Gin WaterHerz.
Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
64) (Nachdruck verboten.)
„Ja — ich glaube es, mit einer sorgsamen Wärterin."
„Dann wird er genesen," sprach Helene zuversichtlich. Es folgten nun einige Worte wegen des Honorars; Doktor Mafont nahm einen Wechsel in Empfang und verabschiedete sich mit einer höflichen Verneigung. Die Prophezeihung des berühmten Mannes erwies sich als richtig, obgleich der Rückfall deS Kranken rin sehr ernster war und die beiden treuen Herzen, die er sich auf so merkwürdige Welse gewonnen, noch lange in großer Angst um ihn schwebten. Noch zu verschiedenen Malen wurde Doktor Mafont an das Lager des Exprästdenten gerufen, denn die geringste Veränderung in dem Zustande deS Kranken erfüllte Helene mit tätlicher Besorgnis.
ES dauerte einige Tage, ehe Frank Nord wieder zu Bewußtsein kam, ehe HelenenS Befürchtung, daß auch sein Geist dauernd gestört sei, vollständig zerstreut wurde. Die beiden Acrzte bei ihren Besuchen, wie auch Antonio, wenn er nach harter Tagesarbeit sich bei dem Freunde einfand, sahen Helene stets an dem Lager des Patienten, wartend und Pflegend, häufig auch betend, und wenn Elstc's Name über seine Lippen kam, ihre Hand in dir seine stehlend, damit er seine Tochter an seiner Seile glaube und sich selbst im Fieberwahn dadurch getröstet fühlte.
33. Kapitel.
Es war ein sonniger Nachmittag im April als Frank Nord sein klares Bewußtsein wieder erlangte. Das Fieber hatte ihn seit zwei Tagen verlassen, aber er war zu schwach, um zu sprechen — fast zu schwach, wie Helene glaubte, seine Wärterin zu erkennen. Nun hatte er den ganzen Morgen geschlafen, und des Nachmittags schob plötzlich eine dünne weiße Hand den Bettvorhang bei Seite. Helene bereitete vor dem Feuer eine schmackhafte Fleischbrühe für den Patientin, aber sie Hörle das Rasseln der Ringe an der eisernen Stange, und ihr Herz begann heftig zu pochen. Sie neigte sich tiefer über das Feuer, das Gesicht von ihm abgewandt, und betet: innbrünstig, daß ihr heißer Wunsch in Erfüllung gehen, daß Frank Nord im vollen Besitze seiner Geisteskräfte erwacht sein möge.
Mit weit offenen Augen ruhte der Kranke auf seinem Lager und betrachtete die weibliche Gestalt, welche vor dem Feuer knieele. Er schien sich noch kaum Rechenschaft geben zu können, wo er war, oder wie es kam, daß er hier lag und wenige Schritte vom ihm eine junge, anmutige, in tiefe Trauer gekleidete Dame sich befand. Er blickte im Zimmer umher und zur Decke hinauf und suchte vergeblich'seine Gedanken zu sammeln. Er machte eine Anstrengung, den Kopf zu erheben, und war zum ersten Mal in seinem Leben erstaunt über dessen offenbares Gewicht ; dann lag er wieder sehr still und bemühte sich, über seine Lage sich klar zu werden. So regungslos verhielt er sich, daß die Dame vor dem Feuer nach einer Weile den Kopf wandte und ein bleiches Gesicht mit großen braunen Augen ihm zukehrle.
„Fräulein Bering," sagte Nord, und die schwache Stimme, die so gar nicht der seinigen
glich, war eine abermalige Ueberraschung für s ihn, „also Sie sind es."
„Gott sei Dank, daß Sie mich endlich erkennen!" rief Helene, sich dem Bette nähernd. ,O, wie froh — wie unendlich froh bin ich, daß eS Ihnen wieder besser geht."
„Ja, es ist Friedrichs Schwester. Ich dachte es gestern schon," murmelte der Kranke vor sich hin. „Und — dennoch glaubte ich, Sie wären —" Er hielt einen Augenblick inne und fragte ernst: „Wie lange bin ich krank gewesen?"
„Viele Tage — im Ganzen ..."
„Und man hat nach Ihnen geschickt I Das war sehr unrecht. Wo ist Antonio?"
„Im Opernhause."
„Ah — richtig — er hat eine Anstellung beim Orchester, weil er ein talentvoller Musiker ist. Natürlich erinnere ich mich dessen. Aber Sie?"
„Wenn Sie noch eiwas kräftiger sind — vielleicht morgen schon — sollen Sie erfahren, daß ich als Ihre Pflegerin hier bin."
„Als meine Pflegerin — Tie? War es nicht möglich, Jemand anders für diesen Posten zu finden ? Niemand hat ein Recht, Sie damit zu belästigen oder mich durch Ihre Anwesenheit zu martern. Niemand —"
„Bitte regen Sie sich nicht nicht auf," flehte Helene. „Es war notwendig. Jetzt, da sie wohler sind, kann ich gehen — in einigen Tagen — morgen — ja heute noch, wenn Sie es wünschen."
„Ich danke Ihnen, gewiß."
Helene kehrte an ihren früheren Platz zurück und weinte still vor sich hin. Hatte sie auch kaum erwartet, daß er sofort, wenn überhaupt, freundlichere Gesinnungen gegen sie hegen werde, so lag doch etwas Herzerschütterndes in dem Bewußtsein, daß diese tiefgewurzelte Abneigung nur die Folge ihres früheren Mißtrauens war. Nachdenklich und traurig saß sie da, niedergebeugt durch die Ueberzcugung, daß nur ihr Versprechen, baldigst wegzugehen, den Kranken sofort beruhigt haben, und dieser lag still und ernst, allmählich sich in die Vergangenheit zurückversetzend und dir schrecklichen Thatsachen ordnend, die er in den ersten Stunden seiner Wi-dergenesung nicht zu bemeistcrn vermocht hatte. Endlich hatte er sich Alles, bis zur Stunde seines Rückfalles wieder erinnert und fragte nun besorgt: „Sind Nachrichten von Eiste eingelaufen?"
„Noch nicht; aber sie können nicht mehr lange bleiben, denn allenthalben sind Kundschafter in unserem Dienste thälig."
Helene brachte ihm jetzt die Fleischbrühe, mit deren Zubereitung sie den ganzen Tag beschäftigt gewesen, und Nord fragte rasch: „Was ist dies?"
„Eine kräftige, wohlschmeckende Brühe, welche der Arzt Ihnen für heute erlaubte, Sie sind doch nicht böse, daß ich sie bereitet habe?" fügte sie demütig bei.
„Ich bin Ihnen sehr verbunden," versetzte der Oberst mit ernster Höflichkeit, „und wenn ich auch bedaure, Ihnen so viele Mühe verursacht zu haben, und zugestehe, daß ich dies für ein verhängnisvolles Versehen anderer halte, so haben Sie mich nichtsdestoweniger durch Ihre Sorge für mich sehr verpflichtet. NichSdestoweniger sehr verpflichtet," wiederholte er, als ob diese Thatsachc seiner aufopfernden Pflegerin nicht tief genug ein- geprägt werden könne.
„Sie irren, Herr Oberst," versetzte Helene weich. „Ich bin es, die Ihnen zu unendlichem Danke verpflichtet ist, für Ihre große Güte und Hochherzigkeit, die je zu vergelten außer dem Bereiche der Möglichkeit liegt. Es ist so," bekräftigte sie, Nord's ablehnende Miene bemerkend, „ich habe -S Ihnen schon vor Ihrer Erkrankung gesagt, Herr Oberst; ich will es nicht wiederholen. ES belästigt Sie, mich dankbar zu finden. Trinken Sie dies bitte."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Berlin, 30. Juni. Wie sich die schlechte Gewohnheit mancher Dienstherrschaften, entlassenen Dienstboten aus alle Fälle ein gutes Zeugnis auszustellen, unter Umständen gegen sie selber richten kann, zeigt folgender Fall, der kürzlich dem Amtsgericht zur Entscheidung vorlag. Eine gegen einen Monatslohn von 20 ^ nest freier Kost u. Wohnung angestellt gewesene Köchin war von ihrem Dienstherrn plötzlich entlasten worden, weil sie diesem angeblich Rum entwendet und auf Vorhalt laut raisonniert hatte. Der Dienstherr schrieb der Köchin trotzdem ein gutes Zeugnis und zahlte ihr auch noch für den vollen Monat Lohn. Die Köchin war damit aber nicht zufrieden, sie strengte vielmehr eine Klage gegen den Dienstherrn an wegen Entschädigung für Kost und Wohnung dis zum Schluffe des Monats. Sie hat, wie sich aus dem Urteil ergiebt, gesiegt. In dem Urteil heißt eS: „Aus dem Verhalten des Beklagten war zu erschließen, daß er aus dem angeblichen Vorfälle nicht einen Entlastungs- grund herleiten wollte. Die Gestndedienst» bücher sind an und für sich dazu da, daß wahrheitsgemäße Zeugnisse eingetragen werden. Es ergiebt sich das außer der selbstverständlichen Pflicht jedes Menschen zur Wahrheit für das praktische Leben auch daraus, daß die Zeugnisse anderen als Unterlage für die Fähigkeiten und Zuverlässigkeit deS Dienstboten dienen sollen. Wenn selbst die Sachdarstellung des Beklagten als richtig vorausgesetzt wird, so hat er dadurch, daß er der Klägerin ein wahrheilswidrig gutes Zeugnis erteilte, zu erkennen gegeben, daß er der Klägerin den Fehler verziehen hat und durch die Fassung des Zeugnisses derselben ganz unzweifelhaft bescheinigt, daß er das Betragen der Klägerin nicht als EntlassungS- grund verwerten wollte."
(Irrtum.) Schutzmann (abends): „Ich beobachte Sie schon 3 Stunden, wie Sie hier in verdächtiger Weise um das Haus herumschleichen, folgen Sie mir einmal zur Wache!" — Herr: „Ach, gutesteS Herrchen, ich habe Sie ja gar nichts Böses im Sinn ... ich wollte mir nur hier bei dem Barbier einen Zahn ziehen lasten."
.-. (Humor des Auslandes.) Er: Stelle Dir vor, diese Nacht träumt- ich, ich sei gestorben. — Sic: Da wirst Du hübsch lang im Fegfeuer haben bleiben müssen. — Er: Nicht eine Minute. Kaum erblickte mich der heilige Petrus, da sagte er: Der kommt gleich in den Himmel, wir kennen seine Frau zu gut.
(Aus den Schulheften des kleinen Franz.) Die Römer waren ein sehr tapferes Volk, jetzt benutzt man sie nur noch, um Wein aus ihnen zu trinken.
Redakitou, Druck und Verlag von Beruh. Hofmanuiu Wilbbad.