Gin Waterherz.
Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
69) (Nachdruck verboten.)
„Ich glaube gewiß, daß sie dies versuchen werden," bemerkte Nord satirisch.
„Mein lieber Oberst," sagte Antonio, zärtlich seine Hand auf die Schulter des älteren Gefährten legend, „Sie sind der einzig wahre Freund, den ich besitze, und ich Will kein Geheimnis vor Ihnen haben. Sie wissen, ich bin ehrgeizig. Ich hatte einen Plan, und diesen habe ich ruhig, aber eifrig ausgeführt, durch alle Hindernisse meinen Weg bahnend, mit jener hartnäckigen Ausdauer, die ich von Ihnen kennen gelernt habe. Ich habe eine kleine Operette, einen bescheidenen Einakter komponiert, und der Unternehmer hat sich nach vielen Bitten ge- neigt gezeigt, einen Versuch damit zu machen. Die Aufführung wird nicht viel kosten; die Gesellschaft steht mir treu zur Seite, der Tenor ist mein Landsmann und glaubt nur in Italien sei der echte Genius zu finden. Die erste Probe ist für heute Morgen um zehn Uhr festgesetzt."
„ES freut mich, dies zu hören," sagte Nord, ihm herzlich die Hand schüttelnd. „Es ist ein Schritt vorwärts, und Sie haben alle Aussicht auf Erfolg bei französischen Zuhörern; Sie könnten sich durch die Aufregung wieder ein Fieber zuziehen. An Ihnen ist die Reihe!"
„Ich werde nicht verzweifeln, selbst wenn mein kleines Stück von der Bühne gezischt wird," lachte Antonio. „Es ist nicht viel daran ; ich habe mir kein hohes Ziel gesteckt. Meine Kasse zeigt eine bedenkliche Ebbe, freie Zeit hatte ich genug — daher die Operetie."
„Immerhin guten Erfolg! mein Junge. Ich freue wich, daß Sie mit der Welt voran- schreitcn. Nächstens werde ich esebenso machen."
Jetzt trat Helene Dering in das Zimmer und fand die beiden Herren in eifrigem Geplauder, als ob die Aussicht, ihre Gefährtin los zu werden, ihnen beiden einen Stein vom Herzen genommen habe. Helene war bereits in Reisetoilette und sah sehr bleich und ernst aus. Langsam, aber fest näherte sie sich ihrem seitherigen Pflegling und sagte: „Ich erwartete nicht, Sie hier zu finden; aber — ich bin bereit zu gehen."
„Jetzt schon, Fräulein Dering? Dies kommt mir ganz überraschend."
„Ich habe noch verschiedene Geschäfte in Paris zu erledigen, was zwei Stunden in Anspruch nehmen wird," sagte sie mit einem Blick nach der kleinen Uhr auf dem Kaminsimse, die erst halb sieben zeigte — „und ich denke mit dem Zehnuhrzuge abzureisen."
„Ja; das ist ja ein passender Zug für Sie; doch —" Der Oberst zögerte eine Minute, dann fuhr er fort: „Doch Sie wären weggegangen, ohne mir Lebewohl zu sagen, wenn ich nicht heute früher als gewönlich aufgestanden wäre?"
„Ja, ich glaube wohl."
Frank Nord konnte eS nicht hindern, daß eine leichte Falte auf seine breite Stirn trat, und seine Hand fuhr rasch durch den Bart. „Wäre dies freundlich gewesen?" fragte er, in der nächsten Sekunde diese Frage wieder bereuend.
„In meinem Herzen sagte ich Ihnen schon gestern Abend Lebewohl, Herr Oberst.
Ich fühlte, daß ich Sie bereits zu sehr ermüdet habe, und daß Sie eS vorziehen würden, von einem besonderen Abschiednehmen verschont zu bleiben."
„Es war sehr gütig von Ihnen, daran zu denken, aber ich würde es Ihnen kaum gedankt haben, hätten Sie sich wegg-stohlen, selbst um mich zu schonen."
„Sie lieben keine Scenen," sagte Lena mit sehr leiser, bebender Stimme, „und ich bin ein schwaches Mädchen ohne große Selbstbeherrschung. Ich glaube, eS war Selbstsucht von mir; ich wollte lieber mich selbst schonen, als meinen früheren Pflegling," fügte sic mit einem mißglückten Versuch zu scherzen bet.
Frank Nord neigte wie zustimmend sein Haupt; aber ihr verändertes Benehmen befremdete ihn, und ihr beabsichtigtes heimliches Weggehen war nicht nach seinem Geschmack.
„Aber da ich Sie nun hier antreffe," fuhr Lena fort, „so sage ich Ihnen gerne Lebewohl und fühle mich auch heute dieser Aufgabe vollkommen gewachsen. Es ist nichts mehr zu besprechen wegen der Vergangenheit oder — der Zukunft?"
