden.
Auffallenderweise enthält die kürzlich veröffentlichte englische Verlustliste wieder einmal einen Posten von 7 Offizieren und über 500 Unteroffizieren und Mannschaften, die als vermißt, und gefangen aufgeführt werden. Die Entlassung der Gefangenen war ein Akt der Humanität von seiten der Buren. Da sie selbst keinen Ueberfluß an Lebensmitteln haben, wollten sie die weniger genügsamen Engländer nicht großen materiellen Entbehrungen aussetzen. Diese Rücksicht fällt nun fort. Die Gefangenen müssen ihnen als Geiseln dienen, um jede grausame Handlung der Engländer an Buren sofort mit einer energischen Wiedervergeltung an den Gefangenen beantworten zu können. Dem Anschein nach haben sie mit ihren Vergeltungsmaßregein bereits am 8. August begonnen (die Proklamation ist von Lord Kitchener am 7. August in Südafrika veröffentlicht).
Paris, 12. Aug. Man rechnet hier mit Bestimmtheit auf einen Einspruch verschiedener Mächte gegen die Proklamation Kitcheners.
— Newyork hat einen großen Polizeiskandal. Hohe Pvlizctbcamte find — so meldet man dem „B. T." — wegen strafbaren Einverständnisses mit den Spielhöllen unter Anklage gestellt. Die Spielhöllen zahlten monatlich etwa 4000 ^ an die Polizei, dafür wurden sie beschützt und gewarnt, wenn ihnen Entdeckung drohte. In derselben Weise erpreßten die Behörden von den Postituierten und allen GcsetzeSübertretern Geld. Der Staatsanwalt hat die Untersuchung der Angelegenheit in die Hand genommen. Der republikanische Gouverneur will den Polizeikommissar seines Amtes entsetzen, und die Republikaner fordern eine besondere Sitzung der gesetzgebenden Körperschaft, in welcher ein Gesetz geschaffen werden soll, durch daS die Stadtpolizci in Staatspolizei umgewandelt wird. Tammany Hall ist erschreckt, erklärt jedoch, das Ganze sei eine angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen inS Leben gerufene Parteibewegung.
Newyork, 13. Aug. Die Aufforderung zum Generalstricke ist nicht von allen Mitgliedern des Stahlarbeiterverbands befolgt worden; immerhen striken 60 000 Mann. Der Stahltrust läßt mehrere Werke demon- trieren.