Gin WaterHerz.
Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
81) (Nachdruck verboten.)
„Führen Sie ihn weg," sagte Nord in gebietendem Tone.
„Nein, nein, noch nicht," schrie Paulo; „sagt mir zuerst, daß er nicht tot ist. Um des Himmels willen sagt, daß ich ihn nicht umgebracht habe I Ich wollte nur — ich —"
„Führen Sie ihn weg," befahl der Oberst; „er darf nicht hier bleiben; und Jemand hole rasch einen Doktor herbei." Nord besaß, wie schon früher erwähnt, einige medizinische Kenntnisse, die ihm hier wieder trefflich zu statten kamen, denn es dauerte lange, ehe um diese späte Stunde ein Arzt zu finden war.
Paulo Baretti wurde nicht sofort ins Gefängnis abgesührt. ES war ihm gelungen, sein Messer vom Boden auszuheben, und da kauerte er nun mit glitzenden Au,en und Zähnen, und drohte, jeden zu erstechen, der in seine Nähe käme. „Er ist mein Junge; ich habe das R-cht, hierzu bleiben," rief er; „und wenn er stirbt, kann ich mir hier selbst den Hals abschneiden — und das thue ich, ich schwöre es. Rührt mich nicht an, so will ich stille sein — kommt mir näher, und ein zweites Leben mag drauf gehen heute."
Die drei anwesenden Polizisten blickten einander an und zögerten. Sie sahen ein, daß es einen gefährlichen Kampf mit diesem Unhold absetzen werde, und cs vergingen einige Minuten, ehe sie sich ihm vorsichtig zu nähern suchten. Frank Nord blickte auf die Gruppe hinüber und fürchtete den Einfluß des bevorstehenden wilden Kampfes auf den schwer Verwundeten, um dessen Leben er sich bemühte. „Baretti, Sie können nicht hier bleiben," sagte er, sich dem Wütenden nähernd; „und ein Kampf mit der Poli- zei in diesem Zimmer wird Ihrem Sohne unfehlbar das L>ben kosten. Gehen Sie ruhig mit weg. um Antonio's Willen, wenn Sie je etwas für ihn gefühlt haben."
„Ich will mich ganz ruhig verhalten, wenn Sie mich hier lassen," sagte Paulo finster.
„Durch Ihr Bleiben werden Sie Antonio sicher töten, Baretti."
„Nein, nein! Das nicht," rief Paulo. „Er hat mich gern, und was ist er Ihnen ?"
„Fast im Ernste mein Sohn. Sprechen Sie nicht mehr — gehen Sie jetzt. Ich werde sonst glauben, daß Sie cS wirklich auf sein Leben abgesehen hatten."
„Dem war nicht so. Sie wissen wohl, wen ich morden wollte, und wer mir immer im Wege stand, um mir zu schaden."
„Wenn Sir sich jetzt entfernen, Baretti, so will ich Sie noch vor morgen wissen lassen, wie Ihr Sohn sich befindet. Ich werde selbst zu Ihnen in's Gefängnis kommen. Wollen Sie mein Wort daraus nehmen?"
„Hm, ja, meinetwegen," sagte Paulo zögernd ; „und ich will — ich will jetzt gehen. Sagen Sie ihm, dem armen Jungen, wenn er wieder zu sich kommt, daß es ein Irrtum war; daß ich ihm für die Welt nichts hätte anthun wollen. So will ich gehen, das heißt, wenn ich gehen kann." Er war ganz hülflos, und die Gendarmen nahmen ihm sein Messer ab und geleiteten ihn die
Treppe hinunter aus di« Straß«. Auf dem ganzen Wege zum Gefängnis redete er kein Wort, aber als sich der Schlüssel hinter ihm im Schloß drehte, da brach er in wildes Toben aus und raste wie ein Raubtier in seinem Käfig umher. Die ganze Nacht über vollführte er einen tollen Lärm ; er versuchte, die Thür einzutreten, schrie und tobte, man solle ihn zu seinem Tony gehen lassen, er sei verrückt genug gewesen, jenem Nord zu vertrauen, und nun würde sein Junge nie erfahren, daß er ihn nicht habe töten wollen. Tony würde sterben und ihn für seinen Mörder halten, denn in dem ersten Blick, den er auf ihn geworfen, habe er seinen Vater erkannt.
Noch trommelte der Unglückliche mit geballten Fäusten gegen die Kerkerthüre, als Frank Nord, seinem Versprechen gemäß, kam, um nach ihm zu sehen. Sobald der Gefangene ihn erblickte, stieß er einen Schrei aus und taumelte gegen die Wand. „Nicht, tot, Nord, nicht tot?" fragte er in rauhem Flüstertöne.
„Nein; noch lebt er."
„Und wird auch nicht sterben? Um des Himmelswillen, Nord, sagen Sie, daß er nicht sterben wird."
„Der Arzt giebt Hoffnung auf seine Wiedergenesung."
„Das ist gut — das ist recht. In bin froh — nun liegt mir nichts daran," sagte Baretti, kauerte sich in einer Ecke seiner Z°lle zusammen und fing an, krampfhaft zu lachen und zu weinen.
„Sie wissen, was Sie zu gewärtigen haben, selbst wenn ihr Sohn mit dem Leben davonkomml?" fragte Norv.
„Ja; aber ich mache mir nichts daraus. Tony wird wieder wohl und kräftig werden! was liegt daran was aus mir auch werden wird I"
Möglicherweise dachte der Oberst, daß dieser Punkt allerdings nur für Paulo selbst von Wichtigkeit sei, aber er sprach cs nicht aus. Ihm lag eine andere Sache am Herzen, in welche dieser Besuch ihm Klarheit bringen sollte, und selbst seine Besorgnis für Antonio mußte davor zurücktreten. „Baretti," begamn er, zweimal haben Sie mir nach dem Leben getrachtet, und zweimal find die Folgen ihrer Thal auf Sie zurückgefallen; zweimal auch habe ich mir die Aufgabe gestellt, Ihrem Sohne Kraft und Gesundheit wiederzugeben. Wollen Sie mir sagen, was aus Eiste geworden ist, und dies eine Mal daran denken, daß ich Elsie's Vater bin?"
„Zweimal war Tony's Leben in Gefahr ? fragte Baretti. Wann zum ersten Male?"
Vor kurzer Zeit war er am Fieber aus den Tod erkrankt; meine Pflege rettete ihn."
„Wie kam dies?"
„Er wurde in Paris krank und schickte nach mir, seinem Nachbar."
Baretti knirschte mit den Zähnen und stieß sich den Kopf gegen die Mauer. „Schickte noch Ihnen, wo doch auch ich in Paris war; wenn er nur gewußt hätte, wo ich mich aushalte ; Sie von allen Menschen mußten zwischen mich und meinen Sohn treten und ihn Tag für Tag mehr gegen mich aufreizen I"
„Ich habe erst kürzlich gehört, daß der Paul Barett Von Alsako Antonio's Vater sei."
„Ah I er hatte Angst, es Ihnen zu sagen, weil er wußte, wie Sie Ihr ganz s L ben lang mich gehaßt haben."
„Ich habe Sie nie gehaßt; ich war nur auf meiner Hut vor Ihnen. Sagen Sie mir, wo Eiste ist."
Barettie schwieg, als wenn er überlege, ob es nicht in seiner Macht stände, Frank Nord in Ungewißheit zu lassen; dann sagte er langsam und widerstrebend: „Vorstadt St. Honors, No. 607."
„Und unter welchem Namen wohnten Sie dort?"
„Johnson," versetzte Paulo kurz.
„Und Elfi- ist in Sicherheit?"
»Ja, sicher und wohl und — verrückt," sagte Paulo in derselben langsamen Weise. Ich habe gut für sie gesorgt; sorgen Sie jetzt für ihn. Es ist nur billig, Nord, billig und gerecht."
Der Oberst studierte den Gefangenen eine Weile schweigend. Sein Charakter war unmöglich zu verstehen, denn Baretti war eine Ausnahme von den gewöhnlichen Menschen und verstand sich selbst nicht.
„So werde ich also bald meine Tochter sehen, sagte Nord; „und wehe Ihnen Paulo Baretti, wenn Sie nicht gut behandelt worden ist."
„Ich hatte ihr nichts zu leide gethahn, sondern sie für Tony aufbewahrt. Ich halte sie selbst gerne."
In tiefm Nachdenken versunken entfernte sich der Oberst, und Paulo schrie hinter ihm her, er solle dem Jungen sagen, daß es ein Irrtum gewesen sei; dann warf er sich der Länge nach auf den Boden seiner Z lle und schlief fest, bis der Gefängniswärter ihn auf- rmcktt. (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Als erster Vertreter der Kalender- litteraiur geht uns soeben der Lahrer Hinkende Bote zu. Schon über hundert Jahre waltet dieser vorzügliche Kalender seines wichtigen Amt s, indem er alljährlich gesunde und kräftige geistige Nahrung in den Kreisen deS Volkes verbreitet. Immer hat er Mitarbeiter zu finden gewußt, die sich darauf verstanden, in packender, allgemein verständlicher Sprache und von gut deutsch nauonalem Standpunkte aus, fern von Engherzigkeit und parteiischer Verbissenheit, fern auch von selbstgewisser und hämischer Nörgelsucht, die Welthändel kurz und übersichtlich darzustellen und den unterhaltenden Teil so zu gestalten, daß er nicht blos einen angenehmen Zeitvertreib dar- bot, sondern auch Geist und Gemüt lebhaft anregte und nachhaltig befruchtete. Auch der Jahrgang 1902 ist nach diesem alten guten Rezept gearbeitet. Wir wünschen dem trefflichen Volksbuche die weiteste Verbreitung.
(Schlau.) „Du schenkst deinem Manne immer die Zigarren, die er raucht?" — „Ja. ich will ihm nämlich das Rauchen ab» gewöhnen."
.'. (Gut gegeben.) Schauspielerin (entrüstet) : «Das will ich Ihnen sagen, wenn Sic mir die Mäuse nicht aus der Wohnung vertreiben können, ziehe ich aus l" — Hauswirtin: „Ach schämen Sie sich doch! Im Theater spielen Sie die Jungfrau von Orleans und hier find Sie vor einer MauS bange I"
Aus dem Tagebuch eines Weiberfeindes. Traue in deinem Leben keiner Frauensperson — wirft sie auch sitzt ein Auge auf dich, später kratzt sie dir dafür zwei Augen aus I
Nedakti-m. Drczck und Verlas »sn Beryh. tzsssrann in WltzM.