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Kin Mockerherz.
Roman in Originalbcarbcitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
54) (Nachdruck verboten.)
Ein leises, langgezogenes Murmeln der Enttäuschung folgte seiner Erwiederung, und viele Stimmen würden ihm geantwortet haben, wenn er nicht rasch seine Hand erhoben und eilig fortgefahren hätte, die Gründe seiner Weigerung beizufügen.
„Ich sagte, ich sei stolzer geworden. Mein Stolz ist eine Heimsuchung, unter der ich Vielleicht noch viel zu leiden haben werde; aber sie kann mich, wie ich fürchte, nicht lehren, je wieder denen zu vertrauen, welche ungerecht gegen mich gewesen. Ich bin zu stolz, um abermals ein Leben, so bitter wie das erste, zu beginnen, und ziehe die Enttäuschungen und Kränkungen vor, gegen welche ich augenblicklich anzukämpfen habe. Alsako hatte kein Vertrauen zu mir und ich wiederhole es, meine Freunde, bei aller Hochachtung für das Volk, dem ich gedient, ich kann Alsako nicht mehr trauen."
Wieder ging ein leises Murmeln, fast wie das dumpfe Rauschen der Meereswogen, durch die Versammlung. Dann trat der Anführer erhitzt und aufgeregt einige Schritte vor. „Oberst Nord, ich bitte Sie, Ihren Entschluß nochmals in Erwägung zu ziehen, um unsertwillen, um Ihrer selbst und jenes Landes willen, dem wir zusammen treu gedient und das uns zurückruft," sprach er. „Dieses Leben hier paßt nicht für Sie, und Ihre besten Tage bei uns, fern von hier, werden noch kommen, wenn Sie es wollen."
„Ich bin ein Engländer," versetzte Nord ; „ich war in Alsako ein fremder Abenteurer, mit großem Ehrgeiz behaftet. Es giebt Hunderte von Männern, besser und befähigter, jene Präsidentschaft zu übernehmen, als der schwache, verbitterte Kranke, den Ihr aus den Kampfplatz zurückrust. Ich bin zu elend, zu sehr verändert und habe zu wenig Achtung für das Land, das ich nach Eurem Wunsche regieren soll."
Er wankte nach seinem Stuhle und sank überwältigt von den Anstrengungen des Tages, ohnmächtig darauf nieder. Antonio hielt ihm ein Glas Wein an die Lippen, und eine Frau, die er zu kennen glaubte, neigte sich angstvoll über ihn, als er langsam wieder zu Bewußtsein kam. „Meine Freunde," sagte er matt, „Ihr seht, welch schwacher Führer ich Euch sein würde und werdet mir sicher weiteres Drängen ersparen. Denn stark oder schwach, ich werde von meinem Entschlüsse nicht abgehen. Ich fühle mich unendlich geehrt durch Euer Vertrauen — und danke Euch noch einmal — zum letzten Mal von ganzem Herzen."
Er streckte die bebenden Hände den Fremden entgegen, und diese griffen darnach, knieten nieder und küßten sie mit heißer Inbrunst, ehe sie, einer nach dem andern, traurig und enttäuscht das Zimmer verließen.
„Ihr werdet Alsako nicht verlassen, Manuel," sagte Nord, als der Anführer der Deputation ihm Lebewohl sagte; „es ist Euer Geburtsort, und das Volk wird seine Rettung bei Euch suchen. Gott segne Euch, wenn wir einander nicht mehr sehen sollten."
„Amen," sprach Manuel, den Freund wieder stürmisch in seine Arme schließend;
„doch ich hätte lieber Ihnen gedient, als Alsako regiert, mein lieber Oberst."
„Ihr werdet eS besser regieren, als ich," gab dieser zurück. „Ich war stets ein verzweifelter Mensch, und in meiner Jugend lausten mich die Leute in Wolston den „v>r- rückten" Nord. Es war eine Verrückchet! in meiner Familie, das ist gewiß, sonst hätte ich nie gehandelt, wie ich es gethan. Was ist Ihnen, Fräulein Dering?"
Helene hatte einen leichten Aufschrei bei Nords letzten Worten nicht zu unterdrücken vermocht. „Nichts — nichts," sagte sie, ihr Gesicht mit beiden Händen bergend, ich werde eS Ihnen später sagen — bitte achten Sie nicht auf mich."
„Ihre Tochter?" fragte Manuel leise, „die kleine Elfte, von der Sie unS beim Lagerfeuer während jenes glorreichen Feldzuges zu erzählen pflegten?"
„Nein — nicht Elfte," versetzte der Kranke traurig.
„O — Pardon — ich habe Sie betrübt — sie ist also tot, mein armer Freund."
„Nein, sie handelte nur, wie Alsako an mir," war die bittere Erwiderung. „Lebt wohl. Ich halte Euch hier zurück, und es liegt stets Gefahr in einer derartigen Zusammenkunft in Paris."
„Es ist bekannt, daß wir nicht gegen das Kaiserreich arbeiten, mein Freund, und in der Thai," fügte er flüsternd bei, „das französische Kaiserreich segnet im Geheimen unser Unternehmen."
„Ich wünsche Euch besten Erfolg," sagte Nord müde; „und nun nochmals, trbl wohl."
In Alsako besteht eine Bewegung unter i den Slaalsbcamten — den ehrenhaften wenigstens — um Ihnen Ihr Eigentum, das beschlagnahmt wurde, wieder zuzustellen. Ich werde dies hoffentlich noch erleben."
„Hoffentlich auch ich," versetzte Nord fast heiter, „dann habe ich noch ein langes Leben vor mir."
„Sie sind arm — wenn"
»Ich ja— arm, aber stolz," unterbrach ihn der Kranke. „Ich habe es Ihnen bereits gesagt."
»Ja — ich weiß es."
Manuel entfernte sich jetzt ebenfalls, als der Letzte der Deputation. Als sich die Thür hinter ihm geschlossen, faltete Frank Nord seine Hände ineinander und seufzte tief auf; ob wegen der Stellung, die er ausgcschlagen, oder aus Erleichterung, daß die Belästigungen, die ihm daraus entstanden, vorüber seien, blieb schwer zu unterscheiden.
29. Kapitel.
Antonio und Helene Dering warteten geduldig , ob der Kranke jetzt das Wort an sie richte. Sie verrieten beide, wie notwendig er der Ruhe bedürfe nach all' den Aufregungen und Störungen des Nachmittags, und wollten ihn durch eine Anrede nicht stören. Allein Frank Nord schien ihre Anwesenheit ganz vergessen zu haben. Nach wenigen Minuten sank sein Haupt tiefer aus die Brust herab, und die tiefen Atemzüge verkündeten, daß er vor Erschöpfung eingeschlafen war. Antonio sprach mit gedämpfter Stimme zu Helene. „Sie werden ihn so viel als möglich schonen, Ftäalein Dering?"
„So viel als möglich; aber muß er nicht auf alle Fälle die Wahrheit erfahren? Wäre es recht, ihn über Elftes Geschick im Unklaren zu lassen?"
„Sagen Sie mir Alles und lasten Sie mich urteilen. Er hat mir das Leben gerettet und mich während eines heftigen Fiebers, das dann auch ihn erfaßte, gepflegt. Ich widme ihm mein Leben, so lange er cs duldet."
Helene war überrascht; aber es war ein Tag der Ueberraschungen und jetzt nicht die Zeit zu weiteren Erklärungen. Sie fühlte, daß ste in diesen bleichen, verfallenen Antonio Baretti volles Vertrauen setzen könne. Sie erzählte in kurzen Worten von Elsie's Geistesstörung und Flucht, und als ste in ihrem traurigen Berichte fortfuhr, neigte Antonio sich immer tiefer herab und stöhnte leise. „Alles meine Schuld —Alles, Alles" murmelte er. „Was ist zu machen? In welcher Art können wir auf ihre Spur gelangen?"
„Ich weiß es nicht," versetzte Helene; „ich habe bis jetzt vergeblich nach ihr gesucht. Aber daß es mir endlich gelungen, Elsie's Vater aufzufinden, giebt mir neue Hoffnung. Und das wird er —" ste hielt inne und fuhr dann zögernd fort: „Und doch wird er mir nie vergeben; er ist ein unversöhnlicher Mann."
„Er ist stolz, aber hochherzig."
„Ist er sehr arm?" flüsterte Helene kaum vernehmlich.
„Ja; sehr arm."
„Wir müssen ihn retten. Wollen Sie mir dabei behülflich sein, Herr Baretti?"
„In jeder Weise, glauben Sie mir."
„Folgen Sir jenem Herrn, den ste Manuel nannten; machen Ste seine Adresse ausfindig; sagen Sie ihm, daß ich ihn sprechen müsse, ehe er nach Alsako zurrückkehrt. Sie werden eS für Frank Nord lhun, wenn nicht für mich."
„Für beide," sagte Antonio. Er erhob sich rasch und schritt geräuschlos nach der Thüre; ober dann zögerte er, und kam wieder zurück. „Es wird ihm nicht erwünscht sein, bei seinem Erwachen Sie hier zu finden, Fräulein Dering. Ich glaube sogar, daß er mich vermissen wird."
„Sie sind nicht geeignet zum Krankenwärter, so lange Sie noch leidend sind; ich habe Erfahrung genug, um zu sehen, daß Frank Nord schwer krank ist und sorgfältigerer Pflege bedarf, als Sie beide glauben."
„Und Sie — wollen ihn pflegen?"
„Wie ich meinen eigenen Vater pflegen würde, Herr Baretti."
„Aber er —"
„Er wird mir vergeben, wie ich zuversichtlich hoffe, wenn ich sein natürliches Mißtrauen bezwungen und ihn gelehrt habe, besser von mir und seiner Tochter zu denken. Und sollte mir dies mißlingen, sollte er mich gänzlich verabscheuen, so bleibt mir nichts übrig, als wegzugehen," fügte ste seufzend bei.
»Ich laste ihn in guten Händen zurück. Es freut mich, daß ste hier find, um für ihn Sorge zu tragen, Fräulein Dering. Ich verspreche mir guten Erfolg davon.
„Ich danke Ihnen, Herr Barretti."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
.. (Aus der Kaserne.) Unteroffizier zum Rekruten: „Sie Glücklicher, Sie brauchen nicht zu fürchten, daß Sie einmal den Verstand verlieren."
(Schlaukopf) Bauer am Schalter: „An Billet!" — „Wohin denn!" — „Nu Heem I"
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Rrdakiton. Druck und «erlag von 8«r nh. Hofmanoin Wldbad.