Gin WaterHerz.
Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
68) (Nachdruck verboten.)
„Uns zu trennen — ja," wiederholte Lena langsam. „Wenn Sie nur nicht so sehr schwach wären."
„Dies wird mit jedem Tage besser werden, wie Sie mir selbst prophezeiten," war die lächelnde Erwiederung. „Außerdem wird auch Antonio für mich sorgen. Ich möchte so gerne, daß Sie —"
Er hielt inne, und Helene fragte gespannt: „Sie möchten, daß ich?"
„Daß Sie sobalv als möglich nach England zurückkehrten," fuhr der Oberst fort: „gleich morgen schon, wenn eS sich machen ließe. Mir selbst wird eine solche Reise für einige Zeit noch unmöglich sein, und Elfte könnte doch ihren Weg nach WolstonbauS finden. Sie würden mir dann sofort Mitteilung machen und mein Kind hierherbringen."
„Und dann?" fragte Helene bange.
„Dann, Fräulein Dering, würde ich mit meiner Tochter wett Weggehen, um sie die schmerzhafte Vergangenheit zu machen. So Gott will, wird uns eine bessere Zukunft beschicken sein."
„Und Sie werden nie wieder nach Wol- ston zurückkehren?"
„Nie wieder."
„Und Ihr dortiges Besitztum?"
„Haben Sie Güte, einen Agenten mit dem Verkauf desselben zu beauftragen, und übersenden Sie mir den Erlös. Mit meiner Kaste ist eS schlecht bestellt," bemerkte er trocken.
„Also trennen wir uns für immer, wenn ^ ich nickt Elfte Ihnen zuzusühren Habel"
„So ist es. Unsere Lebenspfade liefen eine kurz« Weile nebeneinander, nun trennen sie sich wieder, wie es natürlich ist. Denken Sie nicht auch so?" fügte er nach einer Pause bei.
„Ja." Mit demselben stolzen Ausdruck, mit dem sie sein Ansinnen, Anwnio Baretli zu heiraten, zurückgcwiefen, stand sie ihm eine Sekunde lang gegenüber. Noch lange nachher gedachte Frank Nord dieses stolzen Blickes und wußte ihn sich nicht zu deuten.
Für den Rest dieses letzten Abends, de» sie als Patient und Wärterin zusammen verbrachten , war er sehr freundlich und rück, sichtsvoll, und kein peinliches Thema kam mehr zur Sprache. Es schien, als ob beide der nahe bevorstehenden Trennung dächten und für diese wenigen Stunden ein friedliches Einvernehmen herzustellen versuchten. Der Oberst erzählte von seinem früheren Leben, von den Tagen in Alsako, von seinen rhrgelzigen Plänen und Hoffnungen, und Helene hörte ihm mit atemlosem Interesse zu, bis die Heimkehr Antonio'S dieser Unterhaltung ein Ende bereitete.
36. Kapitel.
Das schreckliche „Morgen", der Tag der Trennung, der ihr wie das Ende aller Dinge schien, auf welche ihr Interesse sich vereinigt hatte, war für Helene angebrochen. Sie mußte Frank Nord verlassen und zu ihrem einsamen Leben in Wolflon zurückkehren, aus seinen Wunsch, ja auf seinen Befehl, weil er sich durch ihre Gegenwart unglücklich fühlte.
Nachdem ihre ersten Zweifel an dem
Expräsidenten von Alsako sich gelegt, war sie unbewußt in das Gegenteil davon verfallen. Sie war geneigt, diesen Mann für ganz vollkommen und fehlerlos zu halten und mit einer Ehrfurcht zu ihm aufzublicken, welche sie seinem Wunsche willfährig machte. Daß er sie nicht an seiner Seite leiden mochte, war ihr bitterster Schmerz, obschon sie einsah, daß dies nur natürlich sei; hatte sie doch mitgeholfen, sein heiß ersehntes Glück zu zerstören. Aber, daß er ihr vergeben, daß er in den letzten Stunden noch freundlich zu ihr gewesen, machte diese Bitterkeit etwas erträglich. Und daß er ohne sie glücklicher sein werde, erleichterte der jungen Schwärmerin die Trennung; in jener Stunde heißer Dankbarkeit und tiefen Kummers hatten sie sich ja gelobt, so viel in ihren Kräften stand, Franks Nord'S Glück zu begründen, und wenn er dieses nur fern von ihr zu finden vermochte, so mußte sie ihn eben verlosten und ihr neues Geheimnis mit sich nehmen.
Inzwischen fühlte sich Frank Nord an jenem letzten Morgen auch nicht besonders glücklich. Er sah nicht frischer und froher aus, weil er seinen Willen durchgefitzt, sondern war hart und strenge, ein nichts weniger als angenehmer Gefährte für Antonio Baretti, den er durch sein zeitiges Herabkommen zum Früstück sehr überrascht halte. Als der Kranke mit seinen alten schwerfälligen Schritten, auf den derben Stock gestützt, den ihm Msre Charamante schon vor seinem letzten Rückfall verschafft halte, in dos Zimmer einirat, rief Antonio aufspringend: „Zu dieser Stunde auf? Mein lieber Nord, was ist vorgesallen?"
„Nichts ist vorgesallen, Junge." versetzte dieser grämlich. „Ich bin heute etwas früher aufgestanden, aber das ist doch kein Grund, warum Sie Ihren Mund in dieser einfältigen Weise ausreißen sollten."
- Antonio schloß rasch seinen Mund bei diesem Kompliment, und Frank Nord erreichte ohne Unfall den bequemen Sessel, den er am vorhergehenden Abend inne gehabt, und ließ sich darin nieder. „Sie wissen, daß Fräulein Dering heute weggeht, Baretti?"
„Ja: eS lhut mir leid."
„Mir nicht, wie Sic sehen. Ihre Anwesenheit belästigte mich, ja hielt selbst meine Wiedergencsung zurück, wie ich mehr als einmal dachte."
„Sie schienen sich in letzter Zeit an sie gewöhnt zu haben."
„Was verstehen Sie davon?" murrte der Oberst mit finsterer Miene. „Ich verbarg meine Abneigung um das Frauenzimmer nicht zu mrletzen; aber ihr Weggehen wird eine unendliche Erleichterung für mich sein. Können Sie dies nicht begreifen?"
„Ich glaube, ja," versetzte Antonio nach kurzer Ueberlegung.
„Gut, und ich möchte Ihnen auch begreiflich machen — Sie sind heute Morgen entsetzlich schwerfällig im Denken —" schaltete er in gereiztem Tone ein, „daß ich mit weiteren Geständnissen von Bedauern, Dankbarkeit usw. verschont sein möchte. Ich bin noch nicht kräftig genug, um dies zu ertragen, und wenn Sie bis nach ihrem Weggehen bei mir bleiben würden, so wäre eS bester für sie und mich."
«Ja — a," meinte Antonio zweifelnd, „es könnte so sein."
„Es könnte so sein!" rief Nord verächt
lich, seinen Ton nachahmend; „ich habe ge- gesagt, eS wäre so, nicht wahr? Fräulein Dering war sehr besorgt um meine Gesundheit, aber sie hat mich nicht immer geschont, wenn sie es konnte. Ich mochte eS nie."
„Dies würde sonderbar klingen, für Jemanden, der Sic nicht könnte, lieber Oberst."
„Ich versuche ja, nicht undankbar gegen sie zu sein, aber sie ist eine Dering; sie ist Schuld, daß meine Tochter — Doch dies sind alte Geschichten, für die ich ihr Verzeihung gewährt habe, und die sie auf jede Art zu sühnen gesucht hat. Ja, ich bin undankbar, ich gestehe eS zu."
„Nicht in Wirklichkeit, nur dem Anscheine nach, mein Freund," bemerkte Antonio.
»Ich sage Ihnen, ich bin eS," rief Nord verdrießlich. „Warum suchen Sie heute Morgen jede Gelegenheit auf, mir zu wider, sprechen? Es gleicht Ihnen gar nicht — eS ist nicht freundlich von Ihnen.
„Ich schweige."
„Und Sie werden bei mir bleiben bis Lena Dering das Haus verläßt?"
„Es kommt mir außerordentlich ungelegen," stotterte Antonio sehr verwirrt.
„Verwünscht! Da haben wtr'S wieder. Gehen Sic oder bleiben Sie, wie Sic wollen, Antonio und geben Sie mir mein Frühstück wenn Sie nicht einen Grund angeben können, es mir vorzuenthalten."
Antonio reichte dem Freunde eine Taste und betrachtete ihn aufmerksam. Der Kranke war weit mehr gereizt, als gewöhnlich, und Antonio fürchtete ernstlich, ein zweiter Rückfall könne im Anzuge sein, bis er bemerkte, daß Nord'S Hand sehr sicher die Tasse hielt und seine Augen klar und glänzend waren. Irgend etwas mußte ihm in die Quere ge» kommen s-in, das war offenbar. Antonio wußte keinen Grund, warum Frank Nord auf ihn persönlich böse sein solle; er hoffte, durch geduldiges Warten eine Aufklärung dieser seltsamen Gemütssttmmung zu erzielen. Der Oberst nahm schweigend das Frühstück ein, aber sein Gedächtnis gehörte zu jenen, welche alles aufspeichern, um dann Andere unerwartet damit zu überfallen.
„Warum kommt cs Ihnen außerordentlich ungelegen, heute Morgen hier zu bleiben?" wandte er sich plötzlich zu Antonio. „Fräulein Dering reist um zehn Uhr von hier ab; früher wird man wohl Ihrer im Theater nicht bedürfen?"
„Man bedarf meiner; aber sie können sich eine Weile auch ohne mich behelfen," verfitzte Antonio.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
(Uebcrflüstig.) Patientin: „Sie haben ja nicht einmal ein Firmenschild unten am Haus?" Zahnarzt: „Wozu auch, während der Sprechstunden öffne ich das Fenster, da hört man schon, daß hier ein Zahnarzt wohnt!"
(Erkannt.) „Ach Fräulein Emilie, ich liebe Sie so heiß, so heiß, so innig, so unermeßlich, so ... — „Aber mein Herr, so viel Mitgift Hab' ich gar nicht l"
.'. (Sonderbar.) Rentier Da hat mir nun der Arzt geraten, ich sollte als Mittel gegen meine bedrohliche Beleibtheit einen Sport treiben. Jetzt sammle ich schon eifrigst Ansichtspostkarten und werde doch von Tag zu Tag dicker!"
»edattton. Druck und Verlag vau Beruh. H o f « « u u in Wildbad.