„Die Vergangenheit ist rin abgeschlossenes Buch; auf die Zukunft haben wir uns vorbereitet, so weil dies in unserer Macht liegt," versetzte Nord. Sic schauen in England nach Elfte aus; ich warte hier auf sie."
„Ja, und die gute Nachricht ihres Wie- derfindenS dürfen wir einander keine Minute vorenthallen, nicht wahr, Herr Oberst?"
„Natürlich nicht."
„Ich liebte Elfte so innig, trotz aller meiner Fehler. O, lassen Sie mich nicht ganz aus Ihrer Erinnerung schwinden, wenn sie es vermögen. Und nun," sagte sie, ihm schüchtern die Hand bietend, „leben Sie wohl. O, stehen Sie meinetwegen nicht auf, Herr Oberst I" Doch er hatte sich bereits erhoben und stand blaß und schwankend vor ihr; ein weicher Ausdruck lag in seinen Augen, was Helene mit wehmütiger Freude erfüllte. In der nächsten Sekunde neigte er sich tief über die kleine Hand, die in der seinen ruhte, ein echter Cavalier der alten Schule. „Leben Sie wohl, mein Kind. Noch einmal muß ich der Vergangenheit erwähnen, aber nur, um Ihnen für alle Güte und Sorge zu danken. Nein, nein, antworten Sie mir nicht, ich weiß schon, was Sie sagen wollen."
„Ich will sagen : „Gott segne Sie," das ist alles," murmelte Helene.
„Amen I" versetzte er, ihre Hand immer noch festhaltend; „und Gott segne auch Sie, mein Kind, mit all' dem Glück, das Ihrer Jugend in dem eiust so geliebten England entgegentreten wird. Ich sage „mein Kind"; und obschon ich sie nicht meiner Tochter Stelle einnehmen lasten konnte, Lena, so lassen Sie mich doch scheiden, wie von einer Tochter, die eine lange, weite Reise antritt." Er beugte sich vor, und drückte einen Kuß auf ihre Stirne, und wenn sie auch unter der Berührung seiner Lippen errötete, so schrick sie doch nicht vor ihm zürück. „Lebin Sie wohl, sagte er dann noch einmal.
Sie vermochte ihm nicht mehr zu antworten, sondern verließ rasch und schweigend das Zimmer, Antonio Baretti's Anwesenheit gänzlich vergessend. Erst auf der Erlaße, nachdem sie von Msre Charamaute Abschied genommen, welche wieder als Herrin des Hauses erschienen war und nun ans dem
Flur ein schreckliches Geheul anstimmte, fand sic plötzlich den jungen Italiener an ihrer Seite. ,O, ich hatte Sie vergessen — vergeben Sie mir!" rief sie hastig; „und tragen Sie Sorge für den Freund, den Sie auf jo seltsame Weise gewonnen. Er ist noch» sehr schwach. Ich — ich hätte nicht Weggehen sollen."
„Er ist der beste und treueste aller Freunde! Ich will über ihn wachen, wie sein eigener Sohn es thun würde."
„So lange ich keine Nachricht erholte, werde ich annehmen, daß Sie beide noch hier sind," sagte Helene in den Wagen steigend, in welchem ihr Mädchen bereits Platz genommen, „doch von jeder Veränderung werden Sie mich hoffentlich in Kenntnis setzen, Herr Barctti."
Antonio versprach dies und trennte sich nach einem herzlichen Händedruck von der Scheidenden. Diese blickte hinauf nach dem Fenster des Zimmers, welches sie für den Oberst eingerichtet, und war erfreut ihn dort zu sehen. Er winkte mit der Hand, und sie erwiederle seinen Adschiedsgruß mit einem matten Lächeln. Dann rollte der Wagen von dannen, aber erst als er die breiteren Straßen von Paris erreicht hatte, brach Helene zusammen und erschreckte ihre Begleiterin durch einen leidenschaftlichen SchmerzenSauS- bruch.
Frank Nord befand sich ganz allein zu dieser Stunde, denn Antonio war zur Probe ins Theater gegangen. Vor dem Feuer zusammengekauert , wärmte er seine mageren Hände an der Glut, und seine Augen blickten unverwandt ihn die Flamme. Niemand störte seine Einsamkeit, die er sich gewaltsam erzwungen. „So ist sie also endlich gegangen — das ist gu>," murmelte er m-hr als einmal vor sich hin, wie um seine Befriedigung zu beweisen, aber seine Miene erhellte sich nicht besonders bei diesen Worten.
(Fortsetzung folgt.)
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Der Unschuld schönster Lohn ist,
Daß sie unbefangen
Nicht Arges denkt und braucht
Vor Augen nicht zu bangen.
«ebattian. Dr"ck und Verlag so« Pervh. Hvimaun in Wilbhad